Martin Riesenburger

(c) Bundesarchiv, Bild 183-77723-0002 / CC-BY-SA 3.0
Martin Riesenburger (links) und Hans Seigewasser enthüllen am 9. November 1960 einen Gedenkstein in der Großen Hamburger Straße
Grabstätte
Gedenktafel, Martin-Riesenburger-Straße 1, in Berlin-Hellersdorf

Martin Riesenburger (geboren am 14. Mai 1896 in Berlin; gestorben am 14. April 1965 ebenda) war ein deutscher Rabbiner.

Leben und Wirken

Nach dem Abitur studierte Riesenburger zunächst Zahnmedizin, brach das Studium während des Ersten Weltkriegs jedoch ab. Nach 1918 absolvierte er an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin ein Studium der Religionsphilosophie. Daneben studierte er auch Musik und ließ sich zum Konzertpianisten ausbilden.[1]

Riesenburgers offizieller Dienst in der Berliner Jüdischen Gemeinde begann am 1. Juni 1933 bereits unter dem drohenden Vorzeichen des Nationalsozialismus. Er war Prediger und Seelsorger im Jüdischen Altersheim in der Großen Hamburger Straße und in dem angeschlossenen Jüdischen Krankenhaus. Im Jahr 1942 wurde Riesenburger verhaftet und nach kurzer Zeit unter polizeilicher Meldepflicht entlassen. Grund war, dass er in einer „Mischehe“ lebte. Seine zum Judentum übergetretene Ehefrau galt nach den Nürnberger Gesetzen nicht als Jüdin, weil sie keine jüdischen Eltern hatte. Ab Juni 1943 war unweit seiner Wohnung in Berlin-Weißensee auf dem Friedhof der Jüdischen Gemeinde zu Berlin als Rabbiner tätig. In seiner Position auf dem Friedhof konnte Riesenburger Flüchtlingen helfen, heimliche Gottesdienste abhalten, für ein angemessenes Begräbnis verstorbener Juden sorgen sowie bei der Rettung von 5000 Thorarollen und Gebetbüchern mitwirken.[2]

Martin Riesenburger wohnte in der Lothringenstraße, die 1951 nach Herbert Baum umbenannt wurde.[3] Sein Grab befindet sich auf dem benachbarten Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee.

Wiederaufbau der Jüdischen Gemeinde in Berlin nach 1945

Nach 1945 erwarb sich Martin Riesenburger Verdienste beim Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde in Berlin, im Mai 1945 leitete er den ersten jüdischen Gottesdienst in Berlin nach Kriegsende. 1953 wurde er zum Gemeinderabbiner berufen, wobei er sich in der DDR für die Entwicklung einer eigenständigen Jüdischen Gemeinde einsetzte, weil diese sich nach der Teilung Berlins gespalten hatte. So war er nun auch für die Seelsorge von jüdischen Gefangenen in Berlin zuständig, wie ein im Jüdischen Museum vorhandener Dienstausweis aus dem Jahr 1953 zeigt.[4] 1961 ernannte die DDR-Regierung Martin Riesenburger offiziell zum Landesrabbiner der Jüdischen Gemeinden in der DDR.

Zweifel an der Rabbinerschaft

Ob Riesenburger aber überhaupt Rabbiner war, wird nach heutigen Erkenntnissen in Zweifel gezogen. Lothar Mertens[5] führt dazu aus, dass Riesenburger weder innerhalb von zwei Jahren die gesamte Rabbinerausbildung beenden konnte, noch dass er ordentlich ordiniert wurde, da die drei notwendigen Rabbinerunterschriften nicht zu besorgen waren. Laut derselben Quelle habe er sich selbst noch im Jahr 1950 nicht als Rabbiner betrachtet und sei auch von den jüdischen Gemeinden in der DDR nicht als Rabbiner akzeptiert worden.[5] Auch im 2009 erschienen biographischen Handbuch der Rabbiner wird angemerkt, dass Riesenburger ohne Ordination als Prediger und Seelsorger wirkte.[6]

Ehrungen und Auszeichnungen

1956 wurde Riesenburger mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Silber und 1961 in Gold ausgezeichnet.[7]
1961 erhielt er außerdem die Ehrendoktorwürde der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin.[8]
Seit 1987 trägt in Berlin-Hellersdorf eine Straße im ersten Neubaugebiet seinen Namen.

Veröffentlichungen

  • Also spricht dein Bruder. Predigten. Union Verlag, Berlin 1958
  • Das Licht verlöschte nicht. Ein Zeugnis aus der Nacht des Faschismus. Zuerst: Union Verlag Berlin 1960

Literatur

Weblinks

Commons: Martin Riesenburger – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Nadja Bethlehem: Gefühlvoller Seelsorger. Erinnerungen an Rabbiner Martin Riesenburger. Wiedergabe eines Artikels über Martin Riesenburger in der Jüdischen Allgemeinen vom 31. Juli 2003.
  2. Regina Scheer: Zusammenhänge. Kein Guter Ort für Gerda W. (Memento vom 1. Januar 2004 im Internet Archive) In: der Freitag 42/1999.
  3. Zur Straße siehe Herbert-Baum-Straße. In: Kauperts Straßenführer durch Berlin.
  4. „Dienstausweis“ von Martin Riesenburger (Memento vom 10. September 2010 im Internet Archive) im Jüd. Museum Berlin
  5. a b Lothar Mertens: Davidstern unter Hammer und Sichel. Hildesheim 1997; zugl. Univ. Habil-Schrift 1996, S. 160f und weitere Anmerkungen zur DDR-Zeit
  6. Katrin Nele Jansen, Jörg H. Fehrs, Valentina Wiedner: Biographisches Handbuch der Rabbiner. Teil 2 Die Rabbiner im Deutschen Reich 1871–1945. Hrsg.: Michael Brocke, Julius Carlebach. Band 1. K. G. Saur, München 2009, ISBN 978-3-598-24874-0, S. vii.
  7. Ehrungen für Martin Riesenburger, In: Neues Deutschland, 15. Mai 1961, S. 2
  8. Ehrendoktorwürde für Rabbiner Riesenburger, In: Neues Deutschland, 17. Juni 1961, S. 2

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Berlin, Gedenkstein für jüdische Opfer

Zentralbild/Zühlsdorf 9.11.1960 Berlin: Gedenkstein für jüdische Opfer des Faschismus enthüllt In einer Feierstunde am 9.11.1960, dem 22. Jahrestag der von den Faschisten 1938 veranstalteten "Kristallnacht", wurde an der Stätte des ehemaligen jüdischen Altersheimes in der Grossen Hamburger Strasse ein Gedenkstein enthüllt. Während der Feierstunde ergriffen Hans Seigewasser, Vizepräsident des Nationalrats der Nationalen Front, und Rabbiner Martin Riesenburger das Wort. UBz.: Der Gedenkstein wird enthüllt. Rechts: Hans Seigewasser.

Abgebildete Personen:

  • Seigewasser, Hans: Staatssekretär für Kirchenfragen, Volkskammerabgeordneter, DDR
  • Riesenburger, Martin Dr.: Landesrabbiner der jüdischen Gemeinde Berlin, DDR