Martin Reichardt (Mediziner)

Martin Reichardt (* 17. August 1874 in Ronneburg, Thüringen; † 23. Dezember 1966 in Würzburg) war ein deutscher Psychiater und Hochschullehrer.

Leben

Der aus dem ostthüringischen Ronneburg stammende Martin Reichardt, Sohn eines Thüringer Superintendenten, wandte sich nach dem Abitur dem Studium der Medizin an den Universitäten Halle, Heidelberg und München zu, 1900 wurde er an der Universität Leipzig zum Dr. med. promoviert. Während seines Studiums wurde er 1893 Mitglied der Sängerschaft Fridericiana Halle und der Sängerschaft Saxo-Thuringia Würzburg.[1] Nach absolvierten Weiterbildungen trat er 1903 eine Stelle als Wissenschaftlicher Assistent bei Konrad Rieger an der Psychiatrischen Klinik der Julius-Maximilians-Universität Würzburg an, 1906 habilitierte er sich als Privatdozent für das Fach Psychiatrie, 1911 erfolgte seine Beförderung zum außerordentlichen Professor, 1924 zum ordentlichen Professor und Direktor der Psychiatrischen und Nervenklinik an der Universität Münster. 1925 wurde er in der Nachfolge Konrad Riegers, dessen Tochter er mittlerweile geheiratet hatte, zum Lehrstuhlinhaber und Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Würzburg bestellt. Martin Reichardt, der 1937 der NSDAP beitrat und Förderer des Psychiaters Werner Heyde war[2], wurde 1939 emeritiert, arbeitete aber noch bis in sein 90. Lebensjahr hinein.

Der im Jahr 1944 anlässlich seines 70. Geburtstages mit der Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft und 1964 anlässlich seines 90. Geburtstages mit der Goldenen Kraepelin-Medaille Ausgezeichnete erwarb sich insbesondere Verdienste um die Erforschung des Hirnstammes, dessen Bedeutung er als einer der ersten erkannte. Zudem stellte er wissenschaftlich die Vorgänge bei Hirnschwellung und krankhaften Hirndruckveränderungen dar und beschäftigte sich auch im Rahmen der von ihm in Deutschland mitetablierten Unfallbegutachtung mit den Folgen von Gehirnverletzungen.

Schriften

  • Ein Beitrag zur Argyriefrage, Dissertation, Universität Leipzig, Leipzig, 1900
  • Über die Untersuchung des gesunden und kranken Gehirnes mittels der Wage, Habilitationsschrift, Fischer, Jena, 1906
  • Allgemeine und spezielle Psychiatrie ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte, 2. neu bearbeitete Auflage des Leitfadens zur psychiatrischen Klinik, G. Fischer, Jena, 1918
  • Kriegsbeschädigung und strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit, Kabitzsch, Leipzig, Würzburg, 1919
  • Einführung in die Unfall- und Invaliditäts-Begutachtung : Ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte, 2. neu bearbeitete Auflage, G. Fischer, Jena, 1921
  • Unfallbeziehungen zu nichttraumatischen Hirn- und Geisteskrankheiten, F. C. W. Vogel, Berlin, 1933
  • Schädelinnenraum, Hirn und Körper; ein Beitrag zur Hirnpathologie und Konstitutionspathologie, Fischer, Stuttgart, 1965

Literatur

  • Werner Schuder (Hrsg.): Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender. Band 2, 10. Ausgabe, Berlin 1966, Seite 1947.
  • Walther Killy und Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Deutsche Biographische Enzyklopädie. Band 8, K.G. Saur Verlag GmbH & Co. KG, München, 1996 ISBN 3-598-23163-6. Seite 198.
  • Dietrich von Engelhardt (Hrsg.): Biographische Enzyklopädie deutschsprachiger Mediziner. Band 2: R – Z. Saur, München 2002, ISBN 3-598-11462-1. Seite 490.
  • Jobst Böning: Von Reichardt bis Beckmann: Würzburger Psychiatrie im 20. Jahrhundert. In: Tempora mutantur et nos? Festschrift für Walter M. Brod zum 95. Geburtstag. Mit Beiträgen von Freunden, Weggefährten und Zeitgenossen. Hrsg. von Andreas Mettenleiter, Akamedon, Pfaffenhofen 2007, S. 413–419; hier: S. 413.
  • Joachim Gerlach: Erinnerung an Martin Reichardt. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 3, 1985, S. 375–380.
  • Richard Kraemer: Würzburger Mediziner vor 50 Jahren. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 5, 1987, S. 165–172, hier: S. 169 f.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Paul Meißner (Hrsg.): Alt-Herren-Verzeichnis der Deutschen Sängerschaft. Leipzig 1934, S. 250.
  2. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2007, S. 484f.