Martin Haspelmath (Orgelbauer)

Martin Haspelmath (* 5. Januar 1935 in Walsrode; † 1. Mai 1996) war ein Orgelbaumeister, der in Walsrode seinen Sitz hatte. Er galt als Experte für die Restaurierung norddeutscher Orgeln des ausgehenden 18. und des 19. Jahrhunderts.

Leben

Martin Haspelmath wurde als fünftes von sechs Kindern des Zahnarztes Martin Haspelmath geboren, der auch kleine Orgelreparaturen ausführte. Er war der Onkel des Linguisten Martin Haspelmath. Nach einer Lehre als Tischler in Altenboitzen und einem anschließenden Gesellenjahr (1950–1954) arbeitete Haspelmath als Orgelbautischler bei Paul Ott in Göttingen (1954–1957). Dort schlossen sich von 1957 bis 1959 die Orgelbaulehre und bis 1968 Gesellenjahre an.[1] 1968 erfolgte die Meisterprüfung. Nach zehn Jahren Arbeit bei Ott machte Haspelmath sich 1969 selbstständig und errichtete in Walsrode eine eigene Werkstatt. 1968 heiratete er Karola Schweissgut.[2] Seine Tochter Katrin Haspelmath (* 21. Mai 1970) erlernte den Orgelbau in der Walsroder Werkstatt, übernahm nach dem Tod des Vaters zusammen mit der Mutter die Firma und war bis 2009 als freie Orgelbauerin bei Harm Dieder Kirschner angestellt.

Werk

Haspelmaths Entschluss in die Selbstständigkeit war insbesondere durch die Leichtfertigkeit veranlasst, mit der Orgelbauer und Sachverständige in den 1950er und 1960er Jahren mit der historischen Substanz der alten Orgelbaumeister umgingen.[2] Da eine grundlegende Orgelrenovierung nicht generell eine preisgünstigere Alternative zu einem entsprechenden Neubau war, gab oft der historische Wert eines Instruments den Ausschlag. Historischen Instrumenten aus der Barockzeit kam in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, also der Blütezeit der Orgelbewegung und auch noch später, deutlich mehr Wertschätzung zu, als Instrumenten des ausgehenden 18. und 19. Jahrhunderts, welche gelegentlich tatsächlich nicht dasselbe Qualitätsniveau wie barocke Instrumente aufwiesen. Ganz besonders bei der Restaurierung dieser Orgeln hat Haspelmath sich einen Ruf als Spezialist und Experte erworben und führte vor allem in Nordwestdeutschland beachtliche Restaurierungen durch. Der Schwerpunkt seines Tätigungsfelds lag auf Orgeln des 19. Jahrhunderts besonders im Elbe-Weser-Gebiet und in Südniedersachsen.[1]

Er restaurierte die Orgeln im jeweiligen Geist der Instrumente einfühlsam und individuell. So weit wie möglich sollte die erhaltene Substanz in ihrer ursprünglichen Gestalt und damit verbundenen historischen Aussagekraft bewahrt bleiben. Im Gegensatz zu vielen Gegnern der Orgelbewegung setzt er sich folglich in späteren Jahrzehnten für den Erhalt der Orgeln von Paul Ott ein oder baute und intonierte sie auf Wunsch um.[3] Haspelmath hat fünf Orgelneubauten (immer unter Verwendung älteren Materials) und über 100 Restaurierungen durchgeführt. Kennzeichnend für seine Arbeitsweise war, dass er die historischen Orgeln, die er restaurierte, nicht bei sich aufbaute, sondern mit seiner Werkstatt vor Ort zog, um das Untergehäuse und die Mechanik, sofern nicht ebenfalls von Grund auf zu sanieren, nicht abbauen zu müssen und somit schonen zu können.[4]

Charakteristisch für die von Haspelmath renovierten Orgeln ist es, dass sie stets kompromisslos ihren „historischen Charme“ zurückerhalten haben. Bei genau diesen Prämissen ist es oft auch unvermeidbar, dass sie in ihrer technischen Präzision oder in ihrem klanglichen Konzept dem Zustand etwas nachstehen, der mit einer „klassischen Renovierung“ erreicht worden wäre.

Werkliste (Auswahl)

Die Größe der Instrumente wird in der fünften Spalte durch die Anzahl der Manuale und die Anzahl der klingenden Register in der sechsten Spalte angezeigt. Ein großes „P“ steht für ein selbstständiges Pedal, ein kleines „p“ für ein angehängtes Pedal.

JahrOrtKircheBildManualeRegisterAnmerkungen
1970–1971WahmbeckChristophoruskirche
Christopheruskirche Wahmbeck Orgelempore (cropped).jpg
I/P9Restaurierung der Orgel von Johann Stephan Heeren (1787)
1971KirchtimkeEv.-luth. KircheII/P13Restaurierung der Orgel von Johann Hinrich Röver (1865)
1972–1973HillerseEv.-luth. KircheHillerse StPetri Organ.jpgI/P12Restaurierung der Orgel von Balthasar Conrad Euler (1848)
1972–1974WalsrodeStadtkircheOrgel in der Stadtkirche Walsrode.JPGII/P26Restaurierung der Orgel von Eduard Meyer (1849); Wiederherstellung der ursprünglichen Disposition, Rekonstruktion der Zungenstimmen[5]
1974GladebeckSt. NikolaiII/P17Restaurierung der Orgel von Gustav Carl Engelhardt (1862)
1974Nörten-HardenbergKapelle WaisenhausI/P9Restaurierung der Orgel von Balthasar Conrad Euler (1848) und Erweiterung um ein Register
1974AhausenAhauser KircheII/P11Restaurierung der Orgel von Johann Hinrich Röver (1864)
1975DasselSt.-Laurentius-KircheII/P25Restaurierung der Orgel von Philipp Furtwängler (1845)
1975–1976Venne (Ostercappeln)WalburgiskircheII/P15Restaurierung der Orgel der Gebr. Haupt (1847)
1976MarkoldendorfMartinskircheII/P23Restaurierung der Orgel von Philipp Furtwängler & Söhne (1869); Instandsetzung durch Katrin Haspelmath (1997–98), vollendet von Harm Dieder Kirschner
1976ObernjesaMarienkirche
Obernjesa Orgel.jpg
(c) Hendrik Dochhorn, CC BY 3.0
I/P11Restaurierung der Orgel von August von Werder (1844)
1976MoringenStadtkircheII/P23Restaurierung der Orgel von Carl Giesecke (1850), der einige Register von Christian Vater (1743) übernommen hatte; Gehäuse und etliche Register von Vater und Giesecke erhalten
1976–1978MariensteinEhemalige Klosterkirche
Marienstein Orgel.jpg
(c) Hendrik Dochhorn, CC BY 3.0
II/P18Restaurierung und Teilrekonstruktion der Orgel von Johann Heinrich und Johann Wilhelm Gloger (um 1732)
1978BrunkensenSt. MartinI/P5 (9)Neubau (Rekonstruktion) unter Verwendung des Prospekts von Christian Vater (1721)
1978GillersheimKirche GillersheimI/P13Neubau unter Verwendung des Gehäuses von August von Werder (1853) und Pfeifenmaterials von P. Furtwängler & Hammer (1912)
1978VahlbruchEv.-luth. KircheII/P16Restaurierung der Orgel von Balthasar Conrad Euler (1845); 3 Register rekonstruiert
1979MackensenEv.-luth. KircheI/P9Neubau unter Verwendung des Gehäuses und Prospekts von Georg Andreas Almes (1774)
1977–1980BarterodeSt. Pankratius
Barterode Orgel.jpg
I/P15Restaurierung der Orgel von Euler et Kuhlmann (1825)
1979–1980KirchwistedtSt.-Johannes-KircheII/P13Restaurierung der Orgel von Johann Hinrich Röver (1863)
1980HerrethSt. Jacobus MaiorI/P10Restaurierung der Orgel von Andreas Hofmann (1818)
1980OstgroßefehnAuferstehungskirche (Ostgroßefehn)
Orgel Ostgroßefehn.JPG
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II/P13Restaurierung der Orgel von P. Furtwängler & Hammer (1895)
1981Bühle (Northeim)St. Oswald
Bühle St. Oswald Orgel.jpg
(c) Hendrik Dochhorn, CC BY 3.0
I/P14Restaurierung der Orgel von Johann Wilhelm Schmerbach der Ältere (um 1785); drei Register rekonstruiert
1981LenglernSt. Martin
Lenglern Orgel.jpg
(c) Hendrik Dochhorn, CC BY-SA 3.0
I/P13Restaurierung der Orgel von Johann Stephan Heeren (1795)
1979–1982DunumDunumer Kirche4721910 Dunum Orgel.jpgI/P8 (9)Restaurierung der Orgel von Hinrich Just Müller (1759–65)
1982OldenrodeEv.-luth. KircheI5Neubau unter Verwendung des neugotischen Gehäuses und Pfeifenmaterials von Carl Giesecke (um 1850)
1982Forlitz-BlaukirchenLutherische Kirche4720992 Forlitz-Blaukirchen Orgel.jpgI/p6Restaurierung der Orgel der Gebr. Rohlfs (1869)
1984–1985NiedergandernGutskapelle Niedergandern
NG5 DSC0137.JPG
I/P12Restaurierung der Orgel von Johann Wilhelm Schmerbach der Mittlere (1811); Rekonstruktion von 4 Registern
1984IntschedeSt. MichaelisIntschede Kirche Orgel.jpgII/P16Restaurierung der Orgel von Eduard Meyer (1850)
1984–1985DransfeldSt. MartiniDransfeld Kirche Innen Orgel.jpgII/P21Restaurierung der Orgel von Balthasar Conrad Euler (1843–45); Rekonstruktion von 6 Registern
1985–1986HorstSt. PetriHorst Burweg Kirche Orgel.jpgII/P9Restaurierung der Orgel von Carl Johann Heinrich Röver (1892) und Erweiterung des Pedals um ein Register von Röver aus Oese
1986BrevördeSt. UrbanI/P13Renovierung der Orgel von Andreas Schweimb (um 1690)[6]
1986ZebelinKirche ZebelinI/P5Neubau unter Verwendung des Gehäuses und Pfeifenmaterials von P. Furtwängler & Hammer (1912)
1987Oberndorf (Oste)St.-GeorgskircheII/P25Instandsetzung der Orgel von Johann Hinrich Röver & Söhne (1879)
1987–1988WerdumSt.-Nicolai-Kirche7532639 Werdum Orgel.jpgII/P15Restaurierung der Orgel von Johann Diepenbrock (1897–98)
1988–1989RoggenstedeRoggensteder Kirche
Roggenstede Orgel.jpg
I/p8Restaurierung der Orgel von Johann Gottfried Rohlfs (1827–1833)
1988–1989WesterholtWesterholter Kirche4721763 Westerholt Orgel.jpgI/p8Restaurierung der Orgel von Arnold Rohlfs (1840–42)
1989HeiningenSt. Peter und PaulHeiningen St. Peter und Paul Orgel.jpgII/P30Restaurierung der Orgel von Heinrich Vieth (um 1870)
1989–1990Mulsum (Kutenholz)St. PetriII/P16Restaurierung der Orgel von Johann Hinrich Röver (1869–70)[7]
1990StöckheimSt. MartinII/P16Restaurierung der Orgel von Carl Giesecke (1859/1860)
1992LauenauSt.-Lukas-KircheII/P16Restaurierung der Orgel von P. Furtwängler & Hammer (1879)
1993DrochtersenSt. Johannis und CatharinaII/P23Restaurierung der Orgel von Carl Johann Heinrich Röver (1895) und Erweiterung um ein Register
1993WelsedeGutskapelleI8Restaurierung der Orgel von Johann Conrad Müller (1735)
1993HemelnEv.-luth. KircheII/P15Restaurierung der Orgel von Euler et Kuhlmann (vor 1820)
1993MöbisburgEv. KircheII/P19Restaurierung der Orgel von Johann Michael Hesse (1780)[8]
1994Hörden am HarzEv.-luth. KircheI/P9Restaurierung der Orgel eines unbekannten Orgelbauers (1787)
1995LangenholtensenSt. MartiniII/P16Restaurierung der Orgel von Carl Heyder (1864)/Gebr. Dutkowski (1934/1935)/Rudolf Janke (um 1966)

Literatur

  • Winfried Topp, Uwe Pape: Norddeutsche Orgelbauer und ihre Werke 2: Peter Tappe / Martin Haspelmath. Pape Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-921140-57-9.
  • Harald Vogel, Günter Lade, Nicola Borger-Keweloh: Orgeln in Niedersachsen. Hauschild, Bremen 1997, ISBN 3-931785-50-5.
  • Harald Vogel, Reinhard Ruge, Robert Noah, Martin Stromann: Orgellandschaft Ostfriesland. Soltau-Kurier-Norden, Norden 1995, ISBN 3-928327-19-4.
  • Karl Heinz Bielefeld: Orgeln und Orgelbauer in Göttingen. Pape Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-921140-75-8.

Einzelnachweise

  1. a b Bielefeld: Orgeln und Orgelbauer in Göttingen. 2007, S. 360.
  2. a b Topp/Pape: Norddeutsche Orgelbauer, S. 64.
  3. Topp/Pape: Norddeutsche Orgelbauer, S. 66.
  4. Topp/Pape: Norddeutsche Orgelbauer, S. 67.
  5. Orgel in Walsrode. Abgerufen am 24. März 2022.
  6. Vogel: Orgeln in Niedersachsen, S. 76.
  7. Orgel in Mulsum. Abgerufen am 24. März 2022.
  8. Erfurt / Möbisburg – St. Dionysius – Orgel Verzeichnis – Orgelarchiv Schmidt. Abgerufen am 29. April 2022 (deutsch).

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Orgel in Hillerse, Stadt Northeim, Südniedersachsen. Erbaut 1848 durch Balthasar Conrad Euler, restauriert 1972-73 durch Martin Haspelmath
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