Martin Frecht
Martin Frecht (* um 1494 in Ulm; † 8. September 1556 in Tübingen) war ein deutscher evangelischer Theologe, Hochschullehrer und Reformator.
Leben und Wirken
Herkunft und Studium
Martin Frecht entstammte einer angesehenen Handwerkerfamilie eines Schuhmachers und Ratsherrn. 1513 ließ er sich an der Universität Heidelberg immatrikulieren, wo er 1515 das Bakkalaureat und 1517 die Magisterwürde erlangte, später zum Lizentiaten der Theologie avancierte und auch Vorlesungen in der artistischen Fakultät über Philosophie in humanistischem Geist hielt.
Heidelberger Disputation
Im Frühjahr 1518 wohnte er Martin Luthers Heidelberger Disputation bei und begeisterte sich für die Ideen der Reformation. Zwischen 1523 und 1526 war er Dekan der Artistenfakultät. Frecht stand in so hohem Ansehen, dass er 1529 die Professur der Theologie bekam und 1530/31 Rektor in Heidelberg wurde. Mit seinen alten Studiengenossen Johannes Brenz, Martin Bucer, Johann Isenmann, Kaspar Löner, aber auch mit Johannes Oekolampad und Erhard Schnepf war er befreundet.
Reformator in Ulm
Der Rat der Stadt Ulm hatte ihn bereits 1529 gebeten, in seine Vaterstadt zurückzukommen. Diesem Wunsche folgend, kam er 1531 nach Ulm als Lektor der Schrift; Ulm trat in diesem Jahr dem protestantischen Glauben bei. Frecht gab 1532 als Erster die Res gestae Saxonicae (Sachsengeschichte) des Widukind von Corvey (um 925 bis nach 973) heraus.
Nach Konrad Sams Tode wurde Frecht der eigentliche Leiter der Ulmer Kirche, ohne jedoch die Entschiedenheit und Volkstümlichkeit zu besitzen, die dieses Amt erforderte. Durch Visitationen und Reformen aller Art suchte er das Kirchen- und Schulwesen zu bessern. Da er in Ulm den Kämpfen mit Sebastian Franck und Kaspar Schwenckfeld nicht ausweichen konnte, musste er sich 1540 auf dem Konvent in Schmalkalden in seiner theologischen Haltung Bucer und Luther stärker nähern.
Er beteiligte sich 1536 an der Wittenberger Konkordie und vermittelte in der Abendmahlslehre zwischen den Wittenberger Theologen und den oberdeutschen Reformatoren. 1539 nahm er an den Verhandlungen in Frankfurt teil. Er beteiligte sich 1540 an dem Religionsgespräch in Worms und 1541/1546 in Regensburg mit den Altgläubigen.
Am 14. August 1548 kam Kaiser Karl V. nach Ulm an die Donau. Am 15. August wurden in Anwesenheit des Kaisers die Altäre, die 1531 aus dem Ulmer Münster entfernt worden waren, erneut im großen Ulmer Gotteshaus aufgestellt und neu geweiht. Zugleich wurde ein feierliches Hochamt gelesen. Mit diesem Gottesdienst war das Münster offiziell dem katholischen Glauben zurückgegeben worden[1]. Da Frecht als Prädikant diesen Vorgängen und dem Augsburger Interim widersprochen hatte, wurde er zusammen mit allen evangelischen Predigern am 16. August 1548 verhaftet und in Kirchheim wochenlang gefangen gehalten.
Nach seiner Entlassung im März 1549 wurde er aus Ulm verbannt.
Verbannung
Seitdem lebte er still und zurückgezogen in Nürnberg bei seiner Schwester, später in Blaubeuren. Herzog Christoph von Württemberg beauftragte ihn 1551 mit dem Vorstand des evangelischen Stifts in Tübingen und berief ihn 1552 zum Professor der Theologie an der Universität Tübingen. Trotz der ehrenvollen Stellung als Rektor 1555 und des Umgangs mit Brenz und anderen blieb er hier einsam.
Martin Frecht wurde in der Stiftskirche zu St. Georg in Tübingen beigesetzt.
Quellen
- Conrad Dieterich: Zwo Ulmische Jubel und Danckpredigten bey dem auff Christliche Anordnu[n]g eines Ehrsamen Raths den 2. Novemb. 1617. Jahrs hochfeyrlich begangenem Evangelischen Jubelfest daselbsten im Münster gehalten: Die Erste den 2. Novemb. Von Den vornembsten Geschichten so sich inerhalb denen nechstverflossenen hundert Jahren bey Erweck- und vortpflanzung deß Evangelii in der Ulmischen Kirchen verlauffen; Die Ander den 6. Novemb. Von der Frag Ob die Evangelische Lutherische Lehr ein Newe nuhr hundertjärige Lehr seye?. Nunmehr ... in Truck geben Durch Cunrad Dieterich der H. Schrifft Doctorn un[d] dero Ulmischen Kirchen Superintendenten, Ulm: Johann Meder 1618 [mit tabellarischen Lebensläufen von Martin Luther, Martin Frecht, Ludwig Rabus und Johannes Vesembeck]
Werke
- [Beiträger in:] Johannes Stöffler, Calendarivm Romanvm Magnum, Cæsare[ae] maiestati dicatum, D. Ioanne Stœffler Iustingensi Mathematico authore, Oppenheim: Jakob Köbel 1518
- [Herausgeber; mit Adnotationes Martini Frechti], VVitichindi Saxonis Rerum ab Henrico et Ottone I Impp. Gestarum Libri III, unà cum alijs quibusdam raris & antehac non lectis diuersorum autorum historijs ab Anno salutis D. CCC. usq[ue] ad præsentem ætatem: quorum catalogus proxima patebit pagina. Huc accessit rerum scitu dignarum copiosus index, Basel: Johann Herwagen 1532 [Erstausgabe]
- [Mitarbeit an:][2] Martin Bucer: Ein warhaffter berichte vom Colloquio zu Regenspurg disjars angefangen, und dem abzug der Auditoren und Colloquenten, die von Fürsten und Stenden der Augspurgischen Confession dahin verordnet waren, Straßburg 1546
- Summarische verzeichnuß, dreyer Trostreichen vnd Herrlichen Lection oder Predigten ... Herren Martin Frechten, der H. Schrifft Licenciaten [et]c. löblicher ... gedächtniß, in welchen er seine Kirch in seinem Vatterland ... trösten hat wöllen ... als jhm sein Vatterland wider geöffnet ... Jetzund aber erst ... auß dem Latein in Teütsch gebracht, durch M. Wendel Schempp, angeblich Wittemberg [wohl Augsburg: Valentin Otmar] o. J. [1557]
Literatur
- Julius August Wagenmann: Frecht, Martin. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 7, Duncker & Humblot, Leipzig 1877, S. 325–327.
- Robert Stupperich: Frecht, Martin. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 5, Duncker & Humblot, Berlin 1961, ISBN 3-428-00186-9, S. 384 f. (Digitalisat).
- Frechtus, Martinus. In: Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste. Band 9, Leipzig 1735, Sp. 1789 f.
- Friedrich Wilhelm Bautz: Frecht, Martin. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 2, Bautz, Hamm 1990, ISBN 3-88309-032-8, Sp. 115–16 .
- Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche Band 6 Seite 242
- Karl Theodor Keim: Die Reformation der Reichsstadt Ulm. Ein Beitrag zur schwäbischen und deutschen Reformationsgeschichte. Stuttgart 1851.
- Gustav Bossert / Meyer: Briefe Martin Frechts, des Ulmer Reformators, an seine Gattin aus den Jahren 1548 und 1549. In: WVLG 4 (1881), 252ff.; 5 (1882), 251–265.
- Gustav Bossert: Das Interim in Württemberg (SVRG 46/47), Halle: Niemeyer 1895.
- Walter Friedensburg: Ein Brief Martin Frechts an Matthäus Nägelin von Straßburg vom 22. Juni 1556. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 86 (1934), S. 387–392
- Alfred Hegler: Beiträge zur Geschichte der Mystik in der Reformationszeit, Tübingen 1906, S. 97–101 [zwei Briefe Frechts an Sebastian Franck]
- Martin Leube: Geschichte des Tübinger Stifts, Bd. I 16. und 17. Jahrhundert, Tübingen: Steinkopf 1921, S. 14f.
- Ernst Staehelin: Briefe und. Akten zum Leben Oekolampads, Leipzig 1927/34.
- Walter Köhler: Zwingli und Luther, Leipzig / Gütersloh 1924. 1953.
- Briefe in: BWKG 1931, 130–149. 179. 186.
- Werner-Ulrich Deetjen: Licentiat Martin Frecht, Professor und Prädikant (1494-1556). In: Die Einführung der Reformation in Ulm, Ulm 1981, S. 269ff.
- Heinz Scheible: Melanchthons Briefwechsel Personen 12, Stuttgart-Bad Cannstatt 2005, ISBN 3-7728-2258-4
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Martin Nestler, Von der Einführung der Reformation bis zum Ende der Reichsstadt, in: Ulm. Geschichte einer Stadt, Sutton-Verlag Erfurt 2003, ISBN 3-89702-544-2, S. 86
- ↑ Vgl. Friedrich Roth: Der offizielle Bericht der von den Evangelischen zum Regensburger Gespräch Verordneten an ihre Fürsten und Obern. 27. Januar bis 10. März 1546. In: Archiv für Reformationsgeschichte 5 (1907/8), S. 1–30 und 375–397; S. 4f.
Personendaten | |
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NAME | Frecht, Martin |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher evangelischer Theologe und Reformator |
GEBURTSDATUM | um 1494 |
GEBURTSORT | Ulm |
STERBEDATUM | 8. September 1556 |
STERBEORT | Tübingen |
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Grablege im Chor der Stiftskirche zu St. Georg in Tübingen.
Die Leichname ruhen unterhalb der steinernen Sarkophage in einem gemauerten Grab.
Vordere Reihe (von links nach rechts):
- Johann Georg (1594–1613), Sohn von Herzog Johann von Schleswig-Holstein-Sonderburg und Student am Collegium illustre
- Eberhard (erster Sohn Herzog Christophs)
- Anna Maria (Frau Herzog Christophs)
- Herzog Christoph
Mittlere Reihe (dto.):
- Rudolf von Braunschweig
- Anna (Tochter Ulrichs))
- Mechthild von der Pfalz (Mutter Eberhards)
- Graf Ludwig (Vater Eberhards)
- Eva Christina von Mömpelgart (Nichte Herzog Ulrichs; Grabmal von Christoph Jelin)
Hintere Reihe (dto.):
- Sabina von Bayern (Frau Herzog Ulrichs)
- Herzog Ulrich
- Graf/Herzog Eberhard im Bart (zunächst im Stift St. Peter bestattet, um 1535 überführt)
Hinter dem Betrachter, daher nicht im Bild (dto.):
- Ursula (Frau Herzog Ludwigs)
- Herzog Ludwig (zweiter Sohn Christophs; Grabmal von Christoph Jelin)
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Evangelisches Stift zu Tübingen vom Neckar aus gesehen.