Marschall von Westfalen

Abbildung aus dem Soester Nequambuch im Gerichtsmuseum Bad Fredeburg

Der Marschall von Westfalen war der Stellvertreter des Erzbischofs von Köln in dessen Funktion als Herzog von Westfalen. In dieser Eigenschaft lässt er sich für die Zeit vom 13. bis zum 15. Jahrhundert nachweisen.

Entstehung und Bedeutung

Im Jahr 1180 wurde dem Erzbischof von Köln Philipp I. von Heinsberg von Kaiser Friedrich I. das Herzogtum Westfalen mit allen Rechten und Pflichten übertragen, wie sie vorher die Welfen besessen hatten. Um die erzbischöfliche Herrschaft zu sichern und seine Interessen während seiner häufigen Abwesenheit wahrzunehmen, bildete sich im Laufe der Zeit das Amt des Marschalls von Westfalen heraus. Die genaue Entstehungszeit ist umstritten. Die erste sichere urkundliche Überlieferung lässt sich in das Jahr 1217 datieren.

Der Erzbischof von Köln konnte den Marschall ein- und absetzen und von ihm uneingeschränkte Gefolgschaft verlangen. Solange der Stuhl des Erzbischofs nicht besetzt war, schuldete der Marschall dem Kölner Domkapitel Gehorsam. War das Marschallamt jedoch vom Erzbischof verpfändet, so konnte der Marschall erst dann aus seinem Amt entfernt werden, wenn die Pfandschaft abgelöst worden war. Bis dahin konnte das Marschallamt vom Pfandinhaber vererbt werden.

Eine Verpfändung fand etwa um 1370 statt, als das Amt an den Bischof von Paderborn verpfändet wurde. Erst als die Stadt Soest dem Kölner Erzbischof 2000 Gulden lieh, gelangte das Marschallamt 1376 wieder unter kölnische Kontrolle. Um 1455 wurde das Amt infolge der Kosten der Soester Fehde an Johann von Nassau verpfändet.[1]

Aufgaben

In den Quellen wird der Marschall von Westfalen als „marscalcus Westfalie“ bezeichnet.[2] In seiner Funktion als militärischer Oberbefehlshaber hatte er bei Gefahr für die Landessicherheit die Burgmannen und sonstigen Lehnsmannen, außerdem die Amtmannen und die Gografen mit ihren Gemeinden aufzubieten. Dabei musste er sich an bestehende Bündnisse halten und hatte schutzbedürftigen Reisenden Geleit zu gewähren. Im Einzelfall war er dazu verpflichtet, den Erzbischof bei seinen Kämpfen in den Rheinlanden mit Bewaffneten zu unterstützen. Er durfte aber von sich aus keine Fehden beginnen. Falls aber der Erzbischof in Westfalen in Fehden verwickelt wurde, musste sie der Marschall in dessen Namen und auf Kosten seines Herren führen.

Mit Entstehung der Amtsverfassung im frühen 14. Jahrhundert hatte der Marschall die Amtmannen ein- und abzusetzen, sofern sie ihre Ämter nicht pfandweise erworben hatten. Aber auch in diesen Fällen konnte er von ihnen Huldigung und militärischen Gehorsam verlangen.

Verschiebung der Aufgabenschwerpunkte

Der Erzbischof von Köln hatte als Herzog von Westfalen nach der Übertragungsurkunde von 1180 das Recht, nach seinem Willen Burgen und andere Befestigungen zwischen Rhein und Weser anzulegen. So ist es kein Zufall, dass uns im 13. Jahrhundert der Marschall als Verantwortlicher bei der Gründung einer Reihe von Städten mit Festungscharakter begegnet. Das führte oft genug zu Konflikten mit anderen Herren in Westfalen, die in ihren Gebieten das Befestigungsrecht für sich ebenfalls in Anspruch nahmen.

Im 14. Jahrhundert wuchs der Einfluss des Marschalls mit der Übernahme der Führung zahlreicher Landfriedens­bündnisse in Westfalen. Damit konnte er zeitweise seine Macht über fast ganz Westfalen ausdehnen.

Im 15. Jahrhundert ging die Bedeutung des Marschallamtes als überterritoriale Institution immer mehr zurück. Die Landfriedensbündnisse verloren ihre hervorragende Bedeutung als übergreifende friedenssichernde Instrumente. Die Macht des Marschalls beschränkte sich nun vorwiegend auf das Territorium des Erzbischofs von Köln in Westfalen. Auch die zunehmende Verpfändung der westfälischen Ämter trug zu seiner Schwächung bei.

Das Marschallamt selbst wurde ebenfalls immer öfter verpfändet. Seine abnehmende Bedeutung kann man an der stets geringer werdenden Pfandsumme ablesen. Mit der Politik intensiver Verpfändungen ist der Name des Kölner Erzbischofs Dietrich von Moers (1414–1463) eng verknüpft. Von ihm wird überliefert, er habe, um seine weit nach allen Seiten zielende Großmachtpolitik zu finanzieren, nach und nach alle erzbischöflichen Einkünfte und Besitzungen mit Ausnahme des Poppelsdorfer Schlosses verpfändet.

Amtsbereich

Vermutlich hatte der Marschall seinen Sitz in Rüthen. Anfangs war sein Amtsbereich nicht eindeutig territorial begrenzt. Ganz allgemein war er als Stellvertreter des Herzogs von Westfalen für die Sicherheit in den Gebieten zwischen Rhein und Weser verantwortlich. Mit zunehmender Territorialisierung beschränkte sich sein Machtbereich auf das Territorium des Erzbischofs in Westfalen. Dieses war anfangs noch sehr zerstückelt. Zur Abrundung seines Territoriums trug vor allem der Erwerb der Grafschaft Arnsberg im Jahr 1368 bei. Zeitweise war der letzte Graf Gottfried IV. Marschall von Westfalen.[3] Später war der Marschall von Westfalen häufig in Personalunion oberster Amtmann der Grafschaft Arnsberg, bis diese beiden Ämter dann um 1450 miteinander verschmolzen. Hinzu kamen nach der Soester Fehde 1449 die späteren Ämter Fredeburg und Bilstein. Hierzu gehörte aber nicht mehr das Vest Recklinghausen, das keine Landverbindung mit dem kurkölnischen Westfalen besaß.

Unter dem Begriff Marschallamt wurde nun neben dem Verwaltungsgebiet auch eine Behörde verstanden, deren Vorsitz der Marschall innehatte. Etwa seit 1370 lassen sich Rentmeister beziehungsweise Kellner nachweisen. Diese waren anfangs in der früheren Grafschaft Arnsberg und später dann im ganzen Herzogtum Westfalen für die Einnahmen des Erzbischofs verantwortlich. Vermutlich ging aus dieser Tätigkeit das Kämmereramt hervor.

Im Laufe der Zeit nahmen die westfälischen Stände immer mehr Einfluss auf die Herrschaft im Lande. So erreichten sie im Jahr 1463 von Erzbischof Ruprecht von der Pfalz die Zusage, dass dem Marschall ein beständiger Rat mit Vertretern aus ihren Reihen beizugeben sei. Sichtbares Zeichen für den weitgehenden Bedeutungsverlust ist die Tatsache, dass 1482 an die Stelle des Marschalls der Landdrost trat, der nun zusammen mit den genannten Räten bis zum Ende der kurkölnischen Herrschaft die Regierung des Herzogtums Westfalen bildete.

Kölnische Marschälle von Westfalen

Anmerkungen

  1. Karl Feaux de Lacroix: Geschichte Arnsbergs. Arnsberg 1895 [unver. Nachdruck, Werl 1983], S. 122, S. 163
  2. Westfälisches Urkundenbuch, Band 7, Nr. 183.
  3. Karl Feaux de Lacroix, S. 122
  4. Wolf, Grafschaft Nummer 10
  5. Westfälisches Urkundenbuch, Band 7, n. 662
  6. Landes- und Rechtsgeschichte des Herzogthums Westfalen, von Joh. Suibert Seibertz (Geschichte der Dynasten), Arnsberg 1855, Seite 203, erster Band, zweite Abteilung.
  7. Kohl, Wilhelm: Das Bistum Münster - Die Diözese in Germania Sacra, N.F. 37,1, S. 142, Berlin 1999
  8. Urkunden des Klosters Oelinghausen, Regesten, Urk. 176, vom 11. Januar 1303
  9. Regesten EB Köln VI. Nr. 840-842, 1213
  10. Steinen, Westf. Geschichte, Band 1, S. 320
  11. Noch in zwei Urkunden aus Herdringen (23 339 A und B) vom 12.8. 1465 wird Johann von Hatzfeld als Marschall von Westfalen bezeichnet

Literatur

  • Max Wilberg: Regententabellen. Frankfurt/Oder 1906, Tabelle 533, S. 323.
  • Andre Schnepper: Das westfälische Marschallamt. Ein Beitrag zur Territorialisierung des Kölnischen Westfalen. In: Südwestfalenarchiv 13/2013 S. 43–68
  • Johann Suibert Seibertz: Die Landmarschalle Westfalens. In: Allgemeines Archiv für die Geschichtskunde des preußischen Staates. 1835, S. 61ff. Digitalisat
  • Joseph Korte: Das westfälische Marschallamt. In: Münstersche Beiträge zur Geschichtsforschung, Neue Folge Band 21, Münster 1909.
  • Manfred Wolf: Das Archiv des ehemaligen Klosters Grafschaft. Urkunden und Akten. Landeskundliche Schriftenreihe für das kölnische Sauerland. Veröffentlichungen der Kreise Arnsberg, Brilon, Meschede und Olpe. Bd. 4. Hrsg. vom Kreis Meschede. Arnsberg 1972.
  • Carl Haase: Die Entstehung der westfälischen Städte. 4. Auflage. Münster 1984, ISBN 3-402-05867-7.
  • Wilhelm Hücker: Die Entstehung der Amtsverfassung im Herzogtum Westfalen. In: Westfälische Zeitschrift 68 (II) (1910), Seite 1–128.
  • Wilhelm Janssen: Die Erzbischöfe von Köln und ihr „Land“ Westfalen im Spätmittelalter. In: Westfalen 58 (1980), Seite 82–95.
  • A.M.J.H. Stokvis: Manuel d'historie de généalogie et de chronologie de tous les états du globe.... Leiden (NL) 1888–1893. Siehe auch: Max Wilberg's Regententabellen.

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