Marktkirche St. Cosmas und Damian (Goslar)
Die Marktkirche St. Cosmas und Damian ist ein evangelisch-lutherisches Kirchengebäude im Zentrum der Altstadt von Goslar. Sie ist die Rats- und Hauptpfarrkirche der Stadt und ist benannt nach den Heiligen Cosmas und Damian.
Geschichte
Die Marktkirche („ecclesia forensis“) wird erstmals im Jahre 1151 urkundlich erwähnt. Die Ursprünge des heutigen Kirchenbaus reichen zurück in das 11. Jahrhundert, wo bereits ein Vorgängerbau bestanden haben muss. Dieser war dem Hl. Nikolaus von Myra geweiht; es handelte sich dabei wohl um eine romanische, dreischiffige Pfeilerbasilika mit Querschiff und Vierung.
Von dieser romanischen Kirche stammt wahrscheinlich der heutige Westriegel der Marktkirche, der mit seinen beiden Türmen gewissermaßen wie eine Burg aufragt. Die beiden Türme sind nahezu gleich hoch (Nordturm: 66 m, Südturm 65,4 m). Der Nordturm in seiner heutigen Gestalt wurde 1593 nach einem Brand (1589) als eine „offene Laterne“ mit einer welschen Haube errichtet. Darin befindet sich eine Türmerstube.[1] In der Nacht vom 14. zum 15. Juli 1844 fielen das Kirchendach und beide Türme einem Großbrand zum Opfer, ebenso die Glocken. Nach erfolgtem Wiederaufbau konnte die Kirche 1849 erneut eingeweiht werden.
Im Mittelteil des Westriegels befindet sich die Glockenstube. Dort hängen drei Glocken aus dem Jahre 1848. Die größte mit dem Namen Johanna wiegt 6,8 Tonnen, hat einen Durchmesser von 2,21 m und ist eine der größten Glocken Niedersachsens. Die zweite Glocke hat den Namen Christina, die dritte den Namen Paulina. In der offenen Laterne des Nordturms hingen bis 2016 je eine eiserne Stunden- und eine Viertelstundenglocke.[2] Inzwischen wurden sie durch eine historische Bronzeglocke (Stunde) und einen Bronzeneuguß (Viertelstunde) ersetzt.
In einem 1535 fertiggestellten zweigeschossigen Anbau an der Nordseite des Chores befindet sich ebenerdig die Sakristei und in der ersten Etage ein Raum, in dem bis 1841 bzw. 1844 und dann wieder von 1905 bis 1969 die Bücher der Marktkirchenbibliothek aufbewahrt wurden.[3]
Ausstattung
Die Kirche beherbergt einen bedeutenden spätromanischen Fensterzyklus mit Szenen aus dem Leben der Hl. Cosmas und Damian. Es handelt sich um ein Meisterwerk der deutschen Glasmalerei und ist der älteste erhaltene Zyklus mit Darstellungen aus dem Leben der beiden Heiligen überhaupt. Die Fenster entstanden um das Jahr 1250. Ursprünglich dürften sie sich in einem der beiden seitlichen Mittelfenster des ursprünglichen romanischen Chors befunden haben, der 1300 abgetragen wurde. Heute hängen die Fenster am Ort der ehemaligen romanischen Nordapsis. Sie zeigen maßgeblich das Martyrium der beiden Heiligen.[4]
Den Barockaltar schuf der Osteroder Bildschnitzer Andreas Gröber 1659.[5]
Im Altarraum befinden sich Glasfenster des Künstlers Johannes Schreiter, entstanden 1992–2003.[6]
Das Uhrwerk der Turmuhr stammt von der Turmuhrenfabrik und Glockengießerei des Uhrmachers Johann Friedrich Weule von 1848.
Chorraum mit Hauptaltar
- (c) Hajotthu, CC-BY-SA-3.0
Innenraum mit Renaissance-Kanzel (1581, Hans Seek) und Orgel
Taufbecken (1573, Margnus Karsten)
Martin-Luther-Fenster
Epitaph
Fenster mit Szenen aus dem Leben der Heiligen Cosmas und Damian
Weule-Uhrwerk der Turmuhr von 1848 (im Aufgang zum Nordturm)
Glockenstuhl im Querriegel
Orgel
Die Orgel der Marktkirche wurde 1970 von dem Orgelbauer Karl Schuke errichtet. 2012 wurde sie durch Freiburger Orgelbau Hartwig und Tilmann Späth umgebaut, renoviert und erweitert. Das Instrument erhielt ein neues Gehäuse, das im Mittelteil niedriger ist und den Blick auf die große Fensterrosette dahinter frei gibt. Die technische Anlage wurde erneuert, die einzelnen Werke neu angeordnet. Hinter der Orgel wurde ein Schwellwerk als Auxiliarwerk (Turmwerk) mit 14 Registern eingebaut. Die Disposition der vorhandenen Manualwerke (Hauptwerk, Oberwerk) und des Pedals wurde um insgesamt 7 Register erweitert. Die Orgel hat heute 58 Register, verteilt auf drei Manuale, ein Auxiliar-Schwellwerk und das Pedal.[7][8]
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- Koppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P, Aux/I, Aux/II, Aux/III, Aux/P
- Anmerkung
- (S) = nachträglich hinzugefügtes Register (Späth, 2012)
Bibliothek der Marktkirche
Die Anfänge der Marktkirchenbibliothek lassen sich nicht genau datieren, liegen aber vor 1530.[9] Die Bibliothek besitzt heute etwa 4.000 Werke mit einem Schwerpunkt auf theologischer Literatur sowie ein 1.200 Exemplare umfassendes Gesangbucharchiv.[10] Bemerkenswert ist die Büchersammlung einerseits durch ihren reichhaltigen Bestand an Reformationsschriften, die als Schenkung des Halberstädter Klerikers Andreas Gronewalt um 1535 nach Goslar kamen[11], und andererseits durch ihren 115 Bände umfassenden Inkunabelbestand[12].
Eine 1559 vorgenommene Verzeichnung der Bestände der Marktkirchenbibliothek erfasste 282 Bände. Ein Großteil, geschätzt 216, stammten aus dem Besitz Gronewalts. 31 Bände htten eine Goslarer Provenienz und kamen aus aufgelösten Klöstern oder waren Geschenke Goslarer Bürger. Da viele schmale Einzelwerke in Sammelbänden zusammen gebunden waren, war ein Mehrfaches an Titeln vorhanden. Im Laufe der Jahrhunderte sind Bände abhandengekommen. Heute ist der Verbleib von 52 Bänden, die 1559 vorhanden waren, unbekannt.[13] Gleichzeitig wurden aber im Laufe der Jahrhunderte auch immer wieder Bücher erworben oder geschenkt, so 1936 die rund 1000 Bände umfassende Sammlung Both.[14]
Das 1896 durch den Goslarer Gymnasialprofessor Uvo Hölscher veröffentlichte Verzeichnis der lateinischen Werke der Bibliothek liegt gedruckt vor[15], ebenfalls der erste vollständige Katalog der Bibliothek von 1911. Er enthält 1479 Titel sowie Teile der Gesangbuchsammlung.[16] Im Zuge der Beschreibung der historischen Buchbestände in deutschen Bibliotheken wurde auch die Marktkirchenbibliothek beschrieben.[17]
Aufbewahrt wurde die Bibliothek bis 1841 oder 1844 und dann wieder von 1905 bis 1969 in einem 1535 fertiggestellten zweigeschossigen Anbau an der Nordseite des Chores der Marktkirche, in dem sich ebenerdig die Sakristei und in der ersten Etage ein geschützter, trockener Raum für die Bücher der Marktkirchenbibliothek befindet. Ab 1969 standen die Bände unter konservatorisch ungünstigen Bedingungen im Gemeindehof 8.[18] Seit Dezember 2021 befindet sich der historisch wertvollste Teil in einem Schauraum im Goslarer Kulturmarktplatz.[19]
Literatur
- Rainer Kahsnitz u. a.: Romanische Glasfenster aus der Marktkirche in Goslar. Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, 22. März bis 4. Mai 1975. Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg 1975. (=Farbige Fenster aus deutschen Kirchen des Mittelalters. Band 2.)
- Hermann Staub: Marktkirchenbibliothek. In: Bernhard Fabian (Hrsg.): Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Österreich und Europa
- Marion Grether: Die Cosmas und Damian-Fenster der Marktkirche in Goslar aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Technik, Stil und Ikonographie. Magisterarbeit, Universität Greifswald 2001.
- Heinz Fischer: Marktkirche Sankt Cosmas und Damian Goslar. 2., verbesserte Auflage. Schnell & Steiner, München 1995. (=Kleine Kunstführer. 1945.)
- Helmut Liersch, Ulrich Bubenheimer (Hrsg.): Marktkirchen-Bibliothek Goslar. Beiträge zur Erforschung der reformationszeitlichen Sammlung. Schnell & Steiner, Regensburg 2017. ISBN 978-3-7954-3032-0.
- Helmut Liersch, Ralph Beims, Joachim Salzwedel u. a.: Marktkirche Goslar. St. Cosmas und Damian. Kirchenführer. Hrsg. von der Ev.-luth. Kirchengemeinde Zum Markte St. Cosmas und Damian. Goslar 2004.
Einzelnachweise
- ↑ Zur Geschichte der Marktkirche auf der Website der Gemeinde
- ↑ Zum Westriegel auf der Website der Gemeinde
- ↑ Helmut Liersch: Zur Geschichte der Marktkirchen-Bibliothek Goslar. In: Helmut Liersch (Hrsg.): Marktkirchenbibliothek Goslar. Beiträge zur Erforschung der reformationszeitlichen Sammlung. Schnell & Steiner, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7954-3032-0, S. 17–55.
- ↑ Nähere Informationen zum romanischen Fensterzyklus auf der Website der Gemeinde
- ↑ Zum Altar
- ↑ Ev.-luth. Marktkirche St. Cosmas und Damian Goslar (PDF auf der Website der Gemeinde)
- ↑ Umfassende Informationen zur (neuen) Orgel auf der Website der Gemeinde
- ↑ Freiburger Orgelbau: Renovierung des Orgelwerks der Marktkirche Goslar (2012)
- ↑ Helmut Liersch: Zur Geschichte der Marktkirchen-Bibliothek Goslar. In: Helmut Liersch (Hrsg.): Marktkirchenbibliothek Goslar. Beiträge zur Erforschung der reformationszeitlichen Sammlung. Schnell & Steiner, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7954-3032-0, S. 34
- ↑ Maria Kapp: Die Inkunabeln der Marktkirchenbibliothek. In: Otmar Hesse (Hrsg.): Beiträge zur Goslarer Kirchengeschichte. Die Vorträge der Amsdorfabende. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2001, ISBN 3-89534-409-5, S. 9
- ↑ Helmut Liersch, Ulrich Bubenheimer (Hrsg.): Marktkirchen-Bibliothek Goslar. Beiträge zur Erforschung der reformationszeitlichen Sammlung. Schnell & Steiner, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7954-3032-0.
- ↑ Maria Kapp: Die Inkunabeln der Marktkirchenbibliothek. In: Otmar Hesse (Hrsg.): Beiträge zur Goslarer Kirchengeschichte. Die Vorträge der Amsdorfabende. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2001, ISBN 3-89534-409-5, S. 9–34.
- ↑ Ulrich Bubenheimer, Helmut Liersch: Das älteste Bücherverzeichnis (Inventarium) der Marktkirchen-Bibliothek Goslar aus dem Jahr 1559. In: Helmut Liersch (Hrsg.): Marktkirchenbibliothek Goslar. Beiträge zur Erforschung der reformationszeitlichen Sammlung. Schnell & Steiner, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7954-3032-0, S. 56–131.
- ↑ Maria Kapp: Die Inkunabeln der Marktkirchenbibliothek. In: Otmar Hesse (Hrsg.): Beiträge zur Goslarer Kirchengeschichte. Die Vorträge der Amsdorfabende. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2001, ISBN 3-89534-409-5, S. 9
- ↑ Uvo Hölscher (Hrsg.): Verzeichnis der in der Marktkirche zu Goslar (S. S. Cosmae et Damiani) aufbewahrten alten Druckwerke. Jäger, Goslar 1896.
- ↑ Karl Bormann, Theda Tappen (Hrsg.): Katalog der Marktkirchen-Bibliothek zu Goslar. Geibel, Hannover 1911.
- ↑ Hermann Staub: Marktkirchenbibliothek. In: Bernhard Fabian (Hrsg.): Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Österreich und Europa
- ↑ Helmut Liersch: Zur Geschichte der Marktkirchen-Bibliothek Goslar. In: Helmut Liersch (Hrsg.): Marktkirchenbibliothek Goslar. Beiträge zur Erforschung der reformationszeitlichen Sammlung. Schnell & Steiner, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7954-3032-0, S. 17–55.
- ↑ https://www.goslar.de/kultur-freizeit/kulturmarktplatz
Weblinks
- Website der Marktkirchengemeinde
- Marktkirchenbibliothek (Goslar), Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland
Koordinaten: 51° 54′ 20,3″ N, 10° 25′ 40,5″ O
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Goslar Marktkerk Cosmas en Damianus barok Hoofdaltaar (1659)
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Goslar Marktkerk Cosmas en Damianus Epitaaf
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Glockenstuhl Marktkirche
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Taufbecken (1573) in der Marktkirche St. Cosmas und Damian in Goslar
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Goslar - Marktkirche St. Cosmas und Damian - Fenster von 1250 mit Szenen aus dem Leben der beiden Heiligen Cosmos und Damian (in der ehemaligen romanischen Nordapsis)
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Orgel in der Marktkirche St. Cosmas und Damian (Goslar)
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Goslar - Marktkirche St. Cosmas und Damian - Blick auf das Weule-Uhrwerk von 1848 der Turmuhr (Aufgang zum Nordturm)
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Marktkirche in Goslar, Niedersachsen, Deutschland
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Goslar Marktkerk Cosmas en Damianus Gebrandschilderd Maarten Luther
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Interieur der Marktkirche in Goslar, Niedersachsen, Deutschland
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Innenraum mit Kanzel und Orgel in der Marktkirche St. Cosmas und Damian (Goslar)