Marienkinder

Die „Kreuzträger der Jungfrau Maria“, wie sie sich nennen, lehnen die Neuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils ab. Der eigentliche Kopf dieser Gruppe war Josef Zanker (vorne auf dem Bild kniend), der sich mit „Bruder Josef“ anreden ließ (Pressefoto vom 7. Juni 1985).

Die Marienkinder, auch Kreuzträger der Jungfrau Maria sind eine sogenannte neue religiöse Bewegung, die ihr Verbreitungsgebiet vor allem im Landkreis Unterallgäu hat und sich als „römisch-katholisch“ bezeichnet.

Geschichte

Gegründet wurden sie 1983 in Mindelheim von Josef Zanker („Bruder Josef“; 1939–2001), einem ehemaligen Maurerpolier, und dem Priester Johannes Maria Bauer (1919–1999), ehemaliger römisch-katholischer Pfarrer aus Aresing, der später seines Amtes enthoben wurde. Sie betrieben u. a. einen Verlag (Herausgabe der „Marienkinder-Bilderzeitung“ u. a.), ein Reiseunternehmen und ein Transportunternehmen, in denen sie für Niedriglöhne arbeiten ließen. Die schon im 19. Jahrhundert verwendete Bezeichnung „Marienkinder“ leitet sich aus einer Schrift des französischen Volksmissionars und Ordensgründers Louis-Marie Grignion de Montfort ab.

Die Mitglieder vertreten einen apokalyptischen Dualismus, in dem gute und böse Engel wirken und die Welt als ein Ort des Kampfes zwischen Satan und Gott verstanden wird. Damit wird eine negative Anthropologie, die menschliche Schuld und damit verbunden die Notwendigkeit von Opfer und Sühne stark betont. Die Marienkinder lehnen das Zweite Vatikanische Konzil ab. Sie sind Gegner der Hand- und Stehkommunion, die sie als „ein satanisches Werk“ betrachten, ebenso verwerfen sie das Gesangbuch „Gotteslob“. Ebenso werden Menschenrechte als „satanisch“ und die Demokratie als „Prinzip des Teufels“ bezeichnet.[1] In ihren Schriften wurden apokalyptische Berechnungen konkretisiert und der Dritte Weltkrieg für das Jahr 1999 vorausgesagt. Später wurde das Datum auf einen Bereich zwischen den Jahren 2000 und 2006 korrigiert.

Der ehemalige Bischof der Diözese Augsburg, Josef Stimpfle, exkommunizierte Zanker und Bauer 1985 „wegen Schismas“. Josef Zanker wurde vom Bistum als „gefährlicher Psychopath“ eingestuft.

Die Mitglieder lebten zunächst gemeinsam in der Stadtmühle von Mindelheim. Mitte der 1980er Jahre kamen die Zustände bei den Marienkindern erstmals ans Licht: Von Zanker ausgesuchte Personen nahmen entsprechend der Lehre alle Sünden auf sich. Er forderte totalen Gehorsam, setzte laut den gerichtlichen Ermittlungen dazu auch körperliche Gewalt, Psychoterror und sexuellen Missbrauch ein. Vor Gericht sagte er aus, Kinder und Jugendliche „vermöbelt“ zu haben, weil „sie es brauchten“. 1987 wurde Zanker wegen Körperverletzung und Nötigung in 21 Fällen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, woraufhin sich die Marienkinder aus der Öffentlichkeit zurückzogen.

1993 eskalierten Zankers Gewalttätigkeiten, er brachte den Mitbegründer, Pfarrer Bauer, beinahe um. Darauf spalteten sich die Marienkinder im Juli 1994. Zanker ging nach Bad Wörishofen, wo sich heute die Unternehmen der Marienkinder befinden. Im August 1994 wurde Pfarrer Bauer mit der römisch-katholischen Kirche versöhnt; die Exkommunikation wurde – unter der Bedingung, dass er nicht mehr im großen öffentlichen Rahmen die hl. Messe feiern dürfe und den Kontakt zu den Marienkindern abbrechen müsse – aufgehoben. Bauer engagierte sich später für das Engelwerk und verstarb 1999.[2]

Als geistlicher Leiter trat der frühere Pfarrer von Aresing, Johannes Bauer auf (Pressefoto vom 7. Juni 1985).

Gegen Zanker, der sich zwischenzeitlich aus der Gruppenführung zurückgezogen hatte, wurde aufgrund der Vorfälle 1996 erneut Anklage wegen gefährlicher und lebensbedrohlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung in sieben Fällen erhoben, im Oktober 1996 verurteilte ihn das Amtsgericht Memmingen zu drei Jahren Haft. Anfang 2001 verstarb Zanker.

Heute ist der Mittelpunkt der Gruppierung im Raum Bad Wörishofen. Sie hält weiterhin an ihren Überzeugungen fest, ist aber als gemeinnütziges Werk anerkannt und führt ihre religiösen Aktivitäten weiter. Seit Anfang 2008 werden die Marienkinder im Auftrag des damaligen Augsburger Diözesanbischofs Walter Mixa durch Priester der Priesterbruderschaft St. Petrus betreut.[3][4] Im September 2008 hat Mixa 30 Anhänger der Marienkinder gefirmt und somit in die katholische Kirche „zurückgeholt“.[1]

Literatur

  • Erklärungen der Kreuzträger der Jungfrau Maria, 1985.[5]
  • Hansjörg Schmid: Die Marienkinder. Eine apokalyptische Gruppierung der Gegenwart (= Arbeitstexte zur religiös-weltanschaulichen Information und Diskussion, Band 1), Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Referat Bibel und Religionen, Freiburg im Breisgau, 1997, OCLC 313216735.
  • Julia Marie, Wolfgang Hillmann (Hrsg.): Ein Engel ohne Flügel, Lylot, Memmingen 2004, ISBN 978-3-980384-51-3 (Bericht über die Erfahrungen einer Aussteigerin aus der Marienkinder-Bewegung).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Spiegel Online: Bischof Mixa buhlt um Sektierer vom 6. März 2009
  2. Mathias Petry: Zeit für Veränderungen. Donaukurier vom 2. März 2018
  3. Augsburger Rundbrief Nr. 25 (Memento vom 8. Februar 2009 im Internet Archive) März 2008
  4. Sueddeutsche.de: Mixa holt Sektierer in die Kirche (Memento vom 5. März 2009 im Internet Archive) 4. März 2009
  5. Zitate

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Autor/Urheber: selbst fotografiert / HAUK MEDIEN ARCHIV / www.bayernnachrichten.de, Lizenz: Attribution
„Marienkinder“ treten an die Öffentlichkeit/Mindelheim. Die sektenähnliche Gemeinde der Marienkinder tritt jetzt ohne Scheu an die Öffentlichkeit. Die „Kreuzträger der Jungfrau Maria“, wie sie sich nennen, lehnen die Neuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils ab. Als geistlicher Leiter tritt der wegen Ungehorsams dienstenthobene frühere Pfarrer von Aresing, Johannes Bauer auf. Der eigentliche Kopf dieser Gruppe ist Josef Zanker – unser Bild -, der sich „Bruder Josef“ anreden lässt und von Beruf Maurerpolier ist. Wie die Diözese Augsburg mitteilt, werden „Bruder Josef“ suggestive Einwirkungen auf andere Menschen nachgesagt. Er verstehe es, mit Höllendrohungen religiös unsichere Leute, vor allem Jugendliche, in seinen Bann zu ziehen und sich hörig zu machen. Ferner berufe er sich auf Eingebungen der Mutter Gottes. Jeder Priester, der Steh- und Handkommunion gibt oder zulässt, ist nach seiner Auffassung „ein Helfer Luzifers“. Zum ersten Mal war es auch möglich, eine Zusammenkunft der „Marienkinder“ im Bild festzuhalten. Pressefotos und Text vom 7. Juni 1985 / HAUK MEDIEN ARCHIV Archivnummer MI 1171
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„Marienkinder“ treten an die Öffentlichkeit / Mindelheim. Die sektenähnliche Gemeinde der Marienkinder tritt jetzt ohne Scheu an die Öffentlichkeit. Die „Kreuzträger der Jungfrau Maria“, wie sie sich nennen, lehnen die Neuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils ab. Als geistlicher Leiter tritt der wegen Ungehorsams dienstenthobene frühere Pfarrer von Aresing, Johannes Bauer auf. Der eigentliche Kopf dieser Gruppe ist Josef Zanker – unser Bild -, der sich „Bruder Josef“ anreden lässt und von Beruf Maurerpolier ist. Wie die Diözese Augsburg mitteilt, werden „Bruder Josef“ suggestive Einwirkungen auf andere Menschen nachgesagt. Er verstehe es, mit Höllendrohungen religiös unsichere Leute, vor allem Jugendliche, in seinen Bann zu ziehen und sich hörig zu machen. Ferner berufe er sich auf Eingebungen der Mutter Gottes. Jeder Priester, der Steh- und Handkommunion gibt oder zulässt, ist nach seiner Auffassung „ein Helfer Luzifers“. Zum ersten Mal war es auch möglich, eine Zusammenkunft der „Marienkinder“ im Bild festzuhalten. Pressefotos und Text vom 7. Juni 1985 / HAUK MEDIEN ARCHIV Archivnummer MI 1171