Mariahilferkirche (Graz)

Mariahilfkirche und Minoritenkloster, vom Grazer Schloßberg aus gesehen

Die Kirche Mariahilf (Mariahilfkirche) in der steirischen Landeshauptstadt Graz ist eine Wallfahrtskirche und seit 1783 Pfarrkirche der Pfarre Graz-Mariahilf im Dekanat Graz-Mitte. An die Kirche angeschlossen ist das Minoritenkloster Graz.

Geschichte und Gestaltung

Mariahilfkirche (2023)
Blick zum Hochaltar mit dem Mariahilf-Gnadenbild

Im 13. Jahrhundert siedelten sich Brüder des 1210 von Franz von Assisi gegründeten Franziskanerordens (Ordo fratrum minorum – “Orden minderer Brüder”) in Graz auf dem Platz des heutigen Franziskanerklosters an. Seit sich die Mitglieder des Stammordens in Folge des Armutsstreits im Jahr 1517 in Konventualen (Ordo fratrum minorum conventualium, OFMConv, die heutigen „Minoriten“) und Observanten gespalten hatten (Ordo fratrum minorum, OFM, die heutigen „Franziskaner“; ihnen fiel das Kloster zu), gibt es Franziskaner und Minoriten.

Nachdem die Minoriten den Platz verlassen mussten, weil sie sich der neuen Regel nicht unterordnen wollten, fristeten sie eine Weile ein klägliches Dasein. Hilfe kam zuletzt in Form einer Schenkung Fürst Johann Ulrichs von Eggenberg, der ihnen ein neues Kloster erbaute, und auch Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich, der spätere Kaiser Ferdinand II. scheint das Projekt unterstützt zu haben (wobei die Höhe das Beitrags ungewiss ist, vielleicht hat er keinen geleistet, da er den Eggenberger schon beim Bau der Katharinenkapelle um finanzielle Hilfe gebeten hatte)[1]. So entstanden bald Kloster und Kirche am Mariahilfer Platz (im heutigen Bezirk Lend)[2]. Die 1607 nach Plänen des Barockarchitekten Giovanni Pietro de Pomis, einem Schüler Tintorettos, begonnene Kirche war 1611 fertiggestellt. Die Fassade erhielt sie (lt. Urkunde) allerdings erst im Jahr 1627, die mit Dreiecksgiebel und klassischer Tempelfront sehr von Palladio und der Architektur der Lombardei beeinflusst war.[3]

Vermutlich war dieses Aussehen innerhalb der nächsten 100 Jahre unmodern geworden, denn in den 40er-Jahren des 18. Jahrhunderts erhielt Josef Hueber den Auftrag zum Umbau der Kirche (1742–1744). Konkret bat man ihn um Pläne zum Bau zweier vorgelagerter Glockentürme und einer Vorhalle.[4] Das Bemerkenswerte dieser Türme sind die hohen Turmhelme mit gedrückten Zwiebeldächern und kuppelbekrönten Laternen. Die Sandsteinfiguren an der Fassade stammen von Philipp Jakob Straub (1740–1744). Zwischen den Säulen befinden sich in den Nischen Figuren der Ordensheiligen Franziskus von Assisi und Antonius von Padua, sowie über dem Mittelportal ein Mariahilf-Gnadenbild mit adorierenden Engeln (1740) und über dem Dreiecksgiebel Statuen der Erzengel Gabriel, Raphael und des den Teufel in die Tiefe stürzende Michael.[5]

Eine frühere Pendentifkuppel über dem Presbyterium wurde ebenso wie die Stuckdekoration und die ehemaligen Deckenfresken von Josef Adam Mölk 1881 entfernt. Die Seccomalereien im Mittelschiff – Verkündigung an Maria, Geburt Christi, Kreuztragung Christi und Krönung Mariens – schuf Heinrich Schwach im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts.

Tabernakel (1769) von Anton Römer (Entwurf Veit Königer)

Die ursprünglich reiche barocke Einrichtung wurde stark dezimiert. Der Hochaltar (vermutlich 1769) verfügt über ein besonders bemerkenswertes Mariahilf-Gnadenbild, das zu den populärsten Mariendarstellungen in der Steiermark zählt. Johannes Pietro de Pomis schuf und signierte es im Jahr MDCXI (1611). Es hat einen vorzüglichen Rahmen mit reicher Rocaillezier in Treibarbeit, den Anton Römer 1769 ebenso wie das prachtvolle Silber-Tabernakel nach einem Entwurf Veit Königers (1773) schuf.

Die Sakristei, erbaut 1636/37, verfügt über bemerkenswerte Régence-Gewölbestukkaturen, die Johann Cajetan Androy zugeschrieben werden. Die sogenannte Bonaventurakapelle (1635-1640) war die ehemalige kaiserlicheTaufkapelle. Die Gewölbestukkatur im Ohrmuschelstil stammt von Mattia Camin (1640). Der Altar ist aus Stuckmarmor[6] gefertigt. Das Altarblatt, die hl Bonaventura darstellend, schuf Philipp Carl Laubmann (1778). Der barocke Taufstein stammt aus dem 17. Jahrhundert. Davor befindet sich die Gruft der Familie Triebenegg.[7]

Südlich der Kirche befindet sich der Kreuzgang des frühbarocken Minoritenklosterbaus (1607–1636), an den die Schatzkammerkapelle (1769–1771) anschließt. In ihr konnten Wallfahrer Votivgaben hinterlegen, von denen sich aber keine erhalten hat. Die Einrichtung ist aus der Bauzeit. Von Joseph Adam von Mölck (1773)[8] stammen das Deckenfresko und die Seccomalereien mit Darstellungen aus der Wallfahrtsgeschichte. Das Mariahilf-Gnadenbild am Altar aus dem dritten Viertel des 18. Jahrhunderts stammt vermutlich ebenfalls von Joseph Adam von Mölck.

Durch einen weitläufigen Hof gelangt man über eine repräsentative Treppe in das ehemalige Sommerrefektorium (den sogenannten Minoritensaal), einen der schönsten profanen Barockräume in Graz.[9] Johann Seyfried von Eggenberg hat ihn gestiftet, er wurde ab 1691 von Joachim Carlone erbaut, die Innenausstattung allerdings erst 1732 vollendet.[10] Bis 2022 wurde der Minoritensaal um rund sechs Millionen Euro sechs Jahre lang saniert.[11]

Stand der Strahlenkränze der Türme im Sommer 2014

2005 knickte oder brach der zentrale Pfahl aus Lärchenholz eines Turms. Strahlenkranz, Knauf und ein Stück des kupfergedeckten Turmhelms fielen auf den Vorplatz – ohne einen Menschen zu treffen. Daraufhin wurden nach Abheben des Strahlenkranzes vom zweiten Turm per Autokran beide Turmdächer renoviert, die vergoldeten Strahlenkränze (mit der Inschrift "MARIA") am Eisenstab wieder eingesetzt und parallel zum Hauptportal der Kirche ausgerichtet. Wenige Wochen danach verdrehten Windwirbel einen Kranz, einige Monate später auch den zweiten. Im Zuge einer Spendensammelaktion wurden etwa 4 cm dicke Scheiben des achteckigen Pfahls bemalt mit dem Umriss der Kirchenfront ausgegeben. Ein Stück mit 23 cm Durchmesser stammt etwa von der halben Höhe des Pfahls.[12]

Das Innere und Äußere der Mariahilferkirche wurden um 2010/2020 aufwändig restauriert, ebenso das anschließende Minoritenkloster. Sein Säulengang wurde repariert, das Geschoss unter dem Festsaal neu aus Gastraum gestaltet.

Am Erntedanksonntag (29. September) 2019 wurden zwölf im selben Jahr bei Perner in Passau gegossene Glocken für ein neues Glockenspiel bei der Mariensäule am Lendplatz präsentiert.

Heutige Nutzung

Bis heute werden die Klostergebäude von Minoritenbrüdern bewohnt. Es beherbergt auch das Kulturzentrum bei den Minoriten, in dem Veranstaltungen aus den Bereichen Musik, Literatur und Bildende Kunst stattfinden.

Außerdem finden in der Schatzkammerkapelle des Klosters Gottesdienste der ukrainischen griechisch-katholischen Gemeinde,[13] einer rom-unierten Gemeinde, und der russisch-orthodoxen Kirchengemeinde zu Mariä Schutz in Graz,[13][14] als ökumenische Beherbergung, statt.

Literatur

  • Horst Schweigert: Graz (= Die Kunstdenkmäler Österreichs. = Dehio-Handbuch Graz. = Dehio Graz.). Neubearbeitung. Schroll, Wien 1979, ISBN 3-7031-0475-9, S. 158–164.
  • Alois Kölbl, Wiltraud Resch: Wege zu Gott. Die Kirchen und die Synagoge von Graz. 2., erweiterte und ergänzte Auflage. Styria, Graz 2004, ISBN 3-222-13105-8, S. 141–145.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Günter Brucher: Barockarchitektur in Österreich. Köln 1983.
  2. Rochus Kohlbach: Die barocken Kirchen von Graz. Grazer Domverlag, Graz.
  3. Horst Schweigert et al: Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs - Graz. Verlag Anton Schroll, Wien 1979.
  4. Günter Brucher: Barockarchitektur in Österreich. Köln 1983.
  5. Horst Schweigert et al: Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs - Graz. Verlag Anton Schroll, Wien 1979.
  6. XI. Sakristei und Bonaventurakapelle (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive), Minoritenkonvent Graz
  7. Horst Schweigert et al: Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs - Graz. Verlag Anton Schroll, Wien 1979.
  8. XII. Schatzkammerkapelle (Memento vom 27. Februar 2014 im Internet Archive), Minoritenkonvent Graz
  9. XIII. Minoritensaal (Memento vom 5. März 2014 im Internet Archive), Minoritenkonvent Graz
  10. Horst Schweigert et al: Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs - Graz. Verlag Anton Schroll, Wien 1979.
  11. Sanierter Grazer Minoritensaal vor Eröffnung. In: ORF.at. 30. April 2022, abgerufen am 1. Mai 2022.
  12. Persönliche Kommunikation mit einem Kundigen beim Pfarrflohmarkt am 18. September 2022 im Säulengang. Hannes Muhr
  13. a b Hl. Messen in anderen Sprachen, Christliche Kirchen in der Steiermark – Ökumene. Geschwister im Glauben., beide Katholische Kirche Steiermark > Pfarren;
    Russisch-orthodoxe Kirche, Ökumenisches Forum Steiermark
  14. Russisch-orthodoxe Kirchengemeinde zu Mariä Schutz in Graz – Moskauer Patriarchat, auf pfarre-graz.orthodox.ru

Koordinaten: 47° 4′ 22,1″ N, 15° 25′ 59,4″ O

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Turmkreuze der Mariahilferkirche im Jahr 2014
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Die Mariahilfkirche in Graz wurde 1611 fertiggestellt. Die Glockentürme und die Vorhalle wurden 1742 bis 1744 geschaffen. Die Sandsteinfiguren der Fassade sind Werke von Philipp Jakob Straub.
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Blick nach Westen über Graz (Steiermark, Österreich) vom Schloßberg: Mariahilferkirche in der Bildmitte.
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Altar und Tabernakel