Margot Pilz
Margot Pilz, geb. ter Heege (* 21. September 1936 in Haarlem, Niederlande), ist eine österreichische bildende Künstlerin, die sich insbesondere in der Konzept- und Medienkunst hervorgetan hat. Sie wird als Pionierin der digitalen Kunst in Österreich gehandelt und wählt oftmals feministische Ansätze.[1]
Leben
Margot Pilz wurde 1936 in Haarlem (Niederlande) als Tochter eines niederländischen Arztes und einer Wienerin geboren. Sie floh mit ihren Eltern 1939 vor den Nationalsozialisten nach Indonesien, das damals eine niederländische Kolonie war. Dort eröffnete ihr Vater eine Arztpraxis. Nach der japanischen Machtübernahme 1942 wurde er verhaftet. Margot Pilz kam zusammen mit ihrer Mutter in ein japanisches Internierungslager (von ihr immer als Konzentrationslager bezeichnet) auf Java.[2] 1945 wurden sie befreit und lebten zunächst in Australien und Neuseeland, bis sie 1948 nach Amsterdam zurückkehrten.[3]
Seit 1954 lebt Margot Pilz in Wien. Bevor sie Ende der 1970er Jahre als bildende Künstlerin arbeitete, war sie Werbefotografin in Wien. Sie studierte an der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Wien bis 1976 Fotografie[4] und schloss mit der Meisterprüfung ab. Seit 1977 ist sie Mitglied der Vereinigung Künstlerhaus Wien.[5]
Als entscheidenden Moment ihrer Hinwendung zur bildenden Kunst nennt Pilz ihre Festnahme durch die Polizei beim dritten Frauenfest 1978 in Wien, die sie nach eigener Auskunft in ihren Sekundenskulpturen thematisierte.[6][7] Sie trat 1978 auch dem feministischen Künstlerinnen-Netzwerk IntAkt – Internationale Aktionsgemeinschaft bildender Künstlerinnen bei. Ihre Arbeit hängt eng mit der feministischen Bewegung der 1970er und 1980er Jahre zusammen; sie thematisierte und reflektierte in ihrem Werk die Institution der Ehe, Arbeitsbedingungen von Frauen (beispielsweise mit der Arbeit „Arbeiterinnenaltar“, 1981, für die sie Arbeiterinnen in der Kaffeerösterei Eduscho fotografierte und zu ihren Arbeitsbedingungen befragte) und die gesellschaftliche Rolle von Frauen. Im höheren Alter begann sie, auf der Basis ihrer eigenen Erfahrungen auch den Prozess des Alterns mit ihren Werken zu thematisieren.
Margot Pilz war in Österreich eine Pionierin im Bereich Medienkunst. 1991 realisierte sie die Skulptur Delphi Digital (gemeinsam mit Roland Alton-Scheidl) für die Ars Electronica in Linz. Eine weitere bekannte Arbeit von Pilz ist ihre Intervention im öffentlichen Raum Kaorle am Karlsplatz (1982), für die sie im Rahmen der Wiener Festwochen am Wiener Karlsplatz Sand aufschütten und Liegestühle aufstellen ließ; die Idee wurde in der Folge vielfach aufgegriffen, jedoch meist im kommerziellen Bereich.
Margot Pilz wurde auf Lehrstühle für Computerkunst an der Technischen Universität Wien (1990 bis 1992) und der Technischen Universität Graz (1993/94) berufen. 1991 war sie Gastprofessorin an der Pantion-Universität Athen.[3][5]
Von 1957 bis zu seinem Tod 2016 war sie mit dem Bildhauer Fritz Pilz verheiratet; sie hat aus dieser Ehe einen Sohn.[8] Ihr derzeitiger Lebensgefährte ist der Industriedesigner Ernst Beranek.[9]
Werke (Auswahl)
- Hausfrauendenkmal (1979, temporäre Installation, Steirischer Herbst, Graz)
- Das letzte Abendmahl – Hommage an Kremser Schmidt (1979)
- 4th Dimension (1982, Foto-Serie)
- Kaorle am Karlsplatz (1982)
- Göttin schuf Eva
- White Cell Project (1983–1985)
- skin code (1989, Künstlerbuch)
- Delphi Digital (1991, Medienskulptur, mit Roland Alton-Scheidl, Ars Electronica, Linz)
- U-Turn (1998, Installation aus Nirosta-Stahl, Video, Infopoint, 3,6 × 3 × 0,9 m, 1,8 t, U3-Station Ottakring, Wien)[10]
- Membrana – ein Luststück (2011/12, Videoarbeit, die Sexualität im Alter thematisiert)
- Torso (2012, keramische Skulptur)
- Once Upon My Time – Java 1942 (2014)
Ausstellungen (Auswahl)
- 1981: Erweiterte Fotografie, Secession, Wien
- 1984: 1984. Orwell und die Gegenwart, Museum des 20. Jahrhunderts, Wien
- 1984: 4th Dimension, Dryphoto, Prato, Florenz
- 1985: Identitätsbilder, Secession, Wien
- 1985: Meditation 85, Steirischer Herbst, Graz
- 1985: The White Cell Project, Fotogalerie Wien, Wien
- 1987: Le temps d'un movement, Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, Paris
- 1988: Computerkunst 88, Museum Gladbeck
- 1988: Hinter den Wänden, Donaufestival, Langenlois
- 1991: Delphi Digital, Ars Electronica, Linz
- 1992: Die Auflösung der Fotografie – Der kalte Raum, Blau-Gelbe Galerie, Wien
- 1993: Tacit Surveillance, Künstlerhaus, Wien
- 1994: Zeit/Schnitte, Patriarchat, Wiener Festwochen, Wien
- 1997: Verstärker/Kaskade, Künstlerhaus, Wien
- 2003/2004: Künstlerinnen – Positionen 1945 bis heute, Kunsthalle Krems, Krems
- 2004: Frau im Bild. Inszenierte Weiblichkeit, Museum Moderner Kunst, Passau/Deutschland
- 2005/2006: Die Enzyklopädie der wahren Werte, Künstlerhaus, Wien
- 2007: Die Liebe zu den Objekten, Niederösterreichisches Landesmuseum, St. Pölten
- 2008: Am Puls der Stadt. 2000 Jahre Karlsplatz, Wien Museum, Wien
- 2008: Matrix. Geschlechter – Verhältnisse – Revisionen, MUSA, Wien
- 2008: Werkschau XIII. Intakt – die Pionierinnen, Fotogalerie Wien, Wien
- 2009: Best of Austria, Lentos, Linz
- 2010: raum_körper_einsatz, MUSA, Wien
- 2012: Celebration/Me Myself & Them, Künstlerhaus, Wien
- 2014: Aktionistinnen, Kunsthalle Krems, Forum Frohner, Krems
- 2014: Once upon my time -- JAVA 1942, Künstlerhaus, Wien
- 2015: Margot Pilz – Meilensteine. Von der performativen Fotografie zur digitalen Feldforschung, MUSA Wien
- 2016: The Feminist Avant-Garde of the 1970s, The Photographers' Gallery, London
- 2017: Die Kraft des Alters, Belvedere Wien
- 2017: Feministische Avantgarde der 1970er Jahre aus der Sammlung Verbund, ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe
- 2017: The Feminist Avant-Garde of the 1970s, MUMOK Wien
- 2019: The Feminist Avant-Garde of the 1970s. Works from the VERBUND COLLECTION, Vienna, CCCB – Centro Culturale Contemporane Barcelona
- 2021: Personale in der Kunsthalle Krems
- 2021 FEMALE SENSIBILITY. FEMINISTISCHE AVANTGARDE aus der Sammlung Verbund, Lentos Kunstmuseum Linz
Auszeichnungen
- 1983: Staatsstipendium für bildende Kunst
- 1985: Römerquelle Fotopreis
- 1988: Preis der Österreichischen Postsparkasse
- 1990: Theodor-Körner-Preis
- 1997: Pfann-Ohmann-Preis, Künstlerhaus, Wien
- 2008: Goldener Lorbeer, Künstlerhaus, Wien
- 2011: Preis der Stadt Wien für Bildende Kunst
- 2019: Niederösterreichischer Kulturpreis – Würdigungspreis in der Kategorie Bildende Kunst[11]
- 2022: Österreichischer Kunstpreis für Medienkunst[12]
Literatur
- Silvie Aigner, Berthold Ecker (Hrsg.): Margot Pilz – Meilensteine. De Gruyter, Berlin 2015, ISBN 978-3-11-045841-1.
- Silvie Aigner, Johannes Karel (Hrsg.): Raum_Körper-Einsatz: Positionen der Skulptur. Verlag für moderne Kunst, Nürnberg 2010, ISBN 978-3-86984-106-9.
- Brigitte Borchardt-Birbaumer, Dieter Ronte (Hrsg.): Aktionistinnen. St. Pölten 2015, ISBN 978-3-901261-60-2.
- Helmut Kronthaler: Pilz, Margot (geb. ter Heege). In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker (AKL). Band 95, de Gruyter, Berlin 2017, ISBN 978-3-11-023261-5, S. 507.
- Nina Schedlmayer: Art Biography. Margot Pilz. Leben. Kunst. Leykam, Graz 2021, ISBN 978-3-7011-8175-9.
Weblinks
- Website der Künstlerin
- Simon Emmerlich: Margot Pilz: Wiederentdeckung einer feministischen Künstlerin, 5:06 min, Capriccio, BR 2021,
- Margot Pilz: „Wir wissen nicht, ob es Kunst ist“, Interview in der Tageszeitung „Der Standard“, 25. November 2015.
- Biografie und Werke von Margot Pilz in der Sammlung Belvedere
Einzelnachweise
- ↑ Tanja Paar: Margot Pilz: "Wir wissen nicht, ob es Kunst ist". In: Der Standard. 25. November 2015, abgerufen am 30. September 2017.
- ↑ Anne Katrin Feßler: Margot Pilz: Keck, widerständig, feministisch. In: Der Standard. 25. November 2015, abgerufen am 30. September 2017.
- ↑ a b Margot Pilz. In: sammlung.belvedere.at. Abgerufen am 20. Oktober 2022.
- ↑ Informationen zu Margot Pilz im Archiv „Basis Wien“. Abgerufen am 30. September 2017.
- ↑ a b Helmut Kronthaler: Pilz, Margot (geb. ter Heege). In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker (AKL). Band 95, de Gruyter, Berlin 2017, ISBN 978-3-11-023261-5, S. 507.
- ↑ Tanja Paar: Margot Pilz: „Wir wissen nicht, ob es Kunst ist“. In: Der Standard. 25. September 2015, abgerufen am 30. September 2017.
- ↑ Almuth Spiegler: Es geht los: Künstlerinnen der 1970er heben ab. In: Die Presse. 28. November 2015, abgerufen am 30. September 2017.
- ↑ Beitrag auf PULS4 zu ihrem 85. Geburtstag, 2021
- ↑ Quelle: Margot-Pilz-Ausstellung, Kunsthalle Krems, 2021/2022.
- ↑ U-Turn, 1998. In: wienerlinien.at. Abgerufen am 20. Oktober 2022.
- ↑ Michaela Fleck: Kulturpreise 2019: 24 Preise und jede Menge Kunst aus NÖ. In: Niederösterreichische Nachrichten. 5. November 2019, abgerufen am 5. November 2019.
- ↑ BMKÖS/Mayer: Preisträger:innen des Österreichischen Kunstpreises 2022 bekanntgegeben. In: ots.at. 11. Oktober 2022, abgerufen am 11. Oktober 2022.
Personendaten | |
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NAME | Pilz, Margot |
ALTERNATIVNAMEN | ter Heege, Margot (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | österreichische bildende Künstlerin |
GEBURTSDATUM | 21. September 1936 |
GEBURTSORT | Haarlem, Niederlande |
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