Maghreb

WestsaharaMarokkoAlgerienTunesienMauretanienLibyen
Die Maghreb-Staaten im engeren (dunkelgrün) sowie weiteren Sinne (dunkel- und hellgrün)

Koordinaten: 30° N, 5° O

Unter dem Maghreb (auch Maghrib) versteht man vor allem die nordafrikanischen Territorien von Tunesien, Algerien, Marokko und Westsahara, die aufgrund ihrer Geographie und Geschichte viele Gemeinsamkeiten haben. Auch Libyen und Mauretanien werden mitunter dazugezählt. Allgemeingeographisch lautet die Bezeichnung Nordwestafrika.

Begriff

Das arabische Wort المغرب al-maghrib, DMG al-maġrib ‚der Westen‘ (wörtlich „Ort, wo die Sonne untergeht“), leitet sich vom Verb غَرَبَ gharaba, DMG ġaraba ‚weggehen, untergehen (Sonne)‘, Tamazight ⵜⴰⵎⴰⵣⵖⴰ Tamazɣa, ab. Das Gegenstück zum Maghreb ist der Maschrek (Ägypten, Israel, Palästina, Jordanien, Libanon, Syrien, Irak), arabisch المشرق al-Maschriq, DMG al-Mašriq ‚der Osten, Orient‘ (wörtlich „Ort, wo die Sonne aufgeht“), abgeleitet vom Verb شَرَقَ scharaqa, DMG šaraqa ‚aufgehen (Sonne)‘.[1] Damit entspricht es dem abendländischen Okzident-Orient-Konzept.[2]

Im Arabischen versteht man unter Maghreb in der Regel Marokko, welches der westlichste arabische Staat ist und dessen Eigenbezeichnung ebenfalls al-Maghrib (Kurzform von arabisch المملكة المغربية, DMG al-mamlaka al maġribiyya ‚Königreich des Maghreb‘, wörtlich „das westliche Königreich“) lautet. Die international übernommene Bedeutung Maghreb-Region wird weiter gesehen und ist primär kulturell aufzufassen.[3]

Naturräumlich umfasst Nordwestafrika unspezifisch die Atlantikküste von etwa der Höhe der Kapverden bis Gibraltar und die Mittelmeerküste bis zur Großen Syrte mitsamt dem Hinterland. Die Fläche des Maghreb beträgt knapp 6 Millionen Quadratkilometer. Es bildet den Nordteil von Westafrika und den Westteil von Nordafrika, ebenfalls zwei unspezifische respektive vielfältig definierte Begrifflichkeiten. Ersteres umfasst den frankophon dominierten Teil Afrikas, zweiteres denjenigen nördlich der Sahelzone (in Abgrenzung zu Subsahara-Afrika).

Gemeinsamkeiten

Die Staaten des Maghreb haben durch ihre geografische Lage viel miteinander gemein:

  • drei der vier Länder im engeren Sinne bzw. vier der sechs Länder im weiteren Sinne sind Mittelmeeranrainer;
  • nördlich des Atlas-Gebirges herrscht ein feucht-warmes Klima; südlich davon liegt die extrem trockene Wüste Sahara.

Vorgeschichte und Geschichte

Illustration der Geschichte von Bayâd und Riyâd; maghrebinisches Manuskript, 13. Jahrhundert

Die Kulturen im Maghreb waren zunächst rein afrikanisch geprägt. Mit der Ausbreitung des Ackerbaus gelangten orientalische Einflüsse nach Ägypten und im Zuge der Ausbreitung der Cardial- oder Impressokultur auch in den Maghreb.

Die Region stand im Altertum zuerst unter phönizischem Einfluss. Karthago, die größte und mächtigste „punische“ Stadt, lag im heutigen Tunesien. Nach den Punischen Kriegen eroberte schließlich das Römische Reich den gesamten am Mittelmeer gelegenen Küstenteil. Das Gebiet war durch den Einfluss des Augustinus weitgehend christianisiert worden und damals noch hauptsächlich von den einheimischen Berbern bewohnt.

Mit der Ausbreitung des Islams im 7. Jahrhundert geriet der Maghreb unter arabischen Einfluss. Damit fand auch die heute vorkommende arabische Sprache Einzug; ein Teil der Bevölkerung spricht jedoch weiterhin die autochthonen Berbersprachen. Der anschließende jahrhundertelange osmanische Einfluss im östlichen Teil des Maghreb fand allmählich durch die europäische Kolonisation im 19. und 20. Jahrhundert ein Ende.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte Frankreich seine Protektorate (Marokko, Tunesien) in Französisch-Nordafrika nach dem Vorbilde Algeriens politisch enger an sich binden. Nach heftigen Protesten gegen diese Pläne wurden Marokko und Tunesien jedoch stattdessen in die Unabhängigkeit überlassen. Anschließend bemühte sich das unabhängige Marokko, um eine Neu-Ziehung ihrer Grenzen mit Französisch-Algerien sowie Spanisch-Sahara und erhob Ansprüche auf Teile von beiden. Die Unabhängigkeit jener Protektorate führte zudem zum Entschluss im Jahre 1958 den französischen Kolonien in Afrika selbst durch ein Referendum ihre Zukunft entscheiden zu lassen. Die große Mehrheit stimmte gegen die weitere Bindung an Frankreich, was dem Prozess der Entkolonialisierung starken Wind gab (Dekolonisation Afrikas).

Die Brutalitäten im Unabhängigkeitskrieg von Algerien (1954–62) war für den Abgang Frankreichs von seiner kolonialistischen Politik maßgebend. Algerien hatte noch bis zum Sieg der algerischen Befreiungsfront (FLN) den Status einer Kolonie. Im folgenden Jahr (1963) kam es dann im Oktober zum sogenannten Sandkrieg zwischen Marokko und Algerien bezüglich der offenen Grenzfrage, der keine Gebietsveränderung zur Folge hatte doch der Beginn einer historischen Feindschaft wurde, der bis heute anhält und den gesamten Maghreb prägt. Nach dem Abzug Spaniens aus seinen kolonialen Territorien in Nordafrika mit Ausnahme von Ceuta, Melilla sowie kleinerer Inseln folgte in 1975 der Grüne Marsch seitens Marokko in Spanisch-Sahara, der schließlich zum Ausbruch des West-Sahara Konfliktes führte, indem die Sahraui-geprägte Frente Polisario wie auch Marokko selbst das Gebiet für sich beansprucht und dabei von Algerien unterstützt wird.

In den 1980er Jahren gab es in Maghreb-Staaten mehrere sogenannte Brot-Unruhen. Mit dem Tod des Gemüsehändlers Mohamed Bouazizi in 2011 entfachte sich von der Region aus der Arabische Frühling auf die gesamte Arabische Welt.

Maghrebinische Händler in der jüdischen Geschichte

Im 10. Jahrhundert, als das soziale und politische Umfeld in Bagdad zunehmend judenfeindlich wurde, wanderten einige jüdische Händler in den Maghreb aus, insbesondere nach Kairouan in Tunesien. In den folgenden zwei oder drei Jahrhunderten wurden diese jüdischen Händler als Maghribi bekannt, eine besondere soziale Gruppe, die in der gesamten Mittelmeerwelt umherreiste. Sie gaben diese Identifikation vom Vater auf den Sohn weiter. Ihre eng verbundene pan-maghrebinische Gemeinschaft war in der Lage, soziale Sanktionen als glaubwürdige Alternative zum Rechtsweg zu nutzen, der zu dieser Zeit ohnehin schwach war. Diese einzigartige institutionelle Alternative ermöglichte es den Maghrebinern, sehr erfolgreich am Mittelmeerhandel teilzunehmen.[4] Dies erleichterte die Kontakte zwischen den maghrebinischen und den europäischen jüdischen Gemeinschaften, insbesondere im Handel in der vorkolonialen Zeit. Die wichtigsten Kontaktpunkte waren Livorno in Italien mit seinem von tunesischen Kaufleuten frequentierten Hafen und Marseille in Frankreich mit seinem Gegenstück, dem Hafen für Algerien und Marokko. Die Maghreb-Region produzierte Gewürze und Leder, von Schuhen bis zu Handtaschen. Da viele der maghrebinischen Juden Handwerker und Händler waren, hatten sie Kontakt zu ihren europäischen Kunden.[5]

Die Union des Arabischen Maghreb

Die Staaten Algerien, Mauretanien, Marokko (nur aus marokkanischer Sicht einschließlich der Westsahara), Libyen und Tunesien haben 1989 die multinationale Union des Arabischen Maghreb gegründet.

Sprachen

Im Maghreb wird hauptsächlich maghrebinisches Arabisch gesprochen. Weiterhin sind Berbersprachen vertreten, in Algerien und Marokko auch als Amtssprachen. Französisch ist in den Maghrebstaaten als Handels-, Bildungs- und Kultursprache von großer Bedeutung. In den Umgebungen der spanischen Städte Ceuta und Melilla findet man ebenso Spanisch oft als Zweitsprache. Mit diesem Hintergrund wachsen die meisten Bewohner des Maghrebs mehrsprachig auf.

Wirtschaft

Algerien ist das wirtschaftlich stärkste Land, wie die folgenden Vergleichszahlen des Bruttoinlandsprodukts zeigen (Angaben in Millionen US-Dollar).

Zahlen des Internationalen Währungsfonds (2013)Zahlen der Weltbank (2013)Zahlen des CIA World Factbook (2013)
RangLandBIP
44Algerien Algerien285.541
58Marokko Marokko179.240
70Tunesien Tunesien108.430
81Libyen Libyen70.386
148Mauretanien Mauretanien8.241
RangLandBIP
34Algerien Algerien421.626
55Marokko Marokko241.757
70Libyen Libyen132.695
75Tunesien Tunesien120.755
143Mauretanien Mauretanien11.835
RangLandBIP
45Algerien Algerien284.700
58Marokko Marokko180.000
68Tunesien Tunesien108.400
81Libyen Libyen73.600
151Mauretanien Mauretanien8.204

Situation nach 2010

In allen nordafrikanischen Staaten gab es in den letzten Jahrzehnten ein starkes Bevölkerungswachstum. In Marokko, Tunesien und Libyen sind je 30 Prozent der Bevölkerung unter 15 Jahre alt, in Algerien 26 Prozent und in Mauretanien 40 Prozent (siehe FAO Food Price Index).[6]

Tunesien

Die Selbstverbrennung eines verzweifelten jungen Gemüsehändlers löste Unruhen in Tunesien aus. Der Grund für seine Tat war, dass die Behörden ihm den Gemüsehandel untersagten und so ihm und seiner Familie die Lebensgrundlage entzogen. Die Unruhen begannen am 13. Dezember 2010 und weiteten sich auf das ganze Land aus, bis der tunesische Präsident am 14. Januar 2011 nach 23 Regierungsjahren ins Exil flüchtete. Proteste begannen kurze Zeit später auch in anderen arabischen Ländern (siehe auch Revolution in Ägypten 2011). Seitdem stehen der Maghreb und andere Staaten der arabischen Welt weltweit im Fokus der Medien.[6]

Algerien

Etwa am 5. Januar 2011 begannen in Algerien Unruhen.[7] Dort (wie auch in anderen Ländern) protestierten Menschen gegen massiv gestiegene Grundnahrungsmittelpreise.[8] Die Unruhen entzündeten sich spontan an Einzelereignissen. Laut Internationalem Währungsfonds (IWF) sind 75 Prozent der Algerier jünger als 30 Jahre, mehr als 20 Prozent von ihnen sind arbeitslos.[9]

Libyen

Nach vereinzelten größeren Protesten gab es am 15. Februar 2011 Demonstrationen in mehreren großen Städten, die sich in der Folge zu einem landesweiten Aufstand ausweiteten, welcher mit dem Sturz der Regierung von Muammar al-Gaddafi und dessen Tod endete.

Literatur

  • Werner Herzog: Der Maghreb: Marokko, Algerien, Tunesien. C.H.Beck, München 1990, ISBN 978-3-406-33180-0.

Weblinks

Commons: Maghreb – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Maghreb – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Vgl. Hans Wehr: Arabisches Wörterbuch. Wiesbaden 1968, S. 426.
  2. Vgl. Naher Osten.
  3. Babak Khalatbari: Europäische Nah- und Mittelostpolitik. Quadratur des Kreises? In: Hans-Georg Ehrhart, Sabine Jaberg, Bernhard Rinke, Jörg Waldmann: Die Europäische Union im 21. Jahrhundert: Theorie und Praxis europäischer Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik. Festschrift für Reinhard Meyers. Springer-Verlag, 2008, ISBN 978-353190576-1, Kapitel 1.3 Geographische Definitionen: Maghreb, S. 175–176 (ganzer Artikel S. 174–187; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Avner Greif: Contract Enforcement and Institutions among the Maghribi Traders: Refuting Edwards and Ogilvie. Social Science Research Network, Stanford 30. Juni 2008 (englisch, stanford.edu [PDF]).
  5. Naomi Lubrich: Wer waren die Juden Nordafrikas? Vier Fragen an Daniel Zisenwine. In: Jüdisches Museum der Schweiz. Jüdisches Museum der Schweiz, 30. November 2023, abgerufen am 16. Dezember 2023.
  6. a b Region in Aufregung: Pulverfass Nordafrika. (Memento vom 20. Januar 2011 im Internet Archive) auf: rp-online.de 17. Januar 2011.
  7. Mehrere Tote bei Protesten. In: die tageszeitung. 9. Januar 2011, abgerufen am 12. Januar 2011.
  8. Über 20 Tote bei Unruhen in Tunesien. In: ORF. 10. Januar 2011, abgerufen am 12. Januar 2011.
  9. Unruhen in Algerien: Hunderte Verletzte und drei Tote bei Protesten. In: stern.de. 9. Januar 2011.

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Flag of Mauritania, adopted in 2017. The National Assembly added red stripes to the top and bottom edges to represent “the blood shed by the martyrs of independence”.
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