Magellansche Wolken

Kleine und Große Magellansche Wolke

Die Magellanschen Wolken sind zwei irreguläre Zwerggalaxien in relativer Nähe zur Milchstraße und damit Teil der Lokalen Gruppe. Sie werden zur Milchstraßen-Untergruppe gezählt, sind aber möglicherweise nicht gravitativ an die Galaxis gebunden.[1] Die Große Magellansche Wolke in rund 163.000 Lichtjahren Entfernung enthält ungefähr 15 Milliarden Sterne, die Kleine Magellansche Wolke in rund 200.000 Lichtjahren Entfernung 5 Milliarden Sterne.[2]

Die Große Magellansche Wolke liegt in den Sternbildern Schwertfisch und Tafelberg, die Kleine Magellansche Wolke im Sternbild Tukan an der Grenze zur Kleinen Wasserschlange, beide am Südsternhimmel. Von Mitteleuropa sind sie nicht sichtbar.

Im Fernrohr zeigt sich ihr Charakter als Galaxie, die aus Sternen, Nebeln, Sternhaufen und anderen Objekten besteht. Nach dem Andromedanebel, der Milchstraße und dem Dreiecksnebel ist die Große Magellansche Wolke die viertgrößte Galaxie der Lokalen Gruppe.

Große und Kleine Magellansche Wolke werden mit GMW und KMW bzw. englisch mit LMC und SMC (Large/Small Magellanic Cloud) abgekürzt.

Den Bewohnern der Südhalbkugel waren die beiden Galaxien wohl schon seit prähistorischer Zeit durch Beobachtungen mit dem bloßen Auge bekannt, erstmalige schriftliche Erwähnung fanden sie jedoch erst durch den persischen Astronomen Al Sufi in seinem Buch der Fixsterne im Jahr 964.

Der erste Europäer, der die beiden Wolken beschrieb, war der italienische Seefahrer Andrea Corsali in einem Brief vom 6. Januar 1515 an Giuliano di Lorenzo de’ Medici.[3] Sein Landsmann Antonio Pigafetta erwähnte die wolkenartigen Gebilde zehn Jahre später in seinem viel gelesenen Reisebericht über die erste Weltumsegelung unter dem Kommando von Ferdinand Magellan.[4]

Daten

NameIdentifierTypEntfernung
Lj (pc)
Durchmesser
Lj (pc)
Masse in MRektaszensionDeklinationvis. HelligkeitSkylinks
Große WolkeESO 56-115SBm/Irr[5]162980 ± 3620
(49970 ± 1110)[6]
25100 (7700)1 · 10105h 24m1305200−69° 48′ 0″0,9 magDatenbanklinks zu GMW
Kleine WolkeNGC 292Irr≈209000
(≈64000)
10100 (3100)2 · 1090h 51m1269400−73° 6′ 0″2,7 magDatenbanklinks zu KMW

Entfernung

Die Große Magellansche Wolke

Die Entfernung, insbesondere zur GMW, hat in der extragalaktischen Astronomie im letzten Jahrhundert eine Schlüsselrolle gespielt, aber zugleich immer wieder für Verwirrung gesorgt. Das große Interesse geht dabei vor allem auf die Tatsache zurück, dass die extragalaktische Entfernungsmessung auf der Perioden-Helligkeits-Beziehung der veränderlichen Cepheiden-Sterne beruht. Diese Beziehung wurde nicht nur anhand von Cepheiden in der KMW entdeckt, sondern wird bis zum heutigen Tag an den Cepheiden der GMW geeicht und überprüft. Allerdings dehnen sich dadurch alle Fehler bei der Entfernungsbestimmung der Magellanschen Wolken direkt auf die Entfernungsbestimmung anderer Galaxien aus. Insbesondere Fehlinterpretationen der Perioden-Helligkeits-Beziehung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts führten daher zu enormen Schwankungen in den ermittelten kosmischen Skalen.

Bis zum heutigen Tag finden sich in verschiedenen Quellen daher verschiedene Angaben für die Entfernung der Magellanschen Wolken, variierend zwischen 40 und 80 kpc. Die Recherche in aktuellen wissenschaftlichen Veröffentlichungen zeigt, dass auf diesem Gebiet weiterhin geforscht wird. Allerdings haben sich die Messfehler, insbesondere im Zuge der Erforschung der Supernova 1987A in der GMW, deutlich vermindert. Bis Anfang 2013 galt für die Große Magellansche Wolke zuletzt eine Entfernung zwischen 44 und 51 kpc (143.000 bis 166.000 Lichtjahre) als gesichert. Nach vom Paranal-Observatorium durchgeführten neuesten Forschungen anhand von Paaren von Bedeckungsveränderlichen, von sog. kühlen Roten Riesen, gilt jetzt eine Entfernung von 163.000 Lichtjahren ± 2 % als gesichert (publiziert im März 2013).[7] Laut ESO wird in den nächsten Jahren eine weitere Reduzierung der Unsicherheit auf dann nur noch 1 % erwartet.

Beschreibung

NGC 346 in der Kleinen Magellanschen Wolke

Beide Magellanschen Wolken bestehen vor allem aus Objekten der Population I, wobei die Sterne in der KMW eine gleichförmigere Verteilung aufweisen. Große und Kleine Magellansche Wolke besitzen bzw. der Leuchtkraft der Milchstraße.

In den Magellanschen Wolken gibt es zahlreiche interessante Objekte für Amateurastronomen, wie den als Tarantelnebel bezeichneten Gasnebel 30 Doradus (NGC 2070). In dessen Zentrum befindet sich der Supersternhaufen R136, der für die Ionisation des Nebels verantwortlich ist und zahlreiche massereiche Sterne enthält, darunter mit R136a1 auch den massereichsten und hellsten bekannten Stern (265 M, 107 L).[8]

Ferner sind viele Sternhaufen in den Magellanschen Wolken schon im kleinen Teleskop sichtbar, von denen einige zur Klasse der blauen Kugelsternhaufen gehören, einer Objektklasse, die es in der Milchstraße nicht gibt.

Die Supernova 1987A in der GMW ermöglichte erstmals, eine Supernova und deren Auswirkungen mit modernen Instrumenten zu beobachten. Zwar gab es in der Vergangenheit auch Supernovae in unserer eigenen Galaxie, die uns somit wesentlich näher standen, die letzte hiervon ereignete sich jedoch im Jahr 1604, vor Erfindung des Fernrohrs.


Die beiden Magellanschen Wolken sind untereinander durch die Magellansche Brücke und ebenso mit der Milchstraße jeweils durch ein dünnes Wasserstoffband verbunden, dem Magellanschen Strom.

Die Wolken liegen in den Sternbildern Schwertfisch/Tafelberg (GMW) bzw. Tukan (KMW). Durch ihren geringen Abstand zur Erde und die große Ausdehnung besitzen sie für einen irdischen Beobachter einen scheinbaren Durchmesser von etwa 6° bzw. 3,5°. Deshalb und ihrer großen scheinbaren Helligkeit wegen sind sie von der Erde aus mit bloßem Auge zu sehen – allerdings nur von der Südhalbkugel aus.

Obwohl die Große Magellansche Wolke sich derzeit von der Milchstraße entfernt, wurde in Simulationen berechnet, dass sie wahrscheinlich in ein bis vier Milliarden Jahren mit der Milchstraße kollidiert.[9][10]

Objekte im New General Catalogue (Auswahl)

NGC-Objekte in der Großen Magellanschen Wolke

In der bzw. um die Große Magellansche Wolke gibt es zahlreiche Sternhaufen und Nebel, die im New-General-Catalogue-Katalog verzeichnet sind. Diese Objekte können schon mit kleinen Fernrohren beobachtet werden:

NGC-Objekte in der Kleinen Magellanschen Wolke

Auch in der Kleinen Magellanschen Wolke gibt es zahlreiche Sternhaufen und Nebel, die im NGC-Katalog verzeichnet sind. Diese Objekte können schon mit kleinen Fernrohren beobachtet werden. Keine Mitglieder der Kleinen Magellanschen Wolke sind hingegen die Kugelsternhaufen 47 Tucanae und NGC 362.

Trivia/Science-Fiction

  • Die Perry-Rhodan-Heftromanserie der 1960er und 70er Jahre verlagert Handlungsebenen in die Magellanschen Wolken.
  • In Dan Simmons’ Romanserie Hyperion hat eine unbekannte außerirdische Macht die Erde in die Magellanschen Wolken versetzt, nachdem die Menschheit den Planeten aufgegeben hat.
  • In Bungies Videospielreihe Halo ist die Große Magellansche Wolke die Heimatwelt der parasitären Lebensform der Flood.
  • In der Romanreihe Star Trek: Titan befindet sich in der kleinen Magellanischen Wolke das Neyel-Territorium. Die Neyel sind Abkömmlinge der Menschheit. Die U.S.S. Titan und U.S.S. Excelsior werden durch eine Raumanomalie in die Wolke versetzt.
  • In Luc Bessons Spielfilm Valerian – Die Stadt der tausend Planeten wird die Raumstation 'Alpha' in Richtung Magellansche Wolke verschoben.
Commons: Große Magellansche Wolke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Kleine Magellansche Wolke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Thomas Bührke in Süddeutsche Zeitung vom 17. Mai 2010: Nur auf der Durchreise, abgerufen am 2. Februar 2020
  2. Wie viele Sterne haben die große und kleine Magellansche Wolke und werden diese Begleiter irgendwann einmal von unserer Milchstrasse "verschluckt" werden? Abgerufen am 8. Juni 2022.
  3. Guglielmo Berchet (Hrsg.): Raccolta di documenti e studi pubblicati dalla R. Commissione Colombiana pel quarto centenario dalla scoperta dell'America. Parte III, Vol. II. Rom 1893, S. 241 f.
  4. Boston Public Library: Magellan's voyage around the world. Cleveland : The Arthur H. Clark Company, 1906 (archive.org [abgerufen am 4. April 2018]).
  5. NASA/IPAC Extragalactic Database. In: Results for Large Magellanic Cloud. Abgerufen am 29. Oktober 2006.
  6. G. Pietrzyński, et al.: An eclipsing-binary distance to the Large Magellanic Cloud accurate to two per cent. In: nature. 495. Jahrgang, 2013, S. 76–79, doi:10.1038/nature11878 (nature.com).
  7. http://presseservice.pressrelations.de/pressemitteilung/die-genaueste-vermessung-des-universums-aller-zeiten-525131.html
  8. ESO: Rekordstern weit größer als gedacht
  9. Marina Koren: The Milky Way Could Crash Into Another Galaxy Billions of Years Earlier Than Predicted. In: The Atlantic. 5. Januar 2019, abgerufen am 5. Januar 2019 (englisch).
  10. The aftermath of the Great Collision between our Galaxy and the Large Magellanic Cloud. In: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society. 13. November 2018, abgerufen am 5. Januar 2019 (englisch).

Auf dieser Seite verwendete Medien

Milky Way 2005.jpg

Caption from NASA: Like early explorers mapping the continents of our globe, astronomers are busy charting the spiral structure of our galaxy, the Milky Way. Using infrared images from NASA's Spitzer Space Telescope, scientists have discovered that the Milky Way's elegant spiral structure is dominated by just two arms wrapping off the ends of a central bar of stars. Previously, our galaxy was thought to possess four major arms.

This artist's concept illustrates the new view of the Milky Way, along with other findings presented at the 212th American Astronomical Society meeting in St. Louis, Mo. The galaxy's two major arms (Scutum-Centaurus and Perseus) can be seen attached to the ends of a thick central bar, while the two now-demoted minor arms (Norma and Sagittarius) are less distinct and located between the major arms. The major arms consist of the highest densities of both young and old stars; the minor arms are primarily filled with gas and pockets of star-forming activity.

The artist's concept also includes a new spiral arm, called the "Far-3 kiloparsec arm," discovered via a radio-telescope survey of gas in the Milky Way. This arm is shorter than the two major arms and lies along the bar of the galaxy.

Our sun lies near a small, partial arm called the Orion Arm, or Orion Spur, located between the Sagittarius and Perseus arms.
Magellanic Clouds ― Irregular Dwarf Galaxies.jpg
Autor/Urheber: ESO/S. Brunier, Lizenz: CC BY 4.0
Seen from the southern skies, the Large and Small Magellanic Clouds (the LMC and SMC, respectively) are bright patches in the sky. These two irregular dwarf galaxies, together with our Milky Way Galaxy, belong to the so-called Local Group of galaxies. Astronomers once thought that the two Magellanic Clouds orbited the Milky Way, but recent research suggests this is not the case, and that they are in fact on their first pass by the Milky Way. The LMC, lying at a distance of 160 000 light-years, and its neighbour the SMC, some 200 000 light-years away, are among the largest distant objects we can observe with the unaided eye. Both galaxies have notable bar features across their central discs, although the very strong tidal forces exerted by the Milky Way have distorted the galaxies considerably. The mutual gravitational pull of the three interacting galaxies has drawn out long streams of neutral hydrogen that interlink the three galaxies.
Large.mc.arp.750pix.jpg
Image of the Large Magellanic Cloud and Supernova 1987A taken by the Kuiper Airborne Observatory (NASA 714) during its New Zealand deployment in 1987.