Lygia Clark

Lygia Clark

Lygia Clark (* 23. Oktober 1920 in Belo Horizonte, Minas Gerais; † 25. April 1988 in Rio de Janeiro) war eine brasilianische Malerin, Bildhauerin und Installationskünstlerin. Sie ist eine Pionierin der brasilianischen interaktiven Kunst.[1]

Leben und Werk

Lygia Clark wurde 1920 als Lygia Pimentel Lins in Belo Horizonte in eine aristokratische Familie hineingeboren[2] und heiratete mit 18 Jahren einen wohlhabenden Mann. Zwischen 1941 und 1945 bekam sie 3 Kinder und entschied sich 1947, Künstlerin zu werden.[3] Sie nahm mit 27 Jahren in Rio de Janeiro bei Roberto Burle Marx (1909–1994) und Zélia Salgado (1904–2009) ein Studium auf. Lygia Clark ging von 1950 bis 1951 nach Paris, um bei Fernand Léger (1881–1955), Árpád Szenes (1897–1985) und Isaac Dobrinsky (1891–1973) ihre Kenntnisse zu vertiefen.

Clark war mit Hélio Oiticica ein bekanntes Gründungsmitglied der brasilianischen Künstlergruppe Neoconcretismo und gehörte 1959 zu den Unterzeichnern des manifesto neoconcreto (Neokonkretes Manifest).[4] Die erste gemeinsame Ausstellung fand im März 1959 in Rio de Janeiro statt. Die teilnehmenden Künstler waren Amilcar de Castro, Ferreira Gullar, Franz Weissman, Lygia Clark, Lygia Pape, Reynaldo Jardim, und Theon Spanudis. Clark war befreundet mit dem marxistischen Kunstkritiker Mário Pedrosa (1900–1981).

Nach dem Putsch 1964, auf den die Militärdiktatur folgte, ging Clark ins Exil und lebte von 1968 bis 1976 in Paris. Dort war sie von 1972 bis 1976 Professorin an der Sorbonne.[5]

Die erste Phase ihrer künstlerischen Tätigkeit widmete Lygia Clark der Malerei und Bildhauerei. Clark’s frühe Werke sind unbunte monochrome Malereien in Schwarz, Weiss und Grau. Spätere geometrische Abstraktionen sind häufig auch farbig.[5]

Ab 1963, mit dem Werk Caminhando/Gehend, orientierte sich Lygia Clark künstlerisch neu und begann zunächst interaktive Objekte und später interaktive Installationen zu entwickeln. Ihre Objeto Sensoriais versteht sie als „lebende Organismen“, die Form und Sinn erhalten, wenn der Körper des Betrachters mit ihnen in Beziehung tritt.[6][7] Mit der Serie Bichos fordert Clark den Rezipienten heraus, schöpferisch tätig zu werden.

Die außergewöhnliche Bedeutung von Lygia Clarks späten Werken liegt darin, dass sie die Einschränkung der Betrachtung von Kunst auf das Sehen überwindet und um Hören, Fühlen, Riechen, Tasten, sowie die Einbeziehung körperlicher Erfahrung durch verschiedene Körperhaltungen erweitert. Auch die Erfahrung einer Zeitspanne bezieht sie in ihre interaktiven Konzeptionen mit ein. So wird ihre Kunst zu einem subjektiven Erlebnis innerhalb der Anordnung eines Kontextes. Zum Ausdruck bringt sie diesen Anspruch unter anderem dadurch, dass sie ihre Kunstwerke „Angebote“ und die Betrachter „Teilnehmer“ nennt.

Clarks Werke nach 1963 sind nur durch Teilnehmer sinnlich erfahrbar, die sie manipulieren. Kunstmuseen, in denen das Anfassen von Kunstwerken traditionell nicht zugelassen ist, haben ihre Türen nicht immer für diese Art von experimentellem Werk geöffnet, so dass eine Zeitlang kaum neue Werke von Clark in musealen Ausstellungen vertreten waren. Posthum werden die späten Installationen der, 1988 an einem Herzinfarkt verstorbenen, Künstlerin Lygia Clark, einem breiten Kunstpublikum zugänglich gemacht.[8]

Bichos/ Kreaturen/ Ungeziefer (ab 1959–1963)

Die ungefähr siebzig Werke der Serie Bichos bestehen aus handlichen, beweglichen Aluminiumscheiben, Dreiecken, Quadraten oder Kreissegmenten aus rostfreiem Stahl, Aluminium oder sind vergoldet. Verbunden sind die einzelnen Elemente durch Scharniere und dazu gedacht, vom Betrachter/Teilnehmer beliebig umgestaltet zu werden.[9]

Máscaras Sensoriais/ sensuelle Masken (1967)

Diese Serie von Werkstücken besteht aus farbigen Hauben/Masken, in die Samen, Kräuter, aber auch Hindernisse, die das Sehen beeinträchtigen, oder Elemente, die Geräusche produzieren, eingenäht sind.[10]

A casa é o corpo/ Das Haus ist der Körper (1968)

Das Haus ist der Körper ist eine begehbare Installation von Lygia Clark. „Durch einen Vorhang aus schwarzen, fest gespannten Gummibändern gelangt man in eine dunkle Kammer. Der Boden fühlt sich weich an. Man hat das Gefühl, dass er zu Wackeln beginnt. Durch einen zweiten Vorhang aus Gummibändern geht es weiter. Nun läuft man durch Luftballons. Danach ein Plastikzelt. Ein Gebläse geht an und nach einiger Zeit wieder aus. Sich duckend, kriechend führt der Weg in die nächste dunkle Kammer. Hier sind es kleine Plastikbälle, die auf dem Boden ausgebreitet sind. Durch einen letzten Vorhang, diesmal aus bunten Baumwollschnüren, tritt man hinaus – und sieht sich selbst, in einem verzerrten Spiegel.“[11]

Baba Antropofágica/ kannibalistischer Speichel (1973)

Baba Antropofágica ist eine interaktive, von Lygia Clark konzipierte Performance, bei der Akteure aus ihren Mündern (wie Spinnen aus ihrem Körper) eingespeicheltes, farbiges Garn herausziehen und eine am Boden liegenden Person damit in einen dichten Kokon hüllen, den sie später gemeinsam wieder entfernen.[12]

Ausstellungen (Auswahl)

Auszeichnungen und Ehrungen (Auswahl)

  • 1958 und 1960 Guggenheim International Award[16]
  • Anlässlich ihres 95. Geburtstages am 23. Oktober 2015 wurde Clark mit einem Google Doodle geehrt.[17]

Literatur

  • Das Verlangen nach Form, O Desejo da Forma: Neoconcretismo und zeitgenössische brasilianische Kunst. Akademie der Künste, Berlin 2010, ISBN 978-3-88331-162-3 (Ausstellungskatalog, 3. September bis 7. November 2010, Akademie der Künste). Darin Lygia Clark: S. 86–91 (Abbildungen), S. 174–183 (Texte).
  • Lygia Clark: The Abandonment of Art by Sergio Bessa, Cornelia Butler, Luis Pérez-Oramas, Lygia Clark, The Museum of Modern Art, New York, 2014 (englisch) ISBN 978-0-87070-8-909
  • Lygia Clark von Guy Brett, Manuel J. Borja-Villel, Fundacio Antoni Tapies, 1997, ISBN 978-8-48878-6-203

Dokumentationen

  • 1984 Memory of the Body, von Eduardo Clark
  • 1973 The World of Lygia Clark, with Anna Maria Maiolino

Weblinks

Commons: Lygia Clark – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Deutschlandradio Kultur Zwischen Konzeptkunst und Heilung abgerufen am 14. Juni 2015.
  2. a b The New York Times, Roberta Smith: See Me. Feel Me. Maybe Drool on Me. abgerufen am 26. Juni 2015 (englisch).
  3. What You Won't Find at MoMA's Lygia Clark Show: Lygia Clark abgerufen am 14. Juni 2015 (englisch).
  4. Erstdruck: Jornal do Brasil, Sonntagsbeilage vom 22. März 1959. Deutsche Übersetzung in: Hot Spots. Rio de Janeiro / Torino – Milano / Los Angeles, 1956 bis 1969. Kunsthaus Zürich, Steidl, Göttingen 2008, S. 33–37.
  5. a b BBC culture Jason Farago: Lygia Clark: Nice to look at, lovely to hold abgerufen am 14. Juni 2015.
  6. universes in universe documenta X abgerufen am 14. Juni 2015.
  7. Manifesta Journal Archive for a Work-Event: Activating the Body's Memory of Lygia Clark's Poetics and its Context / Part 1 abgerufen am 14. Juni 2015 (englisch).
  8. Transversal Texts, Suely Rolnik: Das Gedächtnis des Körpers kontaminiert das Museum abgerufen am 14. Juni 2015.
  9. Die Zeit, Sebastian Preuss: Mit Hüftschwung Lygia Clarks humanistische Kreaturen abgerufen am 14. Juni 2015.
  10. Interartive, Christina Grammatikopoulou: The Therapeutic Art of Lygia Clark abgerufen am 14. Juni 2015 (englisch)
  11. Schirn Magazin, Alexander Jürgs: Kunst für alle Sinne: Installationen von Lygia Clark abgerufen am 14. Juni 2015.
  12. Medienkunstnetz Lygia Clark Baba antropofágica abgerufen am 14. Juni 2015.
  13. documenta X short guide/Kurzführer. Ostfildern 1997, ISBN 3-89322-938-8, Seite 44
  14. Frieze, Vivian Rehberg:Lygia Clark (Memento vom 2. Juni 2015 im Internet Archive) abgerufen am 14. Juni 2015 (englisch)
  15. Schirn:Brasiliana. Installationen von 1960 bis heute (Memento vom 28. Juni 2015 im Internet Archive) abgerufen am 14. Juni 2015
  16. Alison Jacques Gallery:Lygia Clark (Memento vom 22. Juni 2015 im Internet Archive), abgerufen am 9. Dezember 2022 (englisch).
  17. 95. Geburtstag von Lygia Clark. Abgerufen am 23. Oktober 2020.

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Autor/Urheber: Luizpuodzius, Lizenz: CC BY-SA 4.0
pintora e escultora brasileira