Luischen
Luischen ist eine Erzählung von Thomas Mann, die 1900 zunächst in der literarischen Zeitschrift Die Gesellschaft publiziert wurde und 1903 in der Novellensammlung Tristan erschien.
Inhalt
Der 40-jährige Rechtsanwalt Christian Jacoby ist „mehr als beleibt“, ein „wahrer Koloß von einem Manne“ mit Beinen wie ein „Elefant“ und einem Rücken wie ein „Bär“, dazu ein kleiner Kopf mit einem „winzigen Mund“ sowie „wässerigen Äuglein, herabhängende Wangen“. Seine 30-jährige Gattin Amra dagegen ist „jung und schön, eine Frau von ungewöhnlichen Reizen“ und südländischer Üppigkeit. Doch sie verfügt nur über ein „Spatzenhirn“ und hat bisweilen einen „lüsternen, verschlagenen Blick“. Das wohlhabende kinderlose Ehepaar lebt nebeneinanderher. Amra betrügt ihren Christian mit dem jungen und kecken Komponisten Alfred Läutner. Die ganze Stadt weiß davon, nur der gehörnte Ehemann nicht. Der kniet mitunter nachts vor dem Bett seiner einschlafenden Amra und beteuert ihr seine Liebe. Die sinnliche, boshafte Frau aber hat für den unterwürfigen Gatten nur einen verächtlichen Blick. Wie einen Hund vertröstet sie ihn mit den Worten: „Ja! - Ja! - Du gutes Tier -!“
Eines Frühlings verfällt Amra auf die Idee, in einem Gartenlokal ein großes Fest für mehr als 150 Herrschaften auszurichten. Christian gibt widerstrebend sein Einverständnis. Zum Vorbereitungskomitee gehört außer dem Ehepaar, einer Sängerin, einem Maler, einem Dichter und einem Schauspieler auch der Komponist Läutner. Als das Komitee tagt, verblüfft Amra die Runde mit dem Vorschlag, Christian möge – gleichsam als „Clou“ und Hauptattraktion – im „rotseidenen Babykleide“ auftreten und der Gesellschaft etwas vorsingen und tanzen. Ganz aus der Fassung weist Christian die unerhörte Zumutung mehrfach zurück. Läutner hingegen ist begeistert, denn er soll etwas Passendes für den Hausherrn komponieren und ihn zusammen mit Amra am Klavier begleiten.
Als Christian am gleichen Abend der einschlafenden Amra seine Liebe beteuert und erneut bei ihr abblitzt, gibt er schließlich zerknirscht das Einverständnis zu seinem Auftritt. Läutner komponiert das lächerliche Couplet „Luischen“. Die Party steigt und die Stimmung ist großartig – bis Christians großer Augenblick kommt. Als er unförmig und hässlich wie ein plumper Tanzbär mit hilflosen Bewegungen das rosarote Luischen gibt und dabei von dem ehebrecherischen Pärchen Amra und Alfred akkompaniert wird, liegt das „Grauen“ in aller Augen und der „Skandal“ ist perfekt. Luischens Blick wandert zwischen den atemlosen Publikum und dem Paar am Piano hin und her. Es ist, als sei der Tänzer, erregt durch den Wechseln in eine andere Tonart, die Alfred Läutner überraschend anschlägt, zu einer „Erkenntnis“ gekommen. Schlagartig gehen ihm die Augen auf. All das ist zu viel für den schwerfälligen Bären. Tot bricht er auf der Bühne zusammen.
Rezension
- In der „Neuen Zürcher Zeitung“ würdigt Hesse[1] am 5. Dezember 1903 das bis dato vorliegende Mannsche Werk, nimmt aber „Luischen“, weil es das „Burleske“ allzu nahe tangiere, von seinem pauschalen Lobspruch explizit aus.
Literatur
- Ausgaben
- Thomas Mann: Novellen. 2 Bände. Fischer, Berlin 1922. Erste bis zehnte Auflage. 373 Seiten. Gesammelte Werke. Band 1: Der kleine Herr Friedemann – Enttäuschung – Der Bajazzo – Tobias Mindernickel – Luischen – Der Weg zum Friedhof – Die Hungenden – Der Kleiderschrank – Gladius Dei – Ein Glück – Beim Propheten
- Thomas Mann: Sämtliche Erzählungen. Band 1, Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 1987, ISBN 3-10-348115-2, S. 147–165.
- Lesung
- Thomas Mann: Der kleine Herr Friedemann / Luischen. 2 Kassetten, 108 Minuten. Sprecher: Gert Westphal. Verlag Litraton, Hamburg 2000, ISBN 3-89469-166-2.
- Sekundärliteratur
- Volker Michels (Hrsg.): Hermann Hesse. Die Welt im Buch I. Rezensionen und Aufsätze aus den Jahren 1900–1910. (= Hermann Hesse. Sämtliche Werke in 20 Bänden. Band 16). Suhrkamp, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-518-41116-0.
- Hans R. Vaget in: Helmut Koopmann (Hrsg.): Thomas-Mann-Handbuch. Kröner, Stuttgart 2001, ISBN 3-520-82803-0, S. 561 f.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Michels, S. 56, 19. Z.v.o.