Luftbildarchäologie

Arbeitsplatz und Ausrüstung eines Luftbildarchäologen
Historische Luftbildkamera, 1950
Positive und negative Bewuchs-merkmale am Beispiel des Kastells Inheiden.
Schnee- und Feuchtemerkmale am Beispiel des Kastells Dambach (Januar 2023).

Luftbildarchäologie oder archäologische Flugprospektion oder Luftbildprojektion ist eine Forschungsmethode der Archäologie, bei der archäologische Überreste oder anthropogene Bodenstörungen aus größerer Höhe fotografiert werden. Dabei werden unterschiedliche Luftfahrzeuge eingesetzt, z. B. Flugzeuge, Hubschrauber, Ballone und auch Drohnen.

Die Auswertung von zweckfremden Bilddaten mit internetbasierten Werkzeugen wird als virtuelle Luftbildarchäologie bezeichnet, wofür unterschiedliche Online-Quellen zur Verfügung stehen.[1] Zur Recherche werden unter anderem Aufnahmen von Erderkundungssatelliten (Satelliten- oder Weltraumarchäologie), Google Earth[2] (seit 2004), Geodatenportale[3] und Airborne Laserscans genutzt.[4][5]

Klassische und virtuelle Luftbildarchäologie sind neben der Begehung die wichtigsten Teilgebiete der Prospektion.

Geschichte

Die Anfänge der Luftbildarchäologie liegen in England. Den ersten Versuch, eine archäologische Stätte aus der Luft zu fotografieren, machte 1906 Leutnant P. H. Sharpe aus einem Ballon des Militärs heraus. Als er bei einer Übung über Salisbury vom Wind in Richtung des Steinkreises von Stonehenge abgetrieben wurde, richtete er geistesgegenwärtig seine Kamera nach unten.

Als Begründer der wissenschaftlichen Luftbildarchäologie gilt der britische Pilot Osbert Crawford, der nach dem Ersten Weltkrieg vom Flugzeug aus archäologische Fundstätten in England fotografierte. Die vor allem 1924 mit A. Keiller gemachten Aufnahmen veröffentlichte er 1928 in dem Werk Wessex from the Air. Er stellt darin erstmals die Luftbildarchäologie als eigene Forschungs- und Prospektionsmethode dar und nicht als Ersatz für Bodenmessungen. Als weiterer Pionier der Luftbildarchäologie gilt Erich Friedrich Schmidt, der für seine Mitarbeit bei den Ausgrabungen in Persepolis berühmt wurde.

Bekannt ist auch die wissenschaftliche Auswertung von Luftbildern des Deutsch-Türkischen Denkmalschutzkommandos (Kite Aerial Photography) und der bayerischen Fliegerabteilung 304 aus dem Ersten Weltkrieg in der Palästina-Archäologie. Besonders intensiv genutzt wurde sie nach 1991 zur archäologischen Erkundung der vormals zur DDR gehörenden Regionen. Ein Beispiel hierfür ist die Slawenburg Gana.

Einsatzgebiete

Grundriss eines gallo-römischen Lagerhauses

Die Luftbildarchäologie wird zur flächendeckenden und wirtschaftlichen Erkundung von Bodendenkmalen eingesetzt. Bekannte Denkmäler werden mit Hilfe der Luftbildarchäologie auf Anzeichen von Veränderungen oder Gefährdung hin untersucht. Ausgrabungen werden mit Luftbildern vorbereitet, unterstützt und dokumentiert. Bis dato unbekannte Denkmäler können anhand spezieller Merkmale lokalisiert werden, wobei selbst komplett verschüttete vorzeitliche Anlagen aufgrund ihres Einflusses auf die Vitalität der darüber wachsenden Vegetation erkundet werden können. Da die Luftbildarchäologie eine Art der Fernerkundung ist, kann sie andere archäologische Methoden am Boden, wie die geophysikalische Prospektion, Begehung, Bohrung (Pürckhauer) oder Sondage nicht ersetzen.

Bei unter Wasser liegenden Siedlungsspuren oder früheren Hafenanlagen lässt sich die Luftbildarchäologie unter günstigen Umständen, wie eine ruhige Wasseroberfläche und hohe Wasserdurchsichtigkeit, bis in etwa drei Meter Wassertiefe einsetzen.

Aufgrund der Zunahme von Raubgrabungen wird der Standort der Fundorte nur noch ungefähr in den Publikationen angegeben.

Merkmale im Boden und Bewuchs

Schemazeichnung zur Abhängigkeit des Boden-Bewuchses von der Bodenbeschaffenheit.

Bodendenkmäler können aus der Luft durch verschiedene Merkmale angezeigt werden:

  • Bewuchsmerkmal: Beobachtet werden Vegetationsanomalien, welche sowohl über Mauerresten als auch über inzwischen verfüllten Gräben auftreten.
  • Schattenmerkmal: Erscheint über noch nicht ganz eingeebneten Fundstellen und lässt diese durch Schatten sichtbar werden. Vor allem am späten Abend zu beobachten.
  • Schnee- und Reifmerkmal: In der winterlichen Landschaft machen Schneeverwehungen auch minimale Niveauunterschiede sichtbar. Des Weiteren führen die schon beim Bewuchsmerkmal auftretenden Bodenunterschiede in Feuchtigkeit und Kälte zur Herausbildung von Schnee- und Reifmerkmalen.
  • Flutmerkmal: Entsteht meist in Überschwemmungsgebieten oder auf sehr sumpfigem Untergrund.
  • Feuchtemerkmal: Zeichnet sich nach heftigen Regenfällen ab. Über Mauerresten trocknet der Boden schneller und über verfüllten Gräben langsamer als die Erde in der Umgebung.

In der Satellitenarchäologie treten weitere Daten aus der Erdvermessung hinzu, die bei der Überfliegung mit Flugzeugen in das Gebiet der Geophysikalischen Archäologie fallen, wie Infrarotbilder, Magnetometrie oder Radar. Mit den modernen Satellitengenerationen stehen solche Daten Mitte der 2010er in ausreichender Detailgenaue im Dezimeterbereich zu Verfügung, um zumindest bauliche Strukturen zu identifizieren.

Beispiele von Entdeckungen durch Luftbildarchäologie

Bekannte Luftbildarchäologen

Siehe auch

Literatur

  • Helmut Becker (Hrsg.): Archäologische Prospektion. Luftbildarchäologie und Geophysik. Karl M. Lipp Verlag, München 1996, ISBN 3-87490-541-1 (Bayern. Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege 59).
  • Otto Braasch, Kirsten Thiel: Vom heiteren Himmel ... Luftbildarchäologie. Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte, Esslingen 2005, ISBN 3-9808926-1-1 (Porträt Archäologie 1).
  • Jörg Bofinger: Flugzeug, Laser, Sonde, Spaten. Fernerkundung und archäologische Feldforschung am Beispiel der frühkeltischen Fürstensitze. Regierungspräsidium Stuttgart, Landesamt für Denkmalpflege, Esslingen a. N. 2007 (online [PDF; 5,8 MB; abgerufen am 13. Dezember 2010]).
  • Judith Oexle (Hrsg.): Aus der Luft – Bilder unserer Geschichte. Luftbildarchäologie in Zentraleuropa. Landesamt für Archäologie Sachsen mit Landesmuseum für Vorgeschichte, Dresden 1997, ISBN 3-910008-20-8 (Ausstellungskatalog).
  • Thomas R. Lyons u. a.: Aerial Remote Sensing Techniques in archeology. Chaco Center – National Park Service – U.S. Dept. of the Interior, Albuquerque NM 1977 (Reports of the Chaco Center 2).
  • Dieter Planck, Otto Braasch, Judith Oexle, Helmut Schlichtherle: Unterirdisches Baden-Württemberg. 250.000 Jahre Geschichte und Archäologie im Luftbild. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1994, ISBN 3-8062-0497-7.
  • Gustaf Dalman: Hundert deutsche Fliegerbilder aus Palästina. Bertelsmann, Gütersloh 1925, (Schriften des Deutschen Palästina-Instituts 2, ZDB-ID 510394-0).
  • Georg Gerster: Flug in die Vergangenheit. Archäologische Stätten der Menschheit in Flugbildern. Herausgegeben von Charlotte Trümpler. Verlag Schirmer-Mosel, München 2005, ISBN 3-8296-0190-5 (Ausstellungskatalog).
  • Stephan W. E. Blum, Frank Schweizer, Rüstem Aslan: Luftbilder antiker Landschaften und Stätten der Türkei. Mit Flugbildern von Hakan Öge. Philipp von Zabern, Mainz 2006, ISBN 3-8053-3653-5 (Antike Welt Sonderheft; Zaberns Bildbände zur Archäologie).
  • Klaus Leidorf, Baoquan Song, Eckhard Heller: Luftbildarchäologie. Archäologische Spurensuche aus der Luft, WBG Theiss, Darmstadt 2019, ISBN 978-3-8062-3887-7
  • Johannes Nollé, Hertha Schwarz: Mit den Augen der Götter. Flugbilder des antiken und byzantinischen Griechenlandes. Das Festland. Mit Flugbildern von Georg Gerster. Philipp von Zabern, Mainz 2004, ISBN 3-8053-3379-X (Antike Welt Sonderheft; Zaberns Bildbände zur Archäologie).

Audio

Weblinks

Commons: Luftbildarchäologie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Bilder

Einzelnachweise

  1. Virtuelle Luftbildarchäologie mittels Geodaten in: Leidorf, Song, Heller: Luftbildarchäologie., S. 114–121 (siehe Literatur)
  2. Eckhard Heller: Virtuelle Luftbildarchäologie im Internet in: VDV-Magazin 1/2007, S. 18–19
  3. Eckhard Heller: Multisensorale Datentöpfe für die Virtuelle Archäologische Flugprospektion am Beispiel des Brandenburg-Viewer in: VDV-Magazin 4/2015, S. 308–311
  4. The Space Archaeologists. popsci.com; Archaeology. (Memento desOriginals vom 6. Dezember 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.jpl.nasa.gov jpl.nasa.gov; Spying on the Past: Declassified Satellite Images and Archaeology (Memento desOriginals vom 25. Januar 2020 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.peabody.harvard.edu peabody.harvard.edu, abgerufen am 15. März 2011.
  5. CORONA Satellite Imagery-based Digital Archaeological Atlas of the Near East. cast.uark.edu; Satellite photography helps uncover lost city of Altinum. sciencefocus.com, abgerufen am 16. März 2011.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Ausrüstung Luftbildarchäologie.jpg
Autor/Urheber: Baoquan Song, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Zur Ausrüstung des Luftbildarchäologen Baoquan Song gehört u.a. eine Kamera mit GPS, so dass bei jedem Foto Position und Richtung gespeichert werden. So können auch nach langen Flügen die Bilder einzelnen Fundstellen problemlos zugeornet werden
Barzan.jpg
Autor/Urheber: Jacques DASSIÉ, Lizenz: CC BY 2.5
Aerial photo of BARZAN (17) Moulin du Fâ: The great avenue & the horrea. The traces of the Gallo-Roman city of Novioregum. On the left, there is the Grande Avenue, lined with shops. In the center, the horrea, state warehouses, involving goods storage, a prelude to a transhipment to the port area & boarding on coastal cabotage vessels. Novioregum was undoubtedly a port.
Luftbildkamera.jpg
Historische Luftbildkamera

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ARC Identifier: 542195

CAMERA TRI-POD, JET PROPELLED. Cameramen mount a giant aerial camera in the nose of a speedy but otherwise unarmed U.S. Air Force jet fighter for a reconnaissance mission over communist North Korea. T/Sgt. Harry M. Hanst, 29, of 6512 Ventnor Avenue, Ventnor City, New Jersey and Cpl. Peter E. Grant, 21, 130 South First Street, Perth Amboy, New Jersey are the technicians installing the important "weapon." , ca. 08/1950
Luftbild des Kastells Inheiden.jpg
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Schanze "Inheiden 2" und Numeruskastell aus südöstlicher Richtung. Gut erkennbar ist der versetzte Eingang zur Schanze, Teile des Kastellgrabens, die Lagerhauptstrasse sowie die Principia mit Querhalle und die kleinen Räume um den Innenhof.
Luftbild des Kastell Dambach.jpg
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Schnee- und Feuchtemerkmale am Beispiel des Kastells Dambach.