Lokomotivfabrik der StEG
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Die Lokomotivfabrik der StEG wurde 1839 als erste Lokomotivfabrik im Kaisertum Österreich gegründet und schuf viele einflussreiche Lokomotivkonstruktionen.
Geschichte
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Die von Mathias Schönerer konzipierte Fabrik wurde 1839 von der Wien-Raaber Bahn zwischen dem Wiener Süd- und Ostbahnhof erbaut und großteils mit aus England stammenden Maschinen bestückt, da man diese hierzulande noch nicht herstellen konnte. Einen sehr großen Einfluss auf die Entwicklung des Lokomotivbaus in Österreich übte vor allem der erste Direktor der Fabrik, der Engländer John Haswell aus. Er hatte die Maschinenfabrik geplant und leitete diese über den Zeitraum von 1840 bis 1882.
Die feierliche Eröffnung der Fabrik erfolgte am 21. April 1840 durch Erzherzog Johann.[1] Die ersten Lokomotiven und Waggons wurden im selben Jahr nach amerikanischem Vorbild gefertigt. Diese waren auch die ersten in Österreich hergestellten Eisenbahnfahrzeuge. Die Herstellung der Fahrzeuge war insofern schwierig, als es zu dieser Zeit in Österreich noch keine Eisengießerei gab und auch die Arbeiter keine diesbezügliche Schulung besaßen. Zu den bahnbrechenden Lokomotiven, die diese Fabrik in den frühen Jahren ihres Bestehens verließen, zählen die erste dreifach gekuppelte Lokomotive des Kontinents FAHRAFELD (1846), die Semmeringwettbewerbsmaschine VINDOBONA (1851) und die erste vierfach gekuppelte Lokomotive WIEN-RAAB (1855).
Im Jahre 1855 ging die Fabrik in den Besitz der priv. Österreichisch-ungarischen Staatseisenbahngesellschaft (StEG) über und nannte sich fortan k.k. landesbefugte Maschinen-Fabrik in Wien der privilegirten österreichisch-ungarischen Staats-Eisenbahn-Gesellschaft. Die meist als StEG abgekürzte Fabrik wurde unter ihrer Führung mehrfach vergrößert und modernisiert. Unter dem technischen Leiter der StEG, Wilhelm Freiherr von Engerth, wurden von der Fabrik Engerth-Stütztenderlokomotiven in großer Anzahl hergestellt. Seit 1860 exportierte das Unternehmen als erste Wiener Maschinenfabrik auch ins Ausland. Kunden waren Bahnen u. a. in Russland, Deutschland, Spanien, Griechenland, der Schweiz, Italien und Ägypten.
Ab 1862 baute man mit den Engerth-Fink-Stützttenderlokomotiven für die Banater Montanbahn der StEG die ersten fünffach gekuppelten Lokomotiven der Welt. Im selben Jahr konstruierte der Leiter der Fabrik John Haswell eine dampfhydraulische Schmiedepresse, mit der es erstmals möglich wurde große Eisenteile im Gesenk zu schmieden. Dadurch konnten z. B. Kuppelstangen schneller und in größerer Anzahl hergestellt werden. Diese Presse mit 700 Tonnen Druck wurde auf der Weltausstellung in London präsentiert und erhielt dort eine Goldmedaille.
1864 war die Fabrik Opfer einer Wirtschaftskrise, in diesem Jahr wurden nur fünf Lokomotiven und 136 Waggons gefertigt. Das Unternehmen zeigte sich jedoch flexibel und lieferte auch Erzeugnisse außerhalb ihrer eigentlichen Produktpalette, wie z. B. die eiserne Turmhaube des unvollendeten Nordturms des Wiener Stephansdoms. Glanzstück dabei war eine 14 Meter lange eiserne Helmstange von einer Tonne Gewicht, ein Stück, welches in Wien damals nur die Maschinenfabrik der StEG fertigen konnte.
Ab 1866 stiegen die Produktionszahlen merklich, Grund dafür war ein weiterer Ausbau des österreichischen Bahnnetzes. 1870 fertigte man bereits die 1000. Lokomotive, welche den Namen „Kaiser Franz Josef“ erhielt und auf der Wiener Weltausstellung präsentiert wurde. In dieser Zeit wurden neben Lokomotiven auch Waggons (bis 1873) sowie Dampfmaschinen, Dampfkessel, Stahlbrücken, Lokomobile und Dampfhämmer gefertigt. 1873 arbeiteten 1.400 Mitarbeiter in der Fabrik, im selben Jahr wurde eine zweite Haswell-Presse mit bereits 1.200 Tonnen Pressdruck aufgestellt (siehe Bild in der Galerie).
Die StEG betrieb ab 1855 im heute rumänischen Reșița ein eigenes Stahlwerk, dessen Hauptaufgabe die Herstellung von Eisenbahnschienen und Weichen sowie die Zulieferung für die Wiener Fabrik war. Die Lokomotivproduktion hatte dort aber nur eine untergeordnete Bedeutung, bis 1918 wurden gerade einmal 7 Dampflokomotiven produziert. Auch im nahen Steierdorf (Anina) wurde ein eigenes Eisenwerk betrieben, das ebenfalls der Wiener Fabrik zulieferte. Im Banat besaß die StEG ausgedehnte Besitzungen mit eigenen Bergwerken, das dort verhüttete Eisen kam auch in der Lokomotivfabrik in Wien zur Anwendung.
1879 wurde die Lokomotivfabrik als erste Wiener Fabrik mit elektrischer Beleuchtung ausgerüstet, in den Jahren 1887 bis 1900 erfolgte eine umfangreiche Modernisierung. Auch die Auftragszahlen stiegen wieder kräftig an, zwischen 1888 und 1902 wurden 1000 Lokomotiven produziert. Daneben erweiterte man das Produktionsprogramm um Schiebebühnen, Dampfwinden, elektrisch angetriebene Kräne, Pumpen, Bahnsicherungsanlagen und ähnliches. Im Jahr 1900 wurde mit 100 Stück die höchste in einem Jahr erzeugte Anzahl an Lokomotiven erreicht. 1902 verließ die 3.000. Lokomotive die Werkshallen.
Die StEG deckte ihren Bedarf an Maschinen fast ausschließlich in der eigenen Fabrik, in welcher zeitweise rund 1.500 Beschäftigte arbeiteten. Obwohl sie im Besitz der Eisenbahngesellschaft war, lieferte sie nicht nur exklusiv an diese. Beispielsweise ließ die Südbahngesellschaft viele ihrer Lokomotiven in der Fabrik bauen. Auch die k.k. österreichischen Staatsbahnen zählten zu den Kunden der Lokomotivfabrik, ebenso die später neu entstandenen BBÖ. Das Unternehmen lieferte im Ersten Weltkrieg unter erschwerten Bedingungen weiterhin Lokomotiven an die Südbahn, die k.k. Staatsbahnen, die Heeresverwaltung und die k.u.k Feldbahn. Im September 1915 verließ mit der von Chefkonstrukteur Hans Steffan entworfenen SB 570.01 pünktlich zum 75. jährigen Bestandsjubiläum die 4.000 Lokomotive die Werkshallen.[1]
Niedergang
Bedingt durch die Folgen des Ersten Weltkriegs ergab sich nur mehr ein geringer Absatz an Lokomotiven innerhalb des geschrumpften österreichischen Staatsgebiets. Dennoch konnten mit der von Hans Steffan entwickelten 2´D h2 – Schnellzugslok Reihe 113 sowie den Elektroloks Reihe 1029 und Reihe 1280 drei markante Typen an die junge BBÖ geliefert werden. Zudem beteiligte sich die StEG-Fabrik 1919 an der Gründung der ersten polnischen Lokomotivfabrik Fablok in Chrzanów.
Eine Weile konnte der sinkende Absatz noch durch Auslandsaufträge, beispielsweise für den SHS-Staat und Griechenland, zeitweise kompensiert werden. Doch 1929 geriet die Muttergesellschaft StEG durch den Zusammenbruch ihrer Hausbank, der Allgemeinen Bodenkreditanstalt in eine schwere finanzielle Krise. Der neue Eigner Creditanstalt ging an eine Fusionierung der vier noch existierenden österreichischen Lokomotivfabriken, an deren Ende die Wiener Lokomotivfabrik Floridsdorf als einzige weiter bestehen sollte. Daher musste die Lokomotivfabrik der StEG im Jahr 1930 nach insgesamt 4.843 gebauten Lokomotiven ihre Tore schließen. Der Maschinenpark und unvollendete Lokomotiven wurden von Floridsdorf übernommen. Auf dem Gelände der Fabrik befindet sich heute der Wiener Hauptbahnhof.
Konstrukteure
Zu den Konstrukteuren, welche in der Fabrik oder in Zusammenarbeit mit dieser wirkten, zählten unter anderem Wilhelm von Engerth, Pius Fink, Ernest Polonceau, Ernst Beutel, Louis Adolf Gölsdorf, Rudolf Sanzin sowie Hans Steffan, welcher bis zur Schließung der Chefkonstrukteur der Fabrik war. Karl Gölsdorf, einer der bekanntesten österreichischen Lokomotivkonstrukteure, war wie bereits sein Vater der Fabrik verbunden. Er arbeitete von 1884 bis 1891 für die StEG-Fabrik, zunächst als Konstrukteur und später als Leiter der Lokomotivfertigung. Bernhard Demmer, unter Haswell Chefkonstrukteur der Fabrik, gründete 1869 die konkurrenzierende Wiener Lokomotivfabrik Floridsdorf.
Bilder
Werksansichten
- Haswell-Presse in der StEG-Fabrik (1873)
- Kesselschmiede der StEG-Fabrik
- Mechanische Werkhalle der StEG-Fabrik zur Fabrikation von Kuppelstangen
- Montagehalle der StEG-Fabrik 1901
Lokomotiven
- C´ n2 - Güterzuglok GKB 671 (1860), ex Südbahn Reihe 29. Älteste betriebsfähige Lokomotive der Welt.
- D´ n2 - Güterzuglok StEG V (1868–1880) „Kaiser Franz Josef“ - 1000. Lokomotive der Fabrik
- 1´B´1 n2 - Schnellzugslok StEG II 161-190 (1886–1896) nach französischen Vorbildern
- (c) Rainerhaufe, CC BY-SA 3.0D´ n2 - Güterzugslok StEG Vg (1894–1900)
- 2´C´ n2 - Hügelland-Schnellzuglok kkStB Reihe 9 von Karl Gölsdorf (ab 1898)
- 2´C´n4v - Schnellzuglok der Staatseisenbahngesellschaft, Reihe 36.5 (1902/1904)
- C´ - n2T - Lokalbahnlok kkStB 97 (1904)
- D´n2 - Güterzuglok kkStb 73.372 (StEG 3286/1906) im Eisenbahnmuseum Ljubljana
- 1´C´1 h2v - Personenzuglok kkStB 429 von Karl Gölsdorf (ab 1909)
- D´n2 - k.u.k Heeresfeldbahn-Lokomotive Reihe 4 (1909–1917)
- 2´C´h2 - Schnellzugslok Reihe 109.13 der Südbahngesellschaft (1910), konstruiert von Hans Steffan
- E´ h2v - Güterzugslok kkStB 80 zweite Serie von Karl Gölsdorf (1911–1915)
- 1´E h2 - Gebirgslok der Südbahngesellschaft für die Brennerbahn (1912–1920 in 77 Exemplaren)
- (c) Herbert Ortner, CC BY 4.02´C´1-h2t Tenderlok Reihe 629 der Südbahn (Nr. 3883/1913), erste Tenderlok der Welt in Pacific-Achsfolge
- 1´C´1 - Elektrolok der Reihe BBÖ 1029 (1923–1925) für den Verkehr auf den Talstrecken der Arlbergbahn und die Salzkammergutbahn.
- 2´D´ h2 - Schnellzuglok BBÖ Reihe 113 (1923–1928 in 40 Exemplaren)
- 1´D´1 h2t - Lokalbahnlokomotive BBÖ 378.78 (später ÖBB 93.1378, StEG Nr. 4797/1927), in den Originalzustand zurückversetzt auf der Kandertalbahn
Literatur
- John Haswell (Hrsg.): Locomotive Typen der k. k. landesbef. Maschinen-Fabrik in Wien der k. k. priv. Österr. Staats-Eisenbahn-Gesellschaft. J. Weiner, Wien 1873
- E. Stroh: Die achtzehn Millionen der Staats-Eisenbahn-Gesellschaft. Jahoda & Siegel, Wien 1912
- Franz Mathis: Big Business in Österreich. Österreichische Großunternehmen in Kurzdarstellungen. Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1987, ISBN 3-7028-0256-8.
- Adolph Giesl-Gieslingen: Die Ära nach Gölsdorf. Die letzten drei Jahrzehnte des österreichischen Dampflokomotivenbaus. Verlag Slezak, Wien 1981, ISBN 3-900134-37-5
- Thomas Prüfer: Dampf, Stahl und heißes Wasser. 150 Jahre Austria Email. Austria Email AG, Knittelfeld 2005.
- Alfred Horn: Eisenbahn Bilderalbum 16 – Die k.k. privilegierte österreichisch-ungarische Staats-Eisenbahn-Gesellschaft. Bohmann Verlag, Wien 2012, ISBN 978-3-99015-020-7.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b ÖNB-ANNO - Die Lokomotive. Abgerufen am 22. November 2023.
Koordinaten: 48° 11′ 6,5″ N, 16° 22′ 48,1″ O
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E 225.001 auf einer Eisenbahnausstellung in Ústí nad Labem.
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580.03 im Eisenbahnmuseum Strasshof
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Werkfoto der Schnellzugslok SB 570.01 der Südbahngesellschaft mit SB 19 als Vergleich (1915)
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Locomotive Ol12-7
Kesselschmiede der StEG-Fabrik
Hydraulische Presse in der StEG-Fabrik, im Hintergrund der Pneumatikkessel oder Zylinder, dessen Kolben oder Balg die Hochdruck-Hydraulikkolbenpumpe anschiebt.
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GKB 671 im Grazer Köflacherbahnhof.
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Locomotive BEB Class I Kladno in National technicak museum Prague
Werksfotografie einer Schnellzuglokomotive der kkStB-Reihe 9
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Südbahn 109.13 in Graz Köflacher Bahnhof
Montagehalle der StEG-Fabrik
kkStB 30.29 im grauen Fotografieranstrich, Werksfoto von 1897
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Die Denkmallokomotive StEG 3714 vor dem „Museum Fahrzeug-Technik-Luftfahrt“ an der Adresse Sulzbach 178 (unmittelbar neben der Salzkammergutstraße B 145) in Sulzbach, ein Ortsteil der oberösterreichischen Stadt Bad Ischl.
Die Dampflok wurde von der Lokomotivfabrik der StEG (Staatseisenbahngesellschaft) 1910 gebaut und war bis in die 1930er Jahre als eigene Werklok im Einsatz. Nach Schließung der Lokomotivfabrik wurde sie ab 1934 als Werksbahn der Zuckerfabrik Siegendorf eingesetzt.
Autor/Urheber:
unbekannt
, Lizenz: PD-alt-100Lok der kkStB-Reihe 280 an einem Wasserkran
Werksfoto der k.u.k. Heeresbahn-Dampflok 4.27 der Lokomotivfabrik der StEG bei Auslieferung, 1909 veröffentlicht auf einem Lokomotiv-Datenblatt der StEG-Werke
(c) Herbert Ortner, CC BY 4.0
629.01 der Österreichischen Südbahn bzw. 77.66 der ÖBB im Eisenbahnmuseum Strasshof, Niederösterreich
Autor/Urheber: C.Stadler/Bwag, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Die Lokomotive „Steinbrück“ im Technischen Museum im 14. Wiener Gemeindebezirk Penzing.
Die Dampflokomotive „Steinbrück”, benannt nach einem Eisenbahnknoten in der Untersteiermark im heutigen Slowenien, ist die älteste erhaltene Dampflok österreichischer Fertigung und war auf der Südbahn im Einsatz. Gebaut wurde sie 1848 von der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn-Actien-Gesellschaft (1855 Umbenennung in Maschinenfabrik der k.k. priv. österreichischen Staatseisenbahn-Gesellschaft; Kurform: Lokomotivfabrik der StEG). 1864 wurde sie an die Graz-Köflacher Bahn abgegeben und 1878 in der Station Voitsberg abgestellt. Seit 1914 ist die 12 m lange und 25 t schwere Lok (Bauartbezeichnung 2’B n2) ein Museumsausstellungsstück (lt. Infotafel vor Ort).
Güterzuglokomotive 661 KAISER FRANZ JOSEF der StEG
mechanische Werkhalle der StEG-Fabrik
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Ex-kkStB Class 73 0-8-0 goods locomotive 73.372 (later operated as JŽ 133-005), on display at the Railway Museum of Slovenian railways (also known as the Slovenian Railway Museum), Ljubljana, Slovenia.
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Heizhaus Strasshof, 310.23
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Museumslokomotive 33.132 der B&B (ex BBÖ 113.32) in Graz-Köflacherbahnhof.
John Haswell
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Lok der Kandertalbahn, BBÖ 378.78
Autor/Urheber: Rolf-Dresden, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Denkmallokomotive JZ 28.006 (ex kkStB 80) in Divača, Slowenien