Literalsinn

Der Literalsinn (lateinisch sensus litteralis von littera „Buchstabe“) bezeichnet den einfachen bzw. wörtlichen Sinn einer sprachlichen Äußerung. Der Terminus wird in jüngeren Verwendungen v. a. auf diejenige Weise bezogen, wie Wörter oder Wendungen normalerweise verwendet werden.[1]

In der Antike und im Mittelalter wurden insbesondere bei religiösen Texten mehrere Sinnebenen unterschieden (vgl. Vierfacher Schriftsinn). Oft wurde bei erzählenden Texten der Literalsinn als „historischer Sinn“ (lat. sensus historicus) bezeichnet. Gemeint war damit die Wiedergabe des äußeren Geschehens, wie es – nach modernem Wissensverständnis – auch durch historische Methoden ermittelt werden kann. Viele mittelalterliche Autoren, beispielsweise Thomas von Aquin, gebrauchen aber den Begriff sensus litteralis bzw. sensus historicus in einem erweiterten Sinne.

Abgrenzung des Begriffs

Die Ausweitung der Bedeutung eines Textes „über den Literalsinn hinaus beginnt bereits bei der typologischen Auslegung oder Typologie (altgriechisch τύποςtypos = ‚Urbild, Vorbild‘), bei der eine reale Person oder ein Geschehen mit einer anderen Person bzw. einem anderen Geschehen in Bezug gesetzt wird“.[2]

Ein Gegenbegriff ist übertragener Sinn (sensus metaphoricus) bzw. figurativer Sinn. Viele rhetorische Stilmittel (Sprachfiguren) haben einen übertragenen Sinn.

Von Literalismus wird gesprochen, wenn ein Textverständnis sich reduktiv auf den Literalsinn beschränkt – insbesondere in Bezug auf religiöse Texte. Viele Religionswissenschaftler verbinden ein solches Textverständnis mit religiösem Fundamentalismus.[3]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Katarzyna M. Jaszczolt, Ken Turner (Hrsg.): Meaning Through Language Contrast. Vol. 2. John Benjamins Publishing, Philadelphia 2003, ISBN 1-58811-207-1, S. 141.
  2. Joachim Vette: Bibelauslegung, christliche. In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart 2006 ff., abgerufen am 25. März 2013.
  3. Vgl. z. B. Martin Riesebrodt: Fundamentalismus als patriarchalische Protestbewegung. Tübingen 1990, S. 19f.