Liste der frühneuzeitlichen Universitäten in Europa

Die Universität Altdorf bei Nürnberg 1714

Die Liste der frühneuzeitlichen Universitäten in Europa führt alle Universitäten auf, die in Europa in der Frühneuzeit (1501–1800) gegründet wurden. Sie beinhaltet auch kurzlebige Gründungen und Bildungsinstitutionen, deren Universitätsstatus von der Forschung noch nicht abschließend geklärt ist. Der Betrieb der mittelalterlichen Universität wurde in der Neuzeit fortgeführt und ihre Anzahl stieg von ungefähr achtzig auf nahezu zweihundert an.[1] Während die universitas nun auch in Osteuropa bis nach Moskau Einzug hielt, kam es in ihren Stammlanden zu einer neuen Gründungswelle, die durch die Konkurrenz des Protestantismus und der durch die Jesuiten angeführten Gegenreformation befeuert wurde. Gleichzeitig errichteten Spanier und Briten Kolonialuniversitäten und Colleges in der Neuen Welt und leiteten so die globale Verbreitung der Universität als höchste Bildungsstätte der Gegenwart ein (siehe Liste der ältesten Universitäten).[2]

Definition

Eine Kurzdefinition der Universität mit ihren wesentlichen Merkmalen, wie sie sich im Mittelalter und der Frühneuzeit herausgebildet haben, bietet die mehrbändige Geschichte der Universität in Europa der Europäischen Rektorenkonferenz:

„Die Universität ist eine, ja die europäische Institution par excellence: Als Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden, ausgestattet mit besonderen Rechten der Selbstverwaltung, der Festlegung und Ausführung von Studienplänen und Forschungszielen sowie der Verleihung öffentlich anerkannter akademischer Grade ist sie eine Schöpfung des europäischen Mittelalters...

Keine andere europäische Institution hat wie die Universität mit ihren überlieferten Strukturen und ihren wissenschaftlichen Leistungen in der ganzen Welt universale Geltung erlangt. Die Titel der mittelalterlichen Universität, Bakkalaureat, Lizenziat, Magistergrad, Doktorat, werden in den unterschiedlichsten politischen und ideologischen Systemen anerkannt. Die vier mittelalterlichen Fakultäten der Theologie, Jurisprudenz, Medizin und der Artes haben zwar teilweise andere Bezeichnungen erhalten. So wurde die Artistenfakultät zur philosophischen, zu derjenigen der lettres, sciences, humanities. Zahlreiche, vor allem sozialwissenschaftliche und technologische Disziplinen kamen hinzu, doch bilden die alten Fakultäten nach wie vor auf der ganzen Welt den Kern der Universitäten. Selbst der Name der universitas, der im Mittelalter für Genossenschaften unterschiedlichster Art gebraucht wurde und dementsprechend zunächst nur die korporative Organisation von Lehrern und Schülern bezeichnete, erhielt im Lauf der Jahrhunderte eine geistige Aufwertung: Als universitas litterarum verkörpert die Universität seit dem 18. Jahrhundert die Bildungsinstitution, welche die Gesamtheit der Wissenschaften zu pflegen und zu vermitteln hat.“[3]

Liste

Die Liste ist nach dem Zeitpunkt der Anerkennung sortiert. Wo mehr als eine Universität an einem Ort gegründet wurde, steht der Name der Institution in Klammern.

16. Jahrhundert

AnerkanntUniversitätHeutiges Land
1502[1]WittenbergDeutschland
1505[1]Sevilla (Santa Maria de Jesús)Spanien
1506Frankfurt (Oder)Deutschland
1516[1]Sevilla (Santo Tomás)Spanien
1521[1]ToledoSpanien
1526[1]Santiago de CompostelaSpanien
1527[1]MarburgDeutschland
1531[1][4]GranadaSpanien
1534[1]SahagúnSpanien
1539[1]NîmesFrankreich
1540[1]MacerataItalien
1540[1]OñateSpanien
1542[1]TournonFrankreich
1542[1]BaezaSpanien
1544[1]KönigsbergRussland
1547[1]GandiaSpanien
1548[1]MessinaItalien
1548[1]ReimsFrankreich
1548/49[1]OsunaSpanien
Um 1550[1]IracheSpanien
1550[1]AlmagroSpanien
1551[1]TortosaSpanien
1552[1]OrihuelaSpanien
1553[1]DillingenDeutschland
1555[1]Burgo de OsmaSpanien
1556[1]MailandItalien
1556[1]Prag (Collegium Clementinum)Tschechien
1556[1]Rom (Gregoriana)Italien
1557/58[1]JenaDeutschland
1558/59[1]ÉvoraPortugal
1559[1]GenfSchweiz
1559[1]NizzaFrankreich
1559/60[1]DouaiFrankreich
1560[1]MondovìItalien
1562[1]Ancona (it.)Italien
1565[1]Estella[unsicher 1]Spanien
1568[1]BraunsbergPolen
1570[1]OlmützTschechien
1572[1]Pont-à-MoussonFrankreich
1574[1]OviedoSpanien
1574[1]TarragonaSpanien
1575[1]LeidenNiederlande
1575/76[1]HelmstedtDeutschland
1576[1]ÁvilaSpanien
1578Neustadt an der WeinstraßeDeutschland
1578[1]PalermoItalien
1578[1]WilnaLitauen
1582/83[1]EdinburghSchottland
1583[1]OrthezFrankreich
1585[1]FermoItalien
1585[1]FranekerNiederlande
1585/86[1]GrazÖsterreich
1587[1]El EscorialSpanien
1587[1]GironaSpanien
1592[1]DublinIrland
1594[1]ZamośćPolen
1595[1]Aberdeen (Marischal College)Schottland
1596/1604[1]SaumurFrankreich
1598[1]MontaubanFrankreich
1599[1]VicSpanien
1599/1602[1]SedanFrankreich

17. Jahrhundert

AnerkanntUniversitätHeutiges Land
1601/04[1]DieFrankreich
1603[1]Aix-en-Provence (königliches Kolleg)Frankreich
1606[1]CagliariItalien
1607[1]GießenDeutschland
1612/14[1]GroningenNiederlande
1614[1]SolsonaSpanien
1614/16[1]PaderbornDeutschland
1617[1]SassariItalien
1617/18[1]MolsheimFrankreich
1619[1]PamplonaSpanien
1620[1]RintelnDeutschland
1620/25[1]SalzburgÖsterreich
1621[1]StraßburgFrankreich
1622[1]AltdorfDeutschland
1625[1]MantuaItalien
1629/32[1]OsnabrückDeutschland
1632[1]DorpatEstland
1633[1]KasselDeutschland
1635[1]TyrnauUngarn
1636[1]UtrechtNiederlande
1640[1]ÅboFinnland
1647/48[1]HarderwijkNiederlande
1648[1][4]BambergDeutschland
1652[1]KielDeutschland
1654[1]DuisburgDeutschland
1655[1]NijmegenNiederlande
1657[1]KaschauSlowakei
1661[1]LembergUkraine
1665[1]PrešovSlowakei
1666/68[1]LundSchweden
1668[1]InnsbruckÖsterreich
1671[1]UrbinoItalien
1671[1]MontbéliardFrankreich
1674[1]LinzÖsterreich
1685[1]StraßburgFrankreich
1691[1]BesançonFrankreich
1693/94[1]HalleDeutschland

18. Jahrhundert

AnerkanntUniversitätHeutiges Land
1701[1]La LagunaSpanien
1702[1]BreslauPolen
1714/17[1]CerveraSpanien
1722[1]DijonFrankreich
1722[1]PauFrankreich
1724[1]St. PetersburgRussland
1727[1]CamerinoItalien
1727[1]Rom (Angelicum)Italien
1732/34[1]FuldaDeutschland
1733/37[1]GöttingenDeutschland
1735[1]RennesFrankreich
1742/43[1]ErlangenDeutschland
1748[1]AltamuraItalien
1755[1]MoskauRussland
1760[1]BützowDeutschland
1765[1]CorteFrankreich
1768[1]NancyFrankreich
1769[5]MaltaMalta
1771[1][6]MünsterDeutschland
1772/73[1]ModenaItalien
1777[1]BonnDeutschland
1781[1]StuttgartDeutschland
1783[1]MurciaSpanien

Anmerkungen

  1. Status oder Betrieb als Universität fragwürdig

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z aa ab ac ad ae af ag ah ai aj ak al am an ao ap aq ar as at au av aw ax ay az ba bb bc bd be bf bg bh bi bj bk bl bm bn bo bp bq br bs bt bu bv bw bx by bz ca cb cc cd ce cf cg ch ci cj ck cl cm cn co cp cq cr cs ct cu cv cw cx cy cz da db dc dd de df dg dh di dj dk dl dm dn do Frijhoff 1996, S. 81–86
  2. Roberts, Rodriguez & Herbst 1996, S. 213–232
  3. Rüegg 1993, S. 13f.
  4. a b Jílek 1984, S. 75–322
  5. Universität Malta: History (Memento vom 30. Juni 2011 im Internet Archive) (englisch)
  6. Westfälische Wilhelms-Universität Münster: Geschichte

Literatur

  • Rüegg, Walter: „Vorwort. Die Universität als europäische Institution“, in: Rüegg, Walter (Hrsg.): Geschichte der Universität in Europa. Bd. I: Mittelalter, C. H. Beck, München 1993, ISBN 3-406-36952-9, S. 13f.
  • Roberts, John; Rodriguez Cruz, Agueda M.; Herbst, Jürgen: „Die Übernahme europäischer Universitätsmodelle“, in: Rüegg, Walter (Hrsg.): Geschichte der Universität in Europa. Bd. II: Von der Reformation zur Französischen Revolution (1500–1800), C. H. Beck, München 1996, ISBN 3406-36953-7, S. 213–232
  • Jílek, Jubor (Hrsg.): Historical Compendium of European Universities/Répertoire Historique des Universités Européennes, Standing Conference of Rectors, Presidents and Vice-Chancellors of the European Universities (CRE), Genf 1984
  • Frijhoff, Willem: „Grundlagen“, in: Rüegg, Walter (Hrsg.): Geschichte der Universität in Europa. Bd. II: Von der Reformation zur Französischen Revolution (1500–1800), C. H. Beck, München 1996, ISBN 3406-36953-7, S. 53–102 (81–86)
  • Verger, Jacques: „Grundlagen“, in: Rüegg, Walter (Hrsg.): Geschichte der Universität in Europa. Bd. I: Mittelalter, C. H. Beck, München 1993, ISBN 3-406-36952-9, S. 49–80 (70f.)

Siehe auch

Auf dieser Seite verwendete Medien