Liste der Stolpersteine in der Provinz Varese

(c) Christian Michelides, CC BY-SA 4.0
Stolperstein in Saronno

Die Liste der Stolpersteine in der Provinz Varese enthält die Stolpersteine, die vom deutschen Künstler Gunter Demnig in der norditalienischen Provinz Varese verlegt wurden. Diese Provinz liegt in der Region Lombardei. Stolpersteine erinnern an das Schicksal der Menschen, die von deutschen Nationalsozialisten ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Sie liegen im Regelfall vor dem letzten selbstgewählten Wohnsitz des Opfers. Die ersten Verlegungen in der Provinz Varese erfolgte am 19. Januar 2017 in Tradate. Die italienische Übersetzung des Begriffes Stolpersteine lautet: pietre d’inciampo.

Verlegte Stolpersteine

Die Tabellen sind teilweise sortierbar; die Grundsortierung erfolgt alphabetisch nach dem Familiennamen.

Saronno

In Saronno wurden zwei Stolpersteine in zwei Adressen verlegt.

StolpersteinÜbersetzungStandortName, Leben
Stolperstein für Pietro Bastanzetti (Saronno).jpg
(c) Christian Michelides, CC BY-SA 4.0
HIER WOHNTE
PIETRO BASTANZETTI
GEBOREN 1901
VERHAFTET AUS POLITISCHEN GRÜNDEN
17.3.1944
DEPORTIERT
MAUTHAUSEN
ERMORDET 2.6.1944
GUSEN
Via RamazzottiPietro Bastanzetti wurde am 19. August 1901 in Vittorio Veneto geboren, wuchs aber in Mailand auf, wo seine Familie 1902 hinzog. Mit zwölf Jahren begann er zu arbeiten, abends besuchte er die Abendschule und schaffte den Mittelschulabschluss. Schließlich arbeitete er als Abteilungsleiter bei der Motomeccanica in der Via Oglio. 1932 heiratete er Agnese Banfi und sie zogen 1934 nach Saronno. Bastanzetti und seine Frau wurden Eltern zweier Söhne, Giancarlo (geboren 1935) und Maurizio (geboren 1938) 1943 wurde er in den Betriebsrat gewählt. Er beteiligte sich an der Organisation der Streiks in den Jahren 1943 und 1944 und widmete sich dem antifaschistischen Kampf. Bastanzetti wurde am 17. März 1944 verhaftet, zuerst im Gefängnis San Vittore, Mailand, inhaftiert und drei Tage später nach Bergamo gebracht. Dort kann ihn seine Familie noch ein paar mal besuchen, einmal in Begleitung eines Mitarbeiters von Pietro Bastanzetti. Dieser schlägt einen Austausch vor, da er keine Familie hatte, wollte er für Bastanzetti in Haft gehen, doch dieser lehnte den Austausch ab. Am 5. April 1944 wurden 400 Menschen von Bergamo in das KZ Mauthausen deportiert, unter ihnen auch Pietro Bastanzetti. Am 8. April kamen die Gefangenen in Mauthausen an, Bastanzetti erhielt die Häftlingsnummer 61562 und wurde im Außenlager Gusen in der Werkstatt der Messerschmitt-Werke als Zwangsarbeiter eingesetzt. Die Bedingungen im Lager verschlechterten seinen Gesundheitszustand rapide. Am 1. Juni 1944 trugen ihn zwei Mithäftlinge ins Krankenrevier, mit Schlägen und Tritten wurde der mit 39,5 Grad fiebernde wieder rausgeworfen. Pietro Banstanzetti verlor sein Leben nur wenige Stunden später, am nächsten Tag sahen die zwei Mithäftlinge, die ihn ins Krankenrevier getragen hatten, seine Leiche auf einem Leichenhaufen vor dem Krematorium.[1][2]

Ein Brief an seine Mutter vom März 1944 ist erhalten geblieben:

„Ich vertraue Dir meine Kinder an, damit sie unter Deiner und der Obhut ihrer Mutter zu guten, tugendhaften, gerechten, an Körper und Geist gesunden Menschen heranwachsen, auf dass sie zu Verteidigern der Erniedrigten und Helfern der Armen werden und dass alles Gute, das von ihnen kommt, nicht dem Eigeninteresse entspringt. Gott ist mein Zeuge, wie ich sie liebe, und dennoch wünsche ich eher ihren Tod, als dass sie zu diesem Abschaum der Menschheit gehören, der so viel Schlechtes getan hat und gegenwärtig tut.“

Pietro Bastanzetti, 23. März 1944
Stolperstein für Luigi Caronni (Saronno).jpg
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HIER WOHNTE
LUIGI CARONNI
GEBOREN 1906
VERHAFTET 3.3.1944
DEPORTIERT 1944
MAUTHAUSEN
ERMORDET 23.4.1945
Via Caronni, 2Luigi Caronni wurde 1906 in Saronno geboren. Er führte einen Zeitungsladen und lebte gemeinsam mit seiner Mutter und seiner Schwester. Caronni war religiös, wurde sehr geschätzt und wurde allgemein als guter Mensch beschrieben. Er schloss sich dem Widerstand an und trat der Brigate Garibaldi bei, einer Partisaneneinheit. Am 3. März 1944 wurde er verhaftet und im San-Vittore-Gefängnis von Mailand interniert, später in Bergamo. Von dort hätte er flüchten können, verzichtete jedoch, weil er niemanden Repressalien aussetzen wollte. Er wurde am 5. April 1944 in das KZ Mauthausen deportiert, der Transport langte drei Tage später, am 8. April 1944, dort an. Luigi Caronni bekam die Nummer 61595 und wurde zur Zwangsarbeit in einem Steinbruch eingeteilt. Er freundete sich mit dem Maler Aldo Carpi an, der Zeuge seines schmerzhaften Sterbens war. Luigi Caronni verlor sein Leben am 23. April 1945, kurz vor Befreiung des Konzentrationslagers.[3][4]

Eine Straße in Saronno trägt seinen Namen. Der Rotary Club von Saronno stiftete eine Gedenktafel.[5]

Tradate

In Tradate wurden drei Stolpersteine an einer Adresse verlegt.

StolpersteinÜbersetzungStandortName, Leben
Stolperstein für Enzo Levy.jpg
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HIER WOHNTE
ENZO LEVY
GEBOREN 1922
VERHAFTET 12.11.1943
DEPORTIERT 1943
AUSCHWITZ
BEFREIT
Corso Paolo Bernacchi 2Enzo Levy wurde am 28. September 1922 in Verona geboren. Seine Eltern waren Edgardo Levy und Egle Segrè Levy. Er hatte eine Schwester, Eva Maria (geboren 1921). Die Familie lebte in Turin. Nach dem Inkrafttreten der italienischen Rassengesetze beschloss Familie Levy in die Schweiz zu flüchten. In Tradate versuchten sie Fluchthelfer für die Überquerung der Grenze zu finden, während dieser Zeit lebten sie im Haus der Familie Sternfeld in der Villa Truffini. Am 12. November 1943 wurde die Familie hier verhaftet. Sie waren fast vier Wochen im Mailänder Gefängnis, bis sie am 6. Dezember 1943 vom Gleis 21 des Mailänder Hauptbahnhofs mit dem Transport Nr. 5 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurden. Der Transport kam am 11. Dezember 1943 in Auschwitz an. Seine Mutter wurde unmittelbar nach der Ankunft in eine der Gaskammern ermordet. Enzo Levy und seine Schwester überstanden die Selektion und wurden zur Zwangsarbeit eingeteilt. Enzo bekam die Nummer 168007 und kam in das Arbeitslager Monowitz, eine Produktionsstätte für synthetischen Kautschuk, während seine Schwester Eva im Mädchenorchester von Auschwitz Geige spielen musste. Seine Schwester verlor am 6. Juni 1944 in Auschwitz, trotz ihrer privilegierten Stellung, ihr Leben. Enzo Levy konnte überleben und kehrte im Juni 1945 nach Turin zurück.[6] Am 26. Dezember 1958 nahm er sich in Rom das Leben.[7]

Sein Vater überlebte die Shoah. Der Bahnhofsvorsteher von Tradate rettete ihn am Bahnhof vor der Deportation, indem er ihn dazu brachte, in den falschen Zug zu steigen.

Stolperstein für Eva Maria Levy.jpg
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HIER WOHNTE
EVA MARIA LEVY
GEBOREN 1921
VERHAFTET 12.11.1943
DEPORTIERT 1943
AUSCHWITZ
ERMORDET 1944
Corso Paolo Bernacchi 2Eva Maria Levy
Eva maria Levi Segre.jpg
wurde am 13. September 1921 in Verona geboren. Ihre Eltern waren Edgardo Levy und Egle Segrè Levy. Sie hatte einen Bruder, Enzo (geboren 1922). Die Familie lebte in Turin. Nach dem Inkrafttreten der italienischen Rassengesetze beschloss Familie Levy in die Schweiz zu flüchten. In Tradate versuchten sie Fluchthelfer für die Überquerung der Grenze zu finden, während dieser Zeit lebten sie im Haus der Familie Sternfeld in der Villa Truffini. Am 12. November 1943 wurde die Familie hier verhaftet. Sie waren fast vier Wochen im Mailänder Gefängnis, bis sie am 6. Dezember 1943 vom Gleis 21 des Mailänder Hauptbahnhofs mit dem Transport Nr. 5 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurden. Der Transport kam am 11. Dezember 1943 in Auschwitz an. Ihre Mutter wurde unmittelbar nach der Ankunft in eine der Gaskammern ermordet. Die Geschwister überstanden die Selektion, wurden aber getrennt. Eva Maria Levy wurde als Geigerin in das Mädchenorchester von Auschwitz aufgenommen, ihr Bruder kam zur Zwangsarbeit in das Arbeitslager Monowitz. Ihr Bruder schafft es, ihr eine Nachricht zu schicken "Musik macht frei". Als das Instrument, das ihr ihr Vater 1938 gekauft hatte, zerbricht, ist dies ihr Todesurteil. Eva Maria Levy verlor ihre Privilegien und verlor am 6. Juni 1944 ihr Leben in Auschwitz.[8]

Ihr Bruder konnte überleben, kehrte im Juni 1945 nach Turin zurück, nahm sich jedoch im Dezember 1958 das Leben.[6] Auch ihr Vater überlebte, ein Bahnhofsvorsteher in Tradate rette ihn vor der Deportation, indem er ihn dazu brachte, in den falschen Zug zu steigen. Eva Maria Levys Geige wurde von ihrem Bruder gefunden und repariert, doch holte er das Instrument nie ab. Es gelangte in die Hände eines Sammlers, der die Geschichte der Geige erforschte. Als Violino della Shoah wurde sie berühmt. Sie befindet sich heute im Museo del Violino der Fondazione Antonio Stradivari in Cremona.[9] Ein Buch erschien 2018, Il Violino di Auschwitz, geschrieben von Anna Lavatelli.[10]

Stolperstein für Egle Segre Levy.jpg
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HIER WOHNTE
EGLE SEGRÉ LEVY
GEBOREN 1899
VERHAFTET 12.11.1943
DEPORTIERT 1943
AUSCHWITZ
ERMORDET
Corso Paolo Bernacchi 2Egle Segré Levy wurde am 10. Januar 1899 in Messina geboren. Ihre Eltern waren Gino Segré und Felicina Modena. Sie heiratete den Venedizianer Edgardo Levy, das Paar hatte zwei Kinder, beide geboren in Verona: Eva Maria (geboren 1921) und Enzo (geboren 1922). Nach dem Inkrafttreten der italienischen Rassengesetze beschloss Familie Levy in die Schweiz zu flüchten. In Tradate versuchten sie Fluchthelfer für die Überquerung der Grenze zu finden, während dieser Zeit lebten sie im Haus der Familie Sternfeld in der Villa Truffini. Am 12. November 1943 wurden sie hier verhaftet. Sie wurden zuerst fast vier Wochen im San-Vittore-Gefängnis in Mailand inhaftiert und von dort am 6. Dezember 1943 mit dem Transport Nr. 5 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Egle Segré Levy wurde unmittelbar nach der Ankunft des Transportes, am 11. Dezember 1943, in einer der Gaskammern ermordet.[11]

Die Kinder überstanden die Selektion und wurden zur Zwangsarbeit eingeteilt. Enzo kam in das Arbeitslager Monowitz, eine Produktionsstätte für synthetischen Kautschuk, während seine Schwester Eva im Mädchenorchester von Auschwitz Geige spielen musste. Sie verlor ihre Leben in der ersten Hälfte des Jahres 1944 in Auschwitz trotz ihrer privilegierten Stellung. Enzo Levy konnte überleben. Er kehrte im Juni 1945 nach Turin zurück, nahm sich jedoch im Dezember 1958 in Rom das Leben.[12][6]

Ihr Ehemann überlebte die Shoah. Der Bahnhofsvorsteher von Tradate rettete ihn am Bahnhof vor der Deportation, indem er ihn dazu brachte, in den falschen Zug zu steigen. Durch seine Meldung über das Verbrechen an seine Familie konnte ein Strafverfahren gegen eine Gruppe Soldaten eingeleitet werden.[13]

Verlegedaten

Die Stolpersteine in dieser Provinz wurden von Gunter Demnig persönlich an folgenden Tagen verlegt:

Siehe auch

Weblinks

Commons: Stolpersteine in Lombardy – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Memoria rinnovabile: Pietro Bastanzetti, abgerufen am 4. November 2020 (mit einer Fotografie)
  2. Raum der Namen - Die Toten des KZ Mauthausen: Bastanzetti Pietro 1901 - 1944, abgerufen am 4. November 2020
  3. A.N.P.I.: Saronno: iniziative per il giorno della Memoria dal 24 al 28 gennaio 2020, abgerufen am 5. November 2020
  4. a b Varese News: Posata la Pietra d’Inciampo in memoria del deportato Luigi Caronni, 26. Januar 2020
  5. Prima Saronno: Una pietra d’inciampo e una targa per Luigi Caronni, 26. Januar 2020 (mit einer Abbildung der Gedenktafel)
  6. a b c CDEC Digital Library: Levy, Enzo, abgerufen am 6. November 2020
  7. Memorie in cammino: Enzo Levy, mit einem Porträtfoto, abgerufen am 7. November 2020
  8. CDEC Digital Library: Levy, Eva Maria, abgerufen am 1. November 2020
  9. Il Violino della Shoah, abgerufen am 1. November 2020
  10. Eva Maria, la ragazza che portò un violino ad Auschwitz: così la musica sopravvive all'orrore, abgerufen am 7. November 2020
  11. Centro di Documentazione Ebraica Contemporanea CDEC Digital Library: Segré, Egle, mit einem Porträtfoto, abgerufen am 6. November 2020
  12. Anna Lavatelli: Il Violino Di Auschwitz, ISBN 978-8866991250
  13. Franco Giannantoni: GLI EBREI A VARESE TRA LA TEMPESTA DELLA GUERRA E IL MIRAGGIO DELLA SVIZZERA, in La Rassegna Mensile di Israel Vol. 69, No. 2, Saggi sull'ebraismo italiano del Novecento in onore di Luisella Mortara Ottolenghi, Tomo II, S. 463–494, Maggio - Agosto 2003, S. 453
  14. Manuel Sgarella: Posizionate le “Pietre d’Inciampo”. Per non dimenticare i Fratelli Levy, 19. Januar 2017, abgerufen am 31. August 2020
  15. VN Saronno/Tradate: Posata la prima pietra d’inciampo a Saronno. Assente l’Amministrazione, abgerufen am 31. August 2020

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Eva Maria Levi Segre prima della deportazione
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Stolperstein für Egle Segre Levy
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