Linienamt

k.k. Linienamt Währing (um 1890), geschlossen mit 1. Dezember 1891

Als Linienamt, kurz für k.k. Verzehrungssteuer-Linienamt, bezeichnete man jene mit Toren versehenen Kontrollpunkte, an denen in den meisten Teilen des Kaisertums Österreich[Anm. 1] die Verzehrungssteuer,[1] eine indirekte Konsumsteuer mit zwei verschiedenen Tarifklassen, erhoben wurde. Aufgrund dieser Steuer waren die Lebenshaltungskosten im Kernbereich der städtischen Agglomeration erheblich höher als an der Peripherie.[2]

Wien

Mit dem Gesetz zur Einführung der allgemeinen Verzehrungssteuer wurden mit 1. November 1829 die bis dahin in Österreich unter der Enns bestehenden Getränke- und Verzehrungsabgaben vereinigt und die Abgabe auf Genußmittel und Verbrauchsgegenstände in Wien sowie im Land und kleineren Städten wirksam.[3] Die zur Einhebung der allgemeinen Verzehrungssteuer bei der Einfuhr nach Wien bestimmten, einem Inspector unterstehenden Linienämter[4] und die zugehörigen, alle dem heiligen Johannes Nepomuk geweihten Linienkapellen standen zunächst am Linienwall,[5] der Außenbefestigung Wiens, welche die der Inneren Stadt nahe gelegenen Vorstädte umschloss.

Eine erste bedeutende örtliche Veränderung bei der Einhebung der Verzehrsteuer war die Öffnung des nördlichen Linienwalls als Durchlass für die im November 1837 in Betrieb gegangene Kaiser Ferdinands-Nordbahn. Mit 1. September 1838 nahm im Nordbahnhof ein k.k. Gefällsamt (später: Linienamt Nordbahn) seine Arbeit auf,[6] ausgestattet mit denselben Befugnissen wie das Verzehrungssteuer-Linienamt Am Tabor (heute: ON 7 bzw. Alliiertenstraße 2), das das Portal zu der in jener Zeit vom Tabor ausgehenden Prager Straße bildete. Das Linienamt Am Tabor war bis dahin das frequentierteste (und populärste) Amt im Einzug der Verzehrungssteuer, da es den Großteil des aus dem Norden und Osten des Kaisertums Österreich kommenden straßengebundenen Personen- und Wirtschaftsverkehrs beim Eintritt in die Stadt kontrollierte.[7] Die Bedeutung des Amtes am Tabor schwand empfindlich weiter durch die in den Jahren 1870 bis 1875 vollzogene Wiener Donauregulierung,[8] mit der eine gravierende Änderung der städtischen Verkehrserschließung einherging. 1875 wurde die Taborlinie aufgelassen,[9] Am Tabor wurde in der Folge vom Linienamt Nordbahn in seiner Stellung abgelöst, seine letzten Baureste wurden ab 1911 durch den neuen Liegenschaftseigentümer, die Gemeinde Wien, abgetragen.[10]

Als die Vororte eingemeindet und der Linienwall durch den Gürtel ersetzt wurde (1890–94), verlegte man auf Basis des Gesetzes vom 10. Mai 1890 wegen Änderung der Wiener Linienverzehrungssteuer und wegen Einführung der Linienverzehrungssteuer in mehreren Vororten von Wien[11] die Verzehrungssteuergrenzen nach außen.[12] Die Ämter an der Nussdorfer, Währinger sowie Hernalser Linie wurden mit 21. Dezember 1891 geschlossen, die 14 neu gebauten Linienämter[13] sowie andere in der Durchführungsverordnung vom 5. Juli 1891 benannten Abfertigungsstellen[14] nahmen mit diesem Tag den Betrieb auf.[15] Der Auftrag der k.k. Finanz-Landes-Direction für Oesterreich unter der Enns zum Bau der 14 Amtshäuser (sowie von sechs zugehörigen Bauten) war an die Wiener Baugesellschaft (* 1869, ab Mitte 1934 in Liquidation) vergeben worden, die am 29. April 1891 mit den Herstellungsarbeiten beginnen konnte und die Baulichkeiten bezugsfertig am 1. Oktober des Jahres zu übergeben hatte.[13]

Ende 1921 wurde im Nationalrat der Antrag zur Aufhebung der Verzehrungssteuer wegen geringer Einnahmen bei hohen Kosten gestellt;[16] die frei werdenden Linienämter wurden als Sitz von Sicherheitswachen[17] sowie für Wohnungen vorgesehen. Die Verzehrungssteuer wurde 1923 durch die (Mehrphasen-)Umsatzsteuer ersetzt.

Etliche der 1891 in den ehemaligen Vororten erbauten Linienamtsgebäude sind erhalten geblieben.

Noch erhaltene Linienamtsgebäude aus den 1890er-Jahren

Linienamt (Wien)
Mauer
Kaiser-Ebersdorf
Penzing
Neuwaldegg
Kahlenbergerdorf
Sievering
Neusteinhof
Atzgersdorf
Inzersdorf
Lagekarte der erhaltenen Linienämter in Wien
BildNameStandortDenkmalschutz
Linienamtkaiserebersdorf.jpgLinienamt Kaiser-Ebersdorf11., Dreherstraße 77
Koordinaten
nein

Linienamt Mauer.jpg
Linienamt Mauer13., Speisinger Straße 104
Koordinaten
nein
Linienamtpenzing.jpgLinienamt Penzing14., Linzer Straße 457
Koordinaten
nein

Linienamtsgebäude Neuwaldegg II.jpg
Linienamt Neuwaldegg17., Neuwaldegger Straße 59
Koordinaten
ja
Linienamtkahlenbergerdorfbaustelle.jpgLinienamt Kahlenbergerdorf19., Heiligenstädter Straße 357
Koordinaten
nein

Linienamt Sievering II.jpg
Linienamt Sievering[Anm. 3]19., Sieveringer Straße 275
Koordinaten
nein
Linienamtaltmannsdorf1.JPGLinienamt Neusteinhof23., Altmannsdorfer Straße 138
Koordinaten
nein

Breitenfurter Strasse 116.jpg
Linienamt Atzgersdorf23., Breitenfurter Straße 116
Koordinaten
ja
Linienamtinzersdorf.JPGLinienamt Inzersdorf23., Triester Straße 167
Koordinaten
nein

Graz

In Graz gab es bis zum Anschluss Österreichs 24 Mautstellen oder Linienämter an den Ausfallstraßen aus dem damaligen Stadtgebiet (nur I. bis VI. Bezirk). An diesen Stellen musste für in die Stadt einfahrende Fahrzeuge eine Straßenmaut namens „Pflastermaut“ und für „importierte“ Lebensmittel die Verzehrsteuer bezahlt werden. Für Bahnreisende gab es eigene Ämter an den beiden Bahnhöfen und für die Murschifffahrt eine Wassermautstelle. Die Beamten, die die Kontrollen durchführten, hießen „provisorische, städtische Finanzwacht-Aufseher-Aushilfe“ und wurden wegen ihrer grünen Uniform im Volksmund „Spinatwachter“ genannt. 1938 wurden die damaligen Randgemeinden von Graz eingemeindet, die Stadt erhielt die heutige Größe und die Mautstellen wurden abgeschafft. Heute sind diese Häuser oft Gasthäuser, zwei Stationsnamen von Straßenbahnlinien erinnern aber heute noch an sie. Dass diese Häuser auf der heute stadtauswärtigen Straßenseite liegen, zeigt, dass bis 1938 in der Steiermark links gefahren wurde.

BezirkStandortspätere Verwendung
AndritzGrabenstraße/Andritzer ReichsstraßeWohnhausHaltestelle Maut Andritz
PuntigamTriester Straße/Wagner-Jauregg-Str.Gasthaus „Alte Maut“Haltestelle Maut Puntigam
WaltendorfPlüddemanngasse/RuckerlberggasseUhrmacher
RiesRiesplatz beim LKHGasthof „Schanzlwirt“ (2013/2014 Umbau)
GöstingWiener Straße/Viktor-Franz-Str.
Mariatrostbeim HilmteichWohnhaus, Hilmteichstraße 97Haltestelle Schönbrunngasse
- SüdbahnHauptbahnhof
- OstbahnOstbahnhof
- MurWassermautstelle Gries

Um sämtliche Linienämter zu umfahren, musste man in Nord-Süd-Richtung die Alte Poststraße benutzen, die bis 1938 westlich am damaligen Graz vorbeiführte.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Regulirung der allgemeinen Verzehrungssteuer. In: Politische Gesetze und Verordnungen 1792–1848, Jahrgang 1829, Nr. 1829/74, S. 359–525. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/pgs.
  2. Die „Allgemeine Verzehrungssteuer“ – Einführung und Charakteristik. In: Hauer: Die Verzehrungssteuer 1829–1913, S. 6.
  3. Einführung der allgemeinen Verzehrungssteuer. In: Sammlung der Gesetze für das Erzherzogthum Oesterreich unter der Ens. Eilfter Theil, Jahrgang 1829, Nr. 1829/158, S. 487–573. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/pvs.
  4. Einführung der allgemeinen Verzehrungssteuer. (…) § 8. In: Sammlung der Gesetze für das Erzherzogthum Oesterreich unter der Ens. Eilfter Theil, Jahrgang 1829, Nr. 1829/158, S. 492. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/pvs.
  5. I.: Die Wiener Liniencapellen. In: Die Presse, Beilage Local-Anzeiger der „Presse“, Nr. 217/1891 (XLIV. Jahrgang), 9. August 1891, S. 9, unten, f. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/apr.
  6. Circularien. Circulare der k.k. Landesregierung im Erzherzogthume Oesterreich unter der Enns. In: Wiener Zeitung, Amts-Blatt, Nr. 196/1838, 27. August 1838, S. 279, oben links. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/wrz.
  7. St.j...vic: Am Tabor, S. 1.
  8. H. Elf.: Die Taborlinie. In: Neuigkeits-Welt-Blatt, Nr. 8/1888, 11. Jänner 1888, S. 9 (unpaginiert) unten. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nwb.
  9. Kleine Chronik. (…) Tabor-Linie. In: Wiener Zeitung, Nr. 16/1875, 21. Jänner 1875, S. 239, unten rechts (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/wrz.
  10. Die Taborlinie. Zur geplanten Demolierung des Linienamtes. In: Illustrierte Kronen-Zeitung, Nr. 4127/1911 (XII. Jahrgang), 28. Juni 1911, S. 4. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/krz.
  11. RGBl. 1890/78. In: Reichsgesetzblatt für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder, Jahrgang 1890, S. 125 ff. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/rgb.
  12. Gesetz, wegen Änderung der Wiener Linienverzehrungssteuer und wegen Einführung der Linienverzehrungssteuer in mehreren Vororten von Wien. In: Reichsgesetzblatt für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder, Jahrgang 1890, RGBl. 1890/78, S. 125 ff. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/rgb.
  13. a b Baunachrichten. Wien. (…) Neue Linienamtsgebäude. In: Der Bautechniker, Nr. 17/1891, 24. April 1891, S. 252, Spalte 1. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/bau.
  14. Aenderung der Wiener Linien-Verzehrungssteur. In: Die Presse, Abendblatt, Nr. 215/1891 (XLIV. Jahrgang), 7. August 1891, S. 2, Mitte unten. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/apr.
  15. Petermann: Der Währinger Gürtel seit seiner Vollendung.
  16. Was gibt es Neues? (…) Aufhebung der Linienverzehrungssteuer. In: Deutsches Volksblatt / Deutsches Volksblatt. Radikales Mittelstandsorgan / Telegraf. Radikales Mittelstandsorgan / Deutsches Volksblatt. Tageszeitung für christliche deutsche Politik, Nr. 11838/1921 (XXXIII. Jahrgang), 24. Dezember 1921, S. 5, Mitte unten. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/dvb.
  17. Notizen. (…) Die bevorstehende Aufhebung der Linienverzehrungssteuer. In: Illustrierte Kronen-Zeitung, Nr. 7828/1921 (XXII. Jahrgang), 22. Oktober 1921, S. 5 Mitte. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/krz.

Anmerkungen

  1. Ausnahmen: Lombardisch-Venezianisches Königreich, Dalmatien und die quarnerischen Inseln, Ungarn, Siebenbürgen. – Siehe: Einzelnachweis Regulirung der allgemeinen Verzehrungssteuer, S. 359.
  2. Ab Einführung der Verzehrungssteuer, 1829, befand sich das zugehörige Linienamt 230 m weiter westlich, Am Tabor Nr. 361 (heute: Nr. 7, Caritas-Pflegeheim) und 360 (heute: Alliiertenstraße 2–4). – Siehe: Anton Ziegler (Hrsg.), Carl Vasquez (Hrsg.): Die kaiserl. königl. Haupt- und Residenzstadt Wien mit ihren Vorstädten und nächsten Umgebungen. Schade, Wien 1830, S. 24.
  3. Für das Erdgeschoß waren eine Amtskanzlei sowie zwei Wachzimmer vorgesehen, die beiden Obergeschoße hatten der Kasernierung von Wachen zu dienen. – Siehe: Communal-Nachrichten. (…) Die neuen Linienämter. In: Die Presse, Beilage Local-Anzeiger der „Presse“, Nr. 116/1891 (XLIV. Jahrgang), 28. April 1891, S. 15, Mitte links. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/apr.

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Linienamt Kahlenbergerdorf - momentan eine Baustelle
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Ehemaliges Linienamt Mauer in Wien-Speising, Ansicht von der Linienamtsgasse.
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Währinger Linienamt, an der Stelle der späteren Volksoper Wien. Rechts, Anschnitt (samt Turm): St.-Johannes-Nepomuk-Kapelle als Linienkapelle (abgebrochen in den 1890er Jahren und unweit davon als Neuplanung wieder errichtet).
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Teil des Auktionslots Die Gumpendorferlinie und Die Hundsturmer Linie
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Das denkmalgeschützte Linienamtsgebäude in der Neuwaldegger Straße 59 in Wien-Hernals.
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Positionskarte von Wien

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  • N: 48.33 N
  • S: 48.11 N
  • W: 16.17 O
  • O: 16.59 O
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