Lili Schönemann

Lili Schönemann
Gedenktafel in Offenbach

Anna Elisabeth Schönemann (* 23. Juni 1758 in Offenbach am Main; † 6. Mai 1817 in Krautergersheim im Elsass[1]) verh. von Türckheim ging als Goethes Verlobte „Lili“ in die Literaturgeschichte ein.

Leben

Lili Schönemann war die Tochter eines vermögenden Frankfurter Bankiers. Ihre Mutter entstammte der adligen Hugenottenfamilie d’Orville, die gemeinsam mit der Familie Bernard eine Fürstlich Isenburgsche privilegierte Schnupftabakfabrik in Offenbach am Main betrieb. Somit spielte sich ein Großteil der folgenden Liebesgeschichte, die Goethe im 17. Buch seiner Autobiographie "Dichtung und Wahrheit" ausführlich schildert, in Offenbach am Main ab, das damals als eine ländliche Idylle vor den Toren Frankfurts lag. Goethe hatte die musikalische Sechzehnjährige bei einem Hauskonzert der Familie Schönemann in Frankfurt am Main kennengelernt und sich im Frühjahr 1775 mit ihr verlobt. Beide standen in einem eigenartigen Liebesverhältnis zueinander, welches man ohne große Mühe aus Goethes Gedicht 'Lilis Park' herauslesen kann:

Ist doch keine Menagerie so bunt als meiner Lili ihre!
Sie hat darin die wunderbarsten Tiere
Und kriegt sie 'rein, weiß selbst nicht wie,
Die armen Prinzen allzumal,
In nie gelöschter Liebesqual!

Wenig später wird Goethe, der es sonst strikt vermied, seine Liebschaften in Texten mit dem wahren Namen zu erwähnen, deutlicher:

Sie streicht ihm mit dem Füßchen übern Rücken;
Er denkt im Paradiese zu sein.
Wie ihn alle sieben Sinne jücken!
Und sie - sieht ganz gelassen drein.
Ich küß' ihre Schuhe, kau an den Sohlen,
Ganz sachte heb ich mich und schwinge mich verstohlen
Leis an ihr Knie - am günst'gen Tag
Läßt sie's geschehn und krault mir um die Ohren. (…)
Doch hat sie auch ein Fläschchen Balsamfeuers,
Dem keiner Erde Honig gleicht,
Wovon sie wohl einmal, von Lieb' und Treu' erweicht,
Um die verlechzten Lippen ihres Ungeheuers
Ein Tröpfchen mit der Fingerspitze streicht.
Lili von Türckheim geb. Schönemann im Kreise ihrer Familie 1789

Schon nach einem halben Jahr wurde beider Eheversprechen wieder gelöst, denn die Elternhäuser standen der Verbindung ablehnend gegenüber, und Goethe selbst empfand Lili bald als Einengung seiner Lebensplanung. Dennoch konnte er Lili zeitlebens nicht vergessen (wie in „Dichtung und Wahrheit“ nachzulesen ist), hatte seinerzeit bei seiner ersten italienischen Reise sogar ihr Konterfei in einem Medaillon um den Hals mit über die Alpen genommen. Noch im Alter von 80 Jahren offenbarte Goethe seinem Vertrauten Friedrich SoretLili war die erste, die ich tief und wahrhaft liebte, und vielleicht war sie auch die letzte.

Drei Jahre nach der Trennung von Goethe heiratete Schönemann den Bankier Freiherrn Bernhard von Türckheim (Bernard-Frédéric de Turckheim), der später Bürgermeister von Straßburg und danach Präsident des dortigen Konsistoriums wurde. Während der französischen Revolution 1793 von der Jakobinerherrschaft bedroht, musste die Familie fliehen. Als Bäuerin verkleidet erreichte Lili mit ihren Kindern die deutsche Grenze. In der Emigration lebte sie einige Zeit in Erlangen, wo sich ihr überaus starker Charakter als Stütze der Familie bewährte. Später kehrte sie nach Straßburg zurück.

Am Anfang des 19. Jahrhunderts kam es noch einmal zu einem kurzen Briefwechsel mit Goethe, als sie ihn, allerdings vergeblich, um seine Protektion für einen jungen Bekannten bat. Als Vorbild zweier Frauengestalten Goethes, Stella und Dorothea, ging Lili Schönemann in die Literaturgeschichte ein. In Offenbach am Main erinnern vor allem der Lili-Tempel und der Lili-Park an das Geschehen.

Sie ist mit ihrem Gatten in der Privatkapelle der von Türckheims in Krautergersheim bestattet.

Siehe auch

  • Hier irrt Goethe

Literatur

  • Max KochTürckheim, Anna Elisabet v. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 39, Duncker & Humblot, Leipzig 1895, S. 2–6.
  • Friederike und Lili. Fünf Goethe-Aufsätze von Dr. Albert Bielschowsky. Mit einem Nachruf und dem Bildnis des Verfassers. Beck, München 1906
  • Franz Servaes: Goethes Lili. Frauenleben - Eine Sammlung von Lebensbeschreibungen hervorragender Frauen, Band 18. Verlag von Velhagen & Klasing, Bielefeld 1916
  • John Ries (Hrsg.): Die Briefe der Elise von Türckheim, geb. Schönemann. Goethes Lili. In: Frankfurter Lebensbilder Band 7. Englert und Schlosser, Frankfurt am Main 1924
  • Tobias Picard: Schönemann, Anna Elisabeth. In: Wolfgang Klötzer (Hrsg.): Frankfurter Biographie. Personengeschichtliches Lexikon. Zweiter Band. M–Z (= Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission. Band XIX, Nr. 2). Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-7829-0459-1., S. 325 f.
  • Jules Keller: Aus dem Alltagsleben einer Frankfurter Goethe-Freundin : unveröffentlichte Briefe der Anna Elisabeth Schönemann geborene d'Orville an ihre Tochter Lili in Straßburg (1778 - 1782). In: Contacts. Série 3, Études et documents 40, Lang, Bern 1997 ISBN 3-906754-90-1
  • Dagmar von Gersdorff: Goethes erste große Liebe Lili Schönemann, Inselverlag, Frankfurt 2002 ISBN 3-458-19229-8
  • Lili Schönemann, Krautergersheim, Goethe. In: Berühmte Frankfurter Frauen von Edith Dörken. Verlag Otto Lembeck, Frankfurt 2008 ISBN 978-3-87476-557-2

Weblinks

Commons: Anna Elisabeth Schönemann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Totenschein@1@2Vorlage:Toter Link/etat-civil.bas-rhin.fr (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. bei Les Archives Départementales du Bas-Rhin

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Marmorbüste des Bernard-Frédéric de Turckheim von Landolin Ohmacht. Ehemann von Anna Elisabeth Schönemann (* 23. Juni 1758 in Offenbach am Main; † 6. Mai 1817 in Straßburg, verh. Baronin von Türckheim), die als Goethes Verlobte „Lili“ in die Literaturgeschichte einging.
LiliSchoenemanGoethesVerlobteS46.jpg
Lili Schönemann (1758-1817), Goethes Verlobte. Pastellbild in Privatbesitz. Lili verlobte sich der junge Advokat Goethe zur Ostermesse 1775 nach einem Winter gesellschaftlichen Vergnügens und Mißvergnügens. Sie war die Tochter des Bankierswitwe Schönemann, geb. d'Orville. Trotz gegenseitiger starker Zuneigung konnte Goethe das Band nicht tragen. Spiegel seiner Liebe wurden seine Briefe an die Gräfin Stolberg und seine Liligedichte. In seinem letzten Briefe an Lili vom 14. Dezember 1807 gedachte Goethe der Tage, "die ich unter die glücklichsten meines Lebens zähle".
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Memorial plate for Johann Wolfgang Goethe and Lilly Schönemann