Li Shangfu
Li Shangfu (chinesisch 李尚福, Pinyin Lĭ Shàngfú, * Februar 1958 in Chengdu) ist ein chinesischer Raumfahrtingenieur und General der Volksbefreiungsarmee. Er war von August 2017 bis Oktober 2022 Leiter der Abteilung für Waffenentwicklung der Zentralen Militärkommission[1] und bis März 2023 Kommandant des bemannten Raumfahrtprogramms der Volksrepublik China. Seit dem 12. März 2023 ist er Verteidigungsminister der Volksrepublik China.[2]
Jugend und Studium
Li Shangfu wurde in Februar 1958 in Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan, geboren. Sein Vater war Li Shaozhu (李绍珠, 1911–1995), ein hochrangiger Offizier der Volksbefreiungsarmee, der 1934/35 den Langen Marsch mitgemacht, 1953 mit der Volksfreiwilligenarmee am Koreakrieg teilgenommen und ab 1954 zunächst als Stabschef, später als Kommandeur der 5. Division der Eisenbahntruppen der Volksbefreiungsarmee (中国人民解放军铁道兵, eine Pioniereinheit) wesentlichen Anteil am Aufbau der Infrastruktur Chinas hatte.[3] 1978 schrieb sich Li Shangfu an der Universität für Wissenschaft und Technik der Landesverteidigung der chinesischen Volksbefreiungsarmee in Changsha für Luft- und Raumfahrttechnik ein und trat in die Volksbefreiungsarmee ein, obwohl dies damals für Studenten nicht verpflichtend war. 1982 schloss er sein Studium mit dem Ingenieurdiplom ab.
Mondprogramm
Nach seinem Studienabschluss wurde Li Shangfu zu der auf der 27. Basis der chinesischen Volksbefreiungsarmee für Erprobung und Ausbildung, besser bekannt als Kosmodrom Xichang, stationierten Einheit 63790 abkommandiert, wo er zunächst als Techniker arbeitete.[4] Dann begann er jedoch, sich fortzubilden und studierte als Postgraduierter (研究生) am Institut für Automatisierungstechnik der Chongqing-Universität (重庆大学自动化学院).[5] Li Shangfu stieg in der Hierarchie auf und erlebte auf dem Kosmodrom den schweren Unfall am 15. Februar 1996 mit, als eine Changzheng-3B-Trägerrakete aufgrund eines Fehlers in ihrem Trägheitsnavigationssystem auf einen Berghang stürzte und bei der resultierenden Explosion 6 Menschen ums Leben kamen sowie 57 teils schwer verletzt wurden. Im Dezember 2003 wurde Li Shangfu zum Kommandanten des Kosmodroms Xichang ernannt, im Juli 2006 wurde er zum Generalmajor befördert. Gleichzeitig fungierte als Kommandant des Kosmodromsystems (发射场系统总指挥) des Mondprogramms der Volksrepublik China und war in dieser Eigenschaft verantwortlich für den Start der Mondsonden Chang’e 1 am 24. Oktober 2007 und Chang’e 2 am 1. Oktober 2010.[6] Beide Missionen waren erfolgreich, und im September 2013 wurde Li Shangfu als Stabschef beim damaligen Hauptzeugamt der Volksbefreiungsarmee nach Peking versetzt.[7]
Ende 2014 wurde Li Shangfu zum stellvertretenden Leiter des Hauptzeugamts befördert. Ein Jahr später wurde das Hauptzeugamt im Rahmen der Tiefgreifenden Reform der Landesverteidigung und des Militärs aufgelöst und an seiner Stelle bei der Zentralen Militärkommission die „Abteilung für Waffenentwicklung“ eingerichtet, die anders strukturiert war. Die Zuständigkeit für die Raumfahrtaktivitäten ging nun zum großen Teil an die zum 1. Januar 2016 neu gegründete Strategische Kampfunterstützungstruppe der Volksrepublik China. Als gelernter Raumfahrtingenieur wurde Li Shangfu zu der neuen Teilstreitkraft versetzt, übernahm dort den Posten des stellvertretenden Kommandeurs und fungierte gleichzeitig als Stabschef. Sein Aufgabengebiet war wieder die Betreuung des Mondprogramms, wo er nun den Posten eines Stellvertretenden Kommandanten (探月工程副总指挥) innehatte.[8]
Abteilung für Waffenentwicklung
Im August 2016 wurde Li Shangfu zum Generalleutnant befördert.[9] Ein Jahr später, im August 2017 wurde er zum Leiter der Abteilung für Waffenentwicklung der Zentralen Militärkommission ernannt.[10] Damit war er qua Amt auch Kommandant des bemannten Raumfahrtprogramms der Volksrepublik China.[11] Zwei Monate später, am 24. Oktober 2017, wurde er auf dem 19. Parteitag der KPCh in das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas gewählt.[12] Am 22. Oktober 2022 wurde er auf der Abschlusssitzung des 20. Parteitags in dieser Position bestätigt.[13]
Die Abteilung für Waffenentwicklung entwickelt nicht nur selbst Systeme wie den Flugzeugträger 001 oder die Chinesische Raumstation, sondern kauft auch Waffen aus dem Ausland, so zum Beispiel 2017 zehn russische Kampfflugzeuge vom Typ Suchoi Su-35 und 2018 Komponenten für das russische Boden-Luft-Raketen-System S-400 Triumf zur Bekämpfung von Kampfflugzeugen und Marschflugkörpern sowie von ballistischen Kurz- und Mittelstreckenraketen. Daraufhin belegte das Außenministerium der Vereinigten Staaten sowohl die Abteilung für Waffenentwicklung als Behörde als auch Li Shangfu persönlich im September 2018 auf der Basis des Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act mit Sanktionen. Die Sanktionen untersagen es der Abteilung für Waffenentwicklung, in den USA Finanztransaktionen zu tätigen – was diese ohnehin nicht macht – und Amerikanern, mit der Abteilung in Geschäftsbeziehungen zu treten.[14] Damit schlossen sich die USA auch unabhängig vom Wolf Amendment von einer Beteiligung an chinesischen bemannten Raumfahrtmissionen und vor allem von der Chinesischen Raumstation aus.
Am 31. Juli 2019 wurde Li Shangfu bei einer feierlichen Zeremonie im VBA-Gebäude in Peking von Xi Jinping, dem Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission, zum Viersternegeneral ernannt.[15] Im Oktober 2022 gab Li Shangfu sein Amt als Leiter der Abteilung für Waffenentwicklung an General der Luftwaffe Xu Xueqiang (许学强, * 1962) ab.[16] Seine Aufgabe als Kommandant des bemannten Raumfahrtprogramms behielt er jedoch bis zu seiner Ernennung zum Verteidigungsminister am 12. März 2023 bei.[17]
Verteidigungsministerium
Am 12. März 2023 wurde General Li Shangfu vom Nationalen Volkskongress auf Vorschlag von Premierminister Li Qiang als Nachfolger von General Wei Fenghe, dem ehemaligen Kommandeur der Raketenstreitkräfte, zum Verteidigungsminister der Volksrepublik China ernannt.[2] Auch in der Zentralen Militärkommission, sowohl der staatlichen als auch der der KPCh – beide Kommissionen sind personell identisch – nahm er die Nachfolge von Wei Fenghe ein. Für den Sitz in der Zentralen Militärkommission der Partei wurde er bereits am 23. Oktober 2022 auf dem 20. Parteitag der KPCh gewählt,[18] den Sitz in der staatlichen Kommission übernahm er mit seiner Ernennung zum Verteidigungsminister.[19]
Li Shangfu lehnte am 3. Juni 2023 auf der Sicherheitskonferenz Shangri-La-Dialog in Singapur ein Gesprächsangebot von US-Amtskollegen Lloyd Austin über den Taiwan-Konflikt ab. Vorher am Tage fuhr die USS Chung-Hoon (DDG-93) mit der kanadischen Fregatte HMCS Montreal (FFH-336) durch die Straße von Taiwan. Ein Kriegsschiff der Volksbefreiungsarmee kreuzte dabei den Bug der Chung-Hoon; der nächste Annäherungspunkt lag bei 137 Metern. Vom chinesischen Schiff wurden die Chung-Hoon aufgefordert den Kurs zu ändern, denn sonst drohe eine Kollision. Die Chung-Hoon reduziert darauf die Geschwindigkeit und änderte ihren Kurs. Li Shangfu warnte am 4. Juni 2023 bei einer Rede auf der Konferenz die USA vor einer Einmischung im Streit um Taiwan. Erneut drohte Li mit einem chinesischen Einmarsch in Taiwan[20]. Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius forderte bei der Konferenz verstärkte Bemühungen um eine Deeskalation in dem Konflikt.[21]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ 许学强已任中央军委装备发展部部长. In: 163.com. 8. November 2022, abgerufen am 13. März 2023 (chinesisch).
- ↑ a b 李尚福履新国防部长. In: k.sina.com.cn. 12. März 2023, abgerufen am 12. März 2023 (chinesisch).
- ↑ 周再奔: 李尚福任战略支援部队副司令员兼参谋长 其父为兴国老红军. In: jiangxi.jxnews.com.cn. 3. März 2016, abgerufen am 25. Dezember 2019 (chinesisch).
- ↑ Zhao Lei: PLA says chief of its arms wing replaced. In: chinadaily.com.cn. 19. September 2017, abgerufen am 25. Dezember 2019 (englisch).
- ↑ 刘潇翰: 重庆大学召开传达学习贯彻党的十九大精神大会. In: moe.gov.cn. 30. Oktober 2017, abgerufen am 25. Dezember 2019 (chinesisch).
- ↑ “航天专家”履新中央军委要职 这人经历异乎寻常. In: people.cctv.com. 19. September 2017, abgerufen am 26. Dezember 2019 (chinesisch).
- ↑ 马咪咪: 七大军区岗位调动超30人 史鲁泽直升北京军区参谋长. In: hebei.ifeng.com. 8. Januar 2015, abgerufen am 25. Dezember 2019 (chinesisch).
- ↑ 王哿、钟煜豪: 原总装备部副部长李尚福任战略支援部队副司令员兼参谋长. In: thepaper.cn. 29. Februar 2016, abgerufen am 26. Dezember 2019 (chinesisch).
- ↑ 王俊: 战略支援部队副司令员兼参谋长李尚福晋升中将军衔. In: thepaper.cn. 30. August 2016, abgerufen am 26. Dezember 2019 (chinesisch).
- ↑ Zhao Lei: PLA says chief of its arms wing replaced. In: chinadaily.com.cn. 19. September 2017, abgerufen am 25. Dezember 2019 (englisch).
- ↑ 个人简介. In: cmse.gov.cn. Abgerufen am 26. Dezember 2019 (chinesisch).
- ↑ List of members of the 19th CPC Central Committee. In: chinadaily.com.cn. 25. Oktober 2017, abgerufen am 3. Dezember 2022 (englisch).
- ↑ List of members of 20th CPC Central Committee. In: chinadaily.com.cn. 22. Oktober 2022, abgerufen am 3. Dezember 2022 (englisch).
- ↑ Lesley Wroughton, Patricia Zengerle: U.S. sanctions China for buying Russian fighter jets, missiles. In: reuters.com. 20. September 2018, abgerufen am 26. Dezember 2019 (englisch).
- ↑ 张伟 et al.: 中国海军空军司令等10位军官晋升上将军衔. In: mil.news.sina.com.cn. 31. Juli 2019, abgerufen am 26. Dezember 2019 (chinesisch).
- ↑ 许学强已任中央军委装备发展部部长. In: 163.com. 8. November 2022, abgerufen am 13. März 2023 (chinesisch).
- ↑ 工程领导. In: cmse.gov.cn. Abgerufen am 13. März 2023 (chinesisch).
- ↑ 庞博: 中国共产党第二十届中央委员会第一次全体会议公报. In: gov.cn. 23. Oktober 2022, abgerufen am 14. März 2023 (chinesisch).
- ↑ 中共中央军事委员会,中华人民共和国中央军事委员会. In: mod.gov.cn. Abgerufen am 12. März 2023 (chinesisch).
- ↑ Steffen Wurzel: Li-Rede bei Shangri-La-Dialog: China droht Taiwan auf offener Bühne. In: tagesschau.de. 4. Juni 2023, abgerufen am 31. Juli 2023.
- ↑ China schickt deutliche Warnung an die USA, t-online.de, 4. Juni 2023.
Personendaten | |
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NAME | Li, Shangfu |
ALTERNATIVNAMEN | 李尚福 (chinesisch); Lĭ Shàngfú (Pinyin) |
KURZBESCHREIBUNG | chinesischer Raumfahrtingenieur, General der Volksbefreiungsarmee und Politiker |
GEBURTSDATUM | Februar 1958 |
GEBURTSORT | Chengdu, Provinz Sichuan |
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Военная делегация Китайской Народной Республики во главе с министром обороны генерал-полковником Ли Шанфу в ходе официального визита в Россию посетила Военную академию Генерального штаба Вооруженных Сил Российской Федерации.