Leonidas Proaño

Leonidas Eduardo Proaño Villalba (* 19. Januar 1910 in San Antonio de Ibarra; † 31. August 1988 in Quito) war ein ecuadorianischer römisch-katholischer Priester und Theologe. Er war von 1954 bis 1985 Bischof von Riobamba und einer der bedeutendsten Vertreter der Befreiungstheologie in Ecuador. Er ist als „Bischof der Armen“ und „Bischof der Indios“ bekannt geworden.

Leben

Leonidas Proaño wurde in eine arme Bauernfamilie geboren, seine Eltern waren Agustín Proaño Recalde und Zoila Villalba Ponce.[1] 1930 trat er in das Priesterseminar in Quito ein, wo er Theologie und Philosophie studierte, und wurde 1936 von Erzbischof Carlos María de la Torre zum Priester geweiht. Sein Interesse galt von Beginn an den fortschrittlichsten Tendenzen im Bereich der katholischen Soziallehre. Im Bistum Ibarra gründete er die Juventud Obrera Cristiana (dt. Christliche Arbeiterjugend). 1954 wurde er zum Bischof von Riobamba berufen. Die Bischofsweihe spendete ihm am 26. Mai 1954 der damalige Apostolische Nuntius von Ecuador und spätere Kardinal Opilio Rossi.

Von seinem Bischofssitz Riobamba aus engagierte er sich ständig für mehr soziale Gerechtigkeit für die indigene Bevölkerung, die „Indios“, und erklärte – mit Nachdruck die Lehren der Befreiungstheologie vertretend – zu seinem Ziel, deren Lage deutlich und nachhaltig zu verbessern. Unter anderem gründete er 1960 das Centro de Estudios y Acción Social (dt. Zentrum für Studien und soziale Aktion), um die indigenen Dorfgemeinschaften bei ihren Entwicklungsbestrebungen zu unterstützen, und 1962 die Escuelas Radiofónicas Populares (dt. Radiovolksschulen) mit dem Ziel der Alphabetisierung und Bildung. Eine seiner wichtigsten Mitarbeiterinnen war die französische Vinzentinerin Jeanne Paglino.[2]

Von 1962 bis 1965 nahm Proaño am Zweiten Vatikanischen Konzil teil und war unter anderem an der Ausarbeitung der Pastoralkonstitution Gaudium et Spes beteiligt. In Vorbereitung auf die 3. Generalversammlung des lateinamerikanischen Episkopates 1968 in Medellín leitete er 1966 in Baños eine Studientagung lateinamerikanischer Bischöfe über Bildung als Weg aus der Armut, das Laienapostolat und die christliche Parteinahme in sozialen Konflikten. Deren Teilnehmer stellten durch ihre Beschlüsse Weichen für die Konferenz in Medellín zwei Jahre darauf.[3] 1968 gründete er den Hogar Santa Cruz – Centro de Reflexión Teológico-Pastoral-Político y Social, ein Zentrum zur theologischen wie politischen Bildung. 1969 wählte der Lateinamerikanische Bischofsrat (CELAM) ihn zum Präsidenten seines Instituto Pastoral Latino-Americano (IPAL). In den späten 1960er und in den 1970er Jahren unterstützte er engagiert die indigenen Gemeinschaften und deren Vereinigungen im Kampf um eine angemessene Landreform (siehe auch Bewegung der Indigenen in Ecuador).

In diesem Zusammenhang wurde seine Diözese 1973/1974 durch einen Apostolischen Visitator besucht und überwacht und Proaño in den Vatikan zitiert, da er verdächtigt wurde, Guerilla-Aktivitäten zu unterstützen. Proaño wurde von allen Vorwürfen freigesprochen. Mit Unterstützung von Adolfo Pérez Esquivel gründete er den equadorianischen Zweig der lateinamerikanischen Menschenrechtsorganisation Servicio Paz y Justicia (SERPAJ).[4] Während der Militärdiktatur unter Guillermo Rodríguez Lara wurde er 1976 mit 16 anderen Bischöfen bei einem Treffen in Santa Cruz in der Provinz Chimborazo festgenommen und für 28 Stunden in Quito inhaftiert.

Unter seiner Leitung übersetzte eine Arbeitsgruppe die vier Evangelien ins Quichua von Ecuador, die 1972 herauskamen.[5]

1985 ließ er sich nach Erreichen der Altersgrenze von 75 Jahren als Bischof von Riobamba emeritieren. Er wurde auf Antrag von Indigenenorganisationen von Johannes Paul II. zum „Bischof der Indios“ ernannt. In demselben Jahr schlug ihn der argentinische Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel für den Friedensnobelpreis 1986 vor.

Nachlass

Das persönliche Archiv von Leonidas Proaño wird in der Casa Sacerdotal des Bistums Riobamba bewahrt.

Ehrungen

Ihm wurden verschiedene Ehrendoktortitel in- und ausländischer Universitäten verliehen, darunter 1987 durch die Philosophische Fakultät der Universität des Saarlandes. 1986 erhielt er den Preis der Rothko Chapel in Houston, am 8. Juli 1988 den Bruno Kreisky Preis für Verdienste um die Menschenrechte und im selben Jahr postum den Menschenrechtspreis der Vereinten Nationen.[6]

Schriften

  • Rupito. 1953.
  • Creo en el Hombre y en la Comunidad. 1977.
  • El Evangelio Subversivo. 1987.
  • Concienciación, Evangelización y Política. 1987.

Literatur

in der Reihenfolge des Erscheinens

  • Gerardo Chacón Padilla: Educación y teología de la liberación con el pueblo puruhá, Diócesis de Leonidas Proaño. In: Margit Eckholt, Vicente Durán Casas (Hrsg.): Religión como fuente para un desarrollo liberador. 50 años de la Conferencia del Episcopado Latinoamericano en Medellín. Continuidades y rupturas. Editorial Pontificia Universidad Javeriana, Bogotá 2020, ISBN 978-958-781-533-7, S. 238–255.
  • Adolfo Pérez Esquivel: Der Prophet von Chimborazo. Zum 20. Todestag von Bischof Leonidas Proaño. In: Aufbrüche – Impulse aus dem gewaltfreien Kampf in Lateinamerika, Nr. 57, 2008.
  • Giancarlo Collet: „Leiden und Hoffnungen teilen“. Zum 10. Todestag von Leonidas Proaño, Bischof der Indios. In: Zeitschrift für Missionswissenschaft und Religionswissenschaft, Jg. 82 (1998), S. 183–196.
  • Ilena Almeida, Nidia Arrobo Rodas (Hrsg.): En defensa del pluralismo y la igualdad. Los derechos de los pueblos indios y el Estado. Aportaciones del Simposio organizado en homenaje a Monseñor Proaño, Obispo de los Indios, que tuvo lugar dentro del 49. Congreso Internacional de Americanistas 1997 en Quito. Abya-Yala, Quito 1998, ISBN 9978-04-417-5.
  • Enrique Rosner (Hg. und Übersetzer): Revolution des Poncho: Leonidas Proaño – Befreier der Indios. Verlag Josef Knecht, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-7820-0629-1.
  • Giancarlo Collet: „Leiden und Hoffnungen teilen“. Leonidas Proaño (1910–1988), Bischof von Riobamba/Ecuador. In: Johannes Meier (Hrsg.): Die Armen zuerst! Zwölf Lebensbilder lateinamerikanischer Bischöfe. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1999, ISBN 3-7867-2133-5, S. 66–80.
  • Pastoral Diocesana (Hrsg.): Encuentro de Riobamba. 10º aniversario de la Pascua de Mons. Proaño. 30º aniversario de Medellín. Riobamba 1998.
  • Andrea Heidy Müller: Repensar la Revolución del Poncho: Activismo católico y políticas de representación en el espacio andino del Ecuador (1955–1988). transcript Verlag, Bielefeld 2021, ISBN 978-3-8394-5883-9.
  • Enrique Rosner: Leonidas, el amigo. Artes Gráficas Silva, Quito 2010, ISBN 978-9942-03-124-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Raúl Lugo Rodríguez: Monseñor Leonidas Proaño, obispo de los indios, abgerufen am 19. Januar 2019.
  2. Stanislas Maillard: Jeanne Paglino. 44 ans en Equateur parmi les pauvres. In: L’Actualité religieuse dans le monde, Jg. 1983, Heft 6, S. 6–8.
  3. Alexandre Queiroz: Revolução e Paraíso: Conflito de Ideias na Igreja Latino-Americana (1968–1979). Editora Universitária da Unila (Edunila), Foz do Iguaçu 2021, ISBN 978-65-86342-17-8, S. 103.
  4. Adolfo Pérez Esquivel: Christ in a Poncho: Testimonials of the Nonviolent Struggles in Latin America. Herausgegeben von Charles Antoine. Orbis Books, Maryknoll 1983.
  5. Leonidas E. Proaño (Hrsg.): Jesucristopaj Alli Huillai Evangelio Nishca. Los Evangelios en Quichua. Editorial Don Bosco, Quito 1972.
  6. List of previous recipients. (PDF; 43 kB) United Nations Human Rights, 2. April 2008, abgerufen am 29. Dezember 2008 (englisch).
VorgängerAmtNachfolger
Alberto María OrdóñezBischof von Riobamba
1954–1985
Víctor Corral