Leonhard Tietz

Leonhard Tietz (* 3. März 1849 in Birnbaum, Provinz Posen; † 15. November 1914[1] in Köln) war ein deutscher Kaufmann und Warenhaus-Unternehmer. Seine Nachkommen wurden von den Nationalsozialisten verfolgt, weil sie – wie Leonhard Tietz – jüdischer Herkunft waren.

Leben

Tietz eröffnete am 14. August 1879 ein 25 m² großes[2] Textilgeschäft in Stralsund. 1882 folgte ein ähnliches Geschäft in Elberfeld, in dem auch eine Vielzahl seiner Lieferanten beheimatet war. 1884 eröffnete er ein Geschäft in Schweinfurt und 1888 in Amberg.[3] Das Geschäft in Elberfeld erwies sich bald als zu klein für die eng benachbarten Großstädte Elberfeld und Barmen (die 1929/1930 zur Stadt Wuppertal vereinigt wurden). Folgerichtig setzte er dort seinen lang gehegten Wunsch um, ein Mehrsparten-Warenhaus nach französischem Vorbild aufzubauen. 1885 eröffnete das neue Haus in der dortigen Herzogstraße, Tietz verlegte auch den Unternehmenssitz an diesen Platz. Grundlage des rasanten Wachstums seiner Unternehmung war die von ihm im deutschen Einzelhandel eingeführte Praxis, qualitativ hochwertige Produkte zu festen Preisen bei Barzahlung zu verkaufen. Bis dahin war es üblich, den Preis von Gütern vor dem Kauf zeitaufwendig auszuhandeln. Zudem räumte er seinen Kunden ein Umtauschrecht ein.

Am 7. April 1891 eröffnete Leonhard Tietz in Köln ein 180 Quadratmeter großes Geschäft in der Hohe Straße. Ein Jahr später eröffnete er ein Warenhaus zunächst in der Großkölnstraße in Aachen und 1899 wurde das Warenhaus Tietz in Düsseldorf an der Schadowstraße erbaut. Im Jahr 1893 verlegte er den Sitz seines Unternehmens von Elberfeld nach Köln. Ab 1896 zog Tietz mit dem Aachener Geschäft auf den Aachener Markt und errichtete dort ab 1905 einen repräsentativen Neubau des Warenhauses Tietz nach Plänen des Architekten Albert Schneiders. Sein Stralunder Geschäft war ab 1902 im neu errichteten Warenhaus Ossenreyerstraße 19 ansässig.

Im Jahr 1905 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Von 1907 bis 1909 wurde das Warenhaus Tietz Alleestraße in Düsseldorf nach Plänen von Joseph Maria Olbrich und von 1912 bis 1914 das neue Kölner Stammhaus durch den Architekten Wilhelm Kreis auf dem Eckgrundstück Hohe Straße/Gürzenichstraße erbaut. Nach dem Tod von Leonhard Tietz im Jahr 1914 führte sein Sohn Alfred Leonhard Tietz das Geschäft weiter. Das Unternehmen wuchs durch Übernahmen weiter und beschäftigte Anfang der 1930er Jahre etwa 15.000 Mitarbeiter an 43 Standorten.

Zusammen mit Gerhard Tietz leitete Alfred Leonhard Tietz das Unternehmen noch, als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht gelangten und auf die sogenannte „Arisierung“ jüdischer Kaufhäuser drängten. Die Firma wurde zunächst in Westdeutsche Kaufhof AG (vorm. Leonhard Tietz AG) geändert, ab 1936 ohne den Zusatz. Die Familie Tietz musste ihre Anteile unter Wert an Banken abgeben. Sie emigrierte und wurde nach dem Krieg mit 5 Millionen DM entschädigt. Aus den Warenhäusern von Leonhard Tietz ging die Galeria Kaufhof GmbH hervor.

Ähnlich erging es den Unternehmen, die von den Hertie-Eigentümern Hermann Tietz (1837–1907), Leonhards Onkel, und Oscar Tietz (1858–1923), Leonhards Bruder, gegründet wurden.

Literatur

  • Fritz Blumrath: Leonhard Tietz (1849–1915). In: Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien, Band 7. Aschendorff, Münster 1960, S. 48–66.
  • Daniel Lohmann et al.: Das Warenhaus Tietz in Aachen, in: Aus den Quellen des Stadtarchivs Aachen Bd. 5, 2021, ISBN 978-3-00-069326-7.
  • Ulrich S. SoéniusTietz, Leonhard. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 26, Duncker & Humblot, Berlin 2016, ISBN 978-3-428-11207-4, S. 272 (Digitalisat).
  • Nils Busch-Petersen: Leonhard Tietz (1849–1914). Fuhrmannssohn und Warenhauskönig. Von der Warthe an den Rhein. Hentrich & Hentrich, Berlin 2010, ISBN 978-3-941450-17-2, Inhaltsangabe.
  • Hermann Tietz (1837–1907), Leonhard Tietz (1849–1914) und Oscar Tietz (1858–1923). Unternehmer. In: Ekkehard Vollbach: Dichter, Denker, Direktoren. Porträts deutscher Juden, Leipzig: edition chrismon, ISBN 978-3-96038-243-0, S. 225–242.
  • Peter Fuchs: 100 Jahre Kaufhof Köln. 1891–1991. Köln 1991.

Weblinks

Commons: Leonhard Tietz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Bernd Rexing (moog): 15. November 2009 - Vor 95 Jahren: Tod von Warenhaus-Pionier Leonhard Tietz. 14. November 2009 (wdr.de [abgerufen am 3. Oktober 2017]).
  2. Sonderveröffentlichung, 130 Jahre Galeria Kaufhof, Galeria Kaufhof am Marienplatz, S. 5, Oktober 2009.
  3. Schweinfurter Anzeiger: Geburtstagstorte für eine lange Firmengeschichte. 24. September 2014

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Schweinfurt Spitalstraße mit Straßenbahngleis. Die zweite Filiale Deutschlands des Warenhauses Tietz wurde 1884 in Schweinfurt eröffnet. Tietz war der Vorgänger der Warenhauskette Kaufhof. Foto um 1900
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Kaufmann Leonhard Tietz
Tietz-Elberfeld Flora & Leonhard 19. Jhdt.jpg
Portrait des Ehepaares Flora und Leonhard Tietz, Aufnahme eines anonymen Fotografen aus dem späten 19. Jahrhundert.
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Autor/Urheber: Nikolai Maria Jakobi, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Haus in der Ossenreyerstraße in Stralsund, 26.9.2023.
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Aktie über 1000 Mark der Leonhard Tietz AG vom 28. Mai 1920
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Wertbeständiges Notgeld der Firma Leonhard Tietz. (hier Zweigstelle Aachen). Ausgabe 10.Januar.1924 (Privatbesitz NORLU)

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Neubau des Kaufhauses LeonhardTietz am Aachener Markt, erbaut 1906