Lenkgetriebe

Knox von 1900 mit direkt wirkendem Lenkhebel „Kuhschwanzlenkung“

Das Lenkgetriebe ist ein Teil der Lenkanlage eines Kraftfahrzeuges und setzt die Drehbewegung des Lenkrades in eine Schiebebewegung der Spurstangen um. Bei der Zahnstangenlenkung werden die Spurstangen von einer quer verschobenen Zahnstange, bei Lenkgetrieben mit Lenkstockhebel vom geschwenkten Lenkstockhebel bewegt.[1]

Geschichte

Das erste Lenkgetriebe stammt von Carl Benz: Eine Handkurbel übertrug über eine Lenksäule (-welle), ein Ritzel und zwei Zahnstangen die Lenkbewegungen auf die Vorderradgabel.[2] Von Daimler wurde für den Regel-3-Tonner die Schraubenspindellenkung entwickelt.[3]
In den Nachfolgejahren wurden Schnecken- und Schraubenspindellenkgetriebe entwickelt,[4][5] sodass man in den 1920er Jahren die Lenkgetriebe nach diesen beiden Bauarten unterschied.[6] In den 1930er Jahren kam in Deutschland die Zahnstangenlenkung, insbesondere bei Fahrzeugen mit Frontantrieb, unter anderen DKW Meisterklasse und Adler Trumpf hinzu. Die 1940 bei General Motors begonnene Entwicklung der Kugelumlauflenkung (eine Schraubenspindellenkung mit rollender Reibung) wurde 1953 von ZF übernommen und zum Beispiel bei Pkw von Mercedes-Benz eingebaut.[2][3] Heute werden bei Pkw die Zahnstangenlenkung und bei Nutzfahrzeugen die Kugelumlauflenkung verwendet, in der Regel mit Servounterstützung.[7]

Einteilung

Zahnstangenlenkung
1 Lenkrad
2 Lenksäule
3 Ritzel und Zahnstange
4 Spurstangen
5 Radträger
Schnecken-Rollen-Lenkung
Worm (Schnecke)
roller (Rolle)
Pitman arm (Lenkstockhebel)
Werbung für Spindellenkungen von Ross, 1919
Kugelumlauflenkung, 1960er Jahre

Zahnstangenlenkung

Die Zahnstangenlenkung enthält ein Zahnstangengetriebe. Ein vom Lenkrad gedrehtes Ritzel verschiebt die Zahnstange und diese die Spurstangen. Über ein gefedertes Druckstück wird die Zahnstange an das Ritzel gepresst, um Spiel zu vermeiden. Die Zahnstangenlenkung besteht aus wenigen Teilen (keine Zwischenteile zwischen Zahnstange und Spurstangen), weshalb sie billig zu produzieren und einfach zu montieren ist. In Personenwagen wird sie heute nahezu ausschließlich verwendet, wegen der großen Lenkkraft moderner Fahrzeuge und des generell gestiegenen Bedienungsanspruchs oft hydraulisch oder elektrisch unterstützt.[8] Man unterscheidet Zahnstangenlenkungen mit Mittelabgriff – beide Spurstangen laufen in der Fahrzeugmitte zusammen und sind nebeneinander am Ende der Zahnstange befestigt – und mit Seitenabgriff, das heißt an beiden Enden der Zahnstange ist je eine Spurstange angelenkt.[9] Mittenabgriff ist typisch für hoch (an der Spritzwand) angebrachte Zahnstangenlenkungen an Feder- oder Dämpferbeinvorderachsen und Aufhängungen an Schwingen, Seitenabgriff findet man an Doppelquerlenkerachsen, aber auch an Federbeinachsenen, dann ist die Lenkung weit unten, etwa in Höhe der Querlenker eingebaut. Durch die Anordnung mit möglichst langen Spurstangen oder gleicher Länge von Spurstange und Lenker verändert sich die Vorspur beim Einfedern nur wenig.


Schneckenlenkung

Die Schneckenlenkung arbeitet mit einem Schneckengetriebe. Mit dem Lenkrad wird eine Schnecke gedreht, die das auf einen Sektor reduzierte Schneckenrad mit dem Lenkstockhebel dreht und die am Lenkstockhebel gelagerten Spurstangen verschiebt. Es gab verschiedene Konstruktionen von Schneckenlenkungen, kompakter oder auch mit verminderter Reibung:

  • Bei der Finger- oder Ross-Lenkung ist das Schneckenrad als Sektor eines Kronenrades ausgebildet. Als Schneckenradzähne dienen ein oder zwei Lenkfinger mit rundem Querschnitt.[10] Sie stehen parallel zur Lenkstockhebelwelle und greifen seitlich in die Schnecke ein. Bei gegebener Übersetzung ist der Abstand zwischen Lenkwelle und Lenkstockhebel kleiner. David E. Ross erhielt 1925 in den USA ein Patent auf diese Konstruktion.[11] Wenn nur ein einzelner Finger im Eingriff steht, kann die Steigung des Schneckengewindes von der Mitte nach außen hin verändert sein (variable Lenkübersetzung, für geringere Lenkräfte bei eingeschlagenen Rädern). Lenkfinger können fest montiert, aber auch um ihre Achse drehbar gelagert sein, um durch den geringeren Rollreibungswiderstand im Kontakt mit der Schnecke die Lenkkräfte zu verringern. 1927 wurde die Ross-Lenkung erstmals in Nutzfahrzeugen eingebaut,[3] ZF Friedrichshafen erhielt die Patente für Deutschland und stellte Ross-Lenkungen von 1932 bis in die 1970er Jahre in Lizenz her.[12] Maurice und Georges Sizaire erhielten 1914 ein Patent auf eine ähnliche Konstruktion mit Schnecke und kugelgelagertem Lenkfinger.[4]
  • Die Rollen- oder Gemmer-Lenkung (nach dem Hersteller Gemmer Manufacturing Co. in Detroit) ist eine von Henry Marles entwickelte Bauart. 1920 beantragte Marles ein Patent, das er 1926 erhielt.[13] Sie wird auch Schneckenlenkung mit Lenkrolle genannt. Das Schneckenrad trägt hier eine Rolle mit zwei oder drei umlaufenden Zähnen, die quer zur Welle des Lenkstockhebels gelagert ist. Die Achse der Rolle steht in Geradeausstellung der Lenkung parallel zur Schneckenwelle.[14] Die Schnecke ist als Globoidschnecke ausgeführt, das heißt, ihr Durchmesser nimmt zu den Enden hin zu, damit sie über den ganzen Lenkwinkel in die Rolle eingreifen kann. ZF Friedrichshafen erwarb 1953 die Patente für Deutschland und stellte die Gemmer-Lenkung in Lizenz her.
  • Die Bishop-Lenkung ähnelt der Ross-Lenkung. Hier trägt der feststehende Finger eine wälzgelagerte Rolle, wodurch die Nut der Schneckenwelle breiter sein muss.[15] Das entsprechende Patent wurde dem britischen Ingenieur Reginald Bishop 1928 erteilt.[16]

Schraubenspindellenkung

Bei der Schraubenspindellenkung wird durch das Drehen der Spindelschraube vom Lenkrad aus eine Spindelmutter (die Lenkmutter) verschoben. Die Mutter ist entweder außen als Zahnstange ausgebildet, die in ein entsprechendes auf dem Lenkstockhebel festes Zahnrad eingreift, oder sie ist über einen Zapfen mit einem Hebel auf der Welle des Lenkstockhebels verbunden. Vom Lenkstockhebel werden die Spurstangen verschoben. Bei diesem Lenkgetriebe gibt es oft keine Nachstellmöglichkeit, und die Reibung ist hoch.[3] Eine nachstellbare Spindellenkung wurde bis 1961 im VW Käfer verwendet. Die halbkugelförmige Spindelmutter saß in einer entsprechenden Fassung an der Lenkstockhebelwelle und wurde von oben an die Gewindespindel gedrückt.

Kugelumlauflenkung

Die Kugelumlauflenkung oder Kugelmutterlenkung ist eine besonders leichtgängige Schraubenspindellenkung. Sie enthält zwischen Spindelschraube und -mutter auf der Gewindebahn umlaufende Kugeln (Kugelgewindetrieb).[17][18] Der Rollwiderstand der rollenden Kugeln ist wesentlich geringer als die Gleitreibung im Gewinde eines Schraubgetriebes. Die Kugelumlauflenkung war früher auch bei Pkw der Mittel- und Oberklasse (zum Beispiel in der Mercedes-Benz Baureihe 124) verbreitet, inzwischen wird sie mit hydraulischer Servounterstützung („Hydrolenkung“) fast nur bei Nutzfahrzeugen verwendet.[8]

Literatur

  • Rolf Gscheidle: Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik. 30. Auflage. Verlag Europa-Lehrmittel, Haan-Gruiten 2013, ISBN 978-3-8085-2240-0.
  • Peter A. Weller: Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik. 2. Auflage. Holland+Josenhans Verlag, Stuttgart 1982, ISBN 3-7782-3520-6.
  • Olaf von Fersen (Hrsg.): Ein Jahrhundert Automobiltechnik. Personenwagen. VDI Verlag 1986, ISBN 3-18-400620-4.
  • Olaf von Fersen (Hrsg.): Ein Jahrhundert Automobiltechnik – Nutzfahrzeuge. VDI-Verlag, Düsseldorf 1987, ISBN 3-18-400656-5.
  • Jörnsen Reimpell: (Hrsg.): Fahrwerktechnik: Lenkanlagen und Hilfskraftlenkanlagen. Vogel Buchverlag, Würzburg, 1. Auflage 1992, ISBN 3-8023-0431-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jörnsen Reimpell: (Hrsg.): Fahrwerktechnik. S. 67.
  2. a b Olaf von Fersen: Ein Jahrhundert Automobiltechnik – Personenwagen., S. 390, 391.
  3. a b c d Olaf von Fersen: Ein Jahrhundert Automobiltechnik – Nutzfahrzeuge., S. 176, 177.
  4. a b Patent US1120096A: Steering-Gear. Angemeldet am 26. Mai 1914, veröffentlicht am 8. Dezember 1914, Erfinder: Maurice Sizaire, Georges Sizaire.
  5. Patent US1425753A: Steering mechanism for automobiles. Angemeldet am 17. Oktober 1921, veröffentlicht am 15. August 1922, Anmelder: General Motors Corp, Erfinder: Harry M. Denyes.
  6. Curt Hanfland: Der Neuzeitliche Maschinenbau. Verlag der Literaturwerke „Minerva“, Band 2, Leipzig 1928, S. 344.
  7. Peter A. Weller: Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik. S. 262.
  8. a b Rolf Gscheidle: Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik., S. 481.
  9. Karl-Ludwig Haken; Grundlagen der Kraftfahrzeugtechnik; ISBN 9783446228122 S. 101
  10. Bild einer Ross-Lenkung: [1]
  11. Patent US1567997A: Steering Gear. Angemeldet am 30. April 1924, veröffentlicht am 29. Dezember 1925, Anmelder: Ross Gear & Tool Co, Erfinder: David E. Ross.
  12. zf.com Von Muskelkraft bis autonom. (abgerufen am 14. Juni 2016)
  13. Patent US1584629A: Steering gear for mechanically-propelled vehicles. Angemeldet am 13. April 1920, veröffentlicht am 11. Mai 1926, Erfinder: Henry Marles.
  14. Bilder von Gemmer-Lenkungen: [2], [3]
  15. Patent US1673488A: Method of cutting steering gears. Angemeldet am 21. Mai 1924, veröffentlicht am 12. Juni 1928, Erfinder: Reginald Bishop.
  16. Patent GB223963A: Improvements in or relating to gearing for steering mechanically propelled vehicles and for other purposes. Angemeldet am 25. Juli 1923, veröffentlicht am 27. Oktober 1924, Erfinder: Reginald Bishop.
  17. Technologie der Kugelgewindetriebe, [4]
  18. Bilder der Kugelumlauflenkung [5], [6]

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Steering system showing drag link.
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MHV Knox Threewheeler 1900.jpg
Waterless Knox Dreiradfahrzeug (1900)
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Lenksystem: 1. Lenkrad; 2 Lenkstange; 3 Lenkgetriebe; 4 Spurstange; 5 Radaufhängung
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Title: The literary digest
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The Literary Digest for March 22, 1919 Choosing ArloTORTiiucK No Adjustiftents M(<f^Efficient Serviggn
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EFFICIENCY and the Steering Gear WHEN a salesman pointsout that his truck issteered with a RossSteering Gear, analyze this fact tosee what this one specificationmeans to you in efficiency. The feature that distinguishes a RossSteering Gear from all others is theenormous bearing surface constantlyemployed. The steering mechanismconsists of a solid nut enveloping ascrew. When the steering wheelturns the screw, every inch of bear-ing surface on every thread is used. Contrast this with other devices inwhich the entire steering force isapplied through only two or threeteeth—all that are in contact at onetime. Even if you are not familiar withmechanical construction you canreadily see what this must mean inefficiency, safety and reliability. With these large bearing surfaces,there is practically no wear, andsteering gear adjustments, with anidle truck, are not required. Anidle truck is a dead expense. It isonly when it is in service carryinga load that it is truly efficient. These enormou

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