Das Lemma von Jordan (nach Marie Ennemond Camille Jordan ) ist ein Hilfsmittel der Funktionentheorie . Es wird zusammen mit dem Residuensatz verwendet, um Integrale aus der reellen Analysis zu berechnen.
Aussage Ist α > 0 {\displaystyle \alpha >0} und konvergiert in der oberen Halbebene g {\displaystyle g} gleichmäßig gegen Null für alle | z | → ∞ {\displaystyle |z|\to \infty } , dann gilt
∫ K R g ( z ) e i α z d z → 0 {\displaystyle \int _{K_{R}}g(z)\,e^{i\alpha z}dz\to 0} für R → ∞ {\displaystyle R\to \infty } .
Dies gilt auch, wenn α = 0 {\displaystyle \alpha =0} ist und zusätzlich z ⋅ g ( z ) {\displaystyle z\cdot g(z)} in der oberen Halbebene gleichmäßig gegen Null strebt. Völlig analog lässt sich das Lemma für die untere Halbebene formulieren.
Anwendung Integrationsweg γ R {\displaystyle \gamma _{R}} als halbkreisförmige Kurve K R {\displaystyle K_{R}} , die durch das reelle Intervall [-R,R] geschlossen wird Viele uneigentliche Integrale der Form ∫ − ∞ ∞ f ( z ) d z {\displaystyle \textstyle \int _{-\infty }^{\infty }f(z)\,dz} lassen sich, falls sie existieren, in der folgenden Weise berechnen: Man integriert f {\displaystyle f} auf einer geschlossenen halbkreisförmigen Kurve γ R {\displaystyle \gamma _{R}} , die entsteht, wenn zuerst auf der reellen Achse von − R {\displaystyle -R} nach R {\displaystyle R} und von dort im Halbkreisbogen K R {\displaystyle K_{R}} zurück nach − R {\displaystyle -R} integriert.
Man stellt fest, dass für R → ∞ {\displaystyle R\to \infty } das Integral ∫ K R f d z {\displaystyle \textstyle \int _{K_{R}}f\,dz} verschwindet und somit
∮ γ R f d z = ∫ [ − R , R ] f d z + ∫ K R f d z → R → ∞ ∫ R f d z {\displaystyle \oint _{\gamma _{R}}fdz=\int _{[-R,R]}f\,dz+\int _{K_{R}}f\,dz{\xrightarrow[{R\to \infty }]{\ }}\int _{\mathbb {R} }f\,dz} gilt.Nach dem Residuensatz ist dann
∫ R f d z = lim R → ∞ ∮ γ R f d z = 2 π i ∑ I m z > 0 R e s f | z {\displaystyle \int _{\mathbb {R} }f\,dz=\lim _{R\to \infty }\oint _{\gamma _{R}}fdz=2\pi i\sum _{\mathrm {Im} z>0}\mathrm {Res} f|_{z}} .Um dabei immer wiederkehrende Abschätzungen für Integrale der Form ∫ K R g ( z ) e i α z d z {\displaystyle \textstyle \int _{K_{R}}g(z)\,e^{i\alpha z}dz} zu vermeiden, benutzt man das Lemma von Jordan.
Beispiele 1. Beispiel Es sei g ( z ) = 1 1 + z 2 {\displaystyle g(z)={\tfrac {1}{1+z^{2}}}} und f ( z ) = g ( z ) e i α z {\displaystyle f(z)=g(z)\,e^{i\alpha z}} . Hier ist das Jordan-Lemma anwendbar und es gilt
lim R → ∞ ∫ K R f ( z ) d z = 0. {\displaystyle \lim _{R\to \infty }\int _{K_{R}}f(z)\,dz=0.} Also gilt für das Integral über die reelle Achse
∫ R f ( z ) d z = 2 π i R e s f | i = π e − α {\displaystyle \int _{\mathbb {R} }f(z)\,dz=2\pi i\,\mathrm {Res} f|_{i}=\pi \,e^{-\alpha }} .Spaltet man e i α z {\displaystyle e^{i\alpha z}} mit Hilfe der Eulerschen Identität in Real- und Imaginärteil auf, so erhält man die Gleichheit
∫ − ∞ ∞ cos ( α x ) 1 + x 2 d x = π e − α {\displaystyle \int _{-\infty }^{\infty }{\frac {\cos(\alpha x)}{1+x^{2}}}\,dx=\pi \,e^{-\alpha }} .2. Beispiel Es sei g ( z ) = z 1 + z 2 {\displaystyle g(z)={\tfrac {z}{1+z^{2}}}} . Analog zum 1. Beispiel ist ∫ R f ( z ) d z = 2 π i R e s f | i = i π e − α {\displaystyle \textstyle \int _{\mathbb {R} }f(z)\,dz=2\pi i\,\mathrm {Res} f|_{i}=i\pi \,e^{-\alpha }} und somit
∫ − ∞ ∞ x sin ( α x ) 1 + x 2 d x = π e − α {\displaystyle \int _{-\infty }^{\infty }{\frac {x\sin(\alpha x)}{1+x^{2}}}\,dx=\pi \,e^{-\alpha }} .Beweis des Lemmas von Jordan Das Integral I R := ∫ K R g ( z ) e i α z d z {\displaystyle \textstyle I_{R}:=\int _{K_{R}}g(z)\,e^{i\alpha z}\,dz} lässt sich nach Substitution z = R e i φ {\displaystyle z=R\,e^{i\varphi }} schreiben als ∫ 0 π g ( R e i φ ) e i α R e i φ R e i φ i d φ {\displaystyle \textstyle \int _{0}^{\pi }g\left(Re^{i\varphi }\right)\,e^{i\alpha Re^{i\varphi }}\,R\,e^{i\varphi }\,i\,d\varphi } . Abschätzung des Betrages nach oben ergibt
| I R | ≤ R ε R ∫ 0 π e − α R sin φ d φ {\displaystyle |I_{R}|\leq R\,\varepsilon _{R}\int _{0}^{\pi }e^{-\alpha R\sin \varphi }\,d\varphi } mit ε R := max z ∈ K R | g ( z ) | {\displaystyle \textstyle \varepsilon _{R}:=\max _{z\in K_{R}}|g(z)|} . Daraus folgt
| I R | ≤ 2 R ε R ∫ 0 π 2 e − α R sin φ d φ {\displaystyle |I_{R}|\leq 2R\,\varepsilon _{R}\int _{0}^{\frac {\pi }{2}}e^{-\alpha R\sin \varphi }\,d\varphi } ,da der Integrand e − α R sin φ {\displaystyle e^{-\alpha R\sin \varphi }} bezüglich φ = π 2 {\displaystyle \varphi ={\tfrac {\pi }{2}}} achsensymmetrisch ist. Nach der Jordanschen Ungleichung ist sin ( φ ) ≥ 2 π φ {\displaystyle \sin(\varphi )\geq {\tfrac {2}{\pi }}\,\varphi } für alle φ ∈ [ 0 , π 2 ] {\displaystyle \varphi \in \left[0,{\tfrac {\pi }{2}}\right]} und daher
| I R | ≤ 2 R ε R ∫ 0 π 2 e − α R 2 π φ d φ = π ε R α ( 1 − e − α R ) ≤ π ε R α → 0 {\displaystyle |I_{R}|\leq 2R\,\varepsilon _{R}\int _{0}^{\frac {\pi }{2}}e^{-\alpha R{\frac {2}{\pi }}\varphi }\,d\varphi ={\frac {\pi \,\varepsilon _{R}}{\alpha }}\left(1-e^{-\alpha R}\right)\leq {\frac {\pi \,\varepsilon _{R}}{\alpha }}\to 0} für R → ∞ {\displaystyle R\to \infty } .Literatur