Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei

Leibniz-Institut für
Gewässerökologie und Binnenfischerei
Kategorie:Forschungsinstitut
Träger:Forschungsverbund Berlin
Rechtsform des Trägers:Eingetragener Verein
Sitz des Trägers:Berlin
Mitgliedschaft:Leibniz-Gemeinschaft
Standort der Einrichtung:Berlin-Friedrichshagen
Außenstellen:Neuglobsow, Berlin-Adlershof
Art der Forschung:Grundlagenforschung
Fächer:Naturwissenschaften
Fachgebiete:Biologie, Ökologie
Grundfinanzierung:Bund (50 %), Länder (50 %)
Leitung:Luc De Meester
Mitarbeiter:ca. 400
Homepage:www.igb-berlin.de

Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) ist eine Forschungseinrichtung, die unter der Trägerschaft des Forschungsverbundes Berlin e. V. (FVB) steht und Mitglied der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL) ist. Das Institut hat seinen Sitz in Berlin-Friedrichshagen, seine Forschungsaktivitäten sind als Grundlagenforschung dem Fach Naturwissenschaft und den Gebieten Biologie und Ökologie zuzuordnen.

Geschichte

Das Institut ist aus vier Einheiten und drei Vorläufer-Institutionen aus der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR hervorgegangen. Auf Grund einer Empfehlung des Wissenschaftsrats wurde das Institut am 1. Januar 1992 neu gegründet.

Die Vorläufereinrichtungen des IGB in Berlin und Neuglobsow:

  • Institut für Binnenfischerei, Berlin-Friedrichshagen:
    Dieses Institut wurde 1893 zur Erforschung der Binnenfischerei in natürlichen Gewässern und zur Überwachung der Gewässerqualität im Müggelsee gegründet. Im Jahr 1906 kamen Aufgaben der Lehre zur Fischerei und Fischzucht an Berliner Hochschulen hinzu.
  • Institut für Geografie und Geoökologie, Leipzig:
    Dieses im Jahr 1976 gegründete Institut hatte in Berlin zwei Abteilungen: Hydrologie I in Adlershof und Hydrologie II (Aquatische Ökosysteme) am Müggelsee. Zu den Aufgaben gehörten die Grundlagen- und Vorsorgeforschung zur Wasserbeschaffenheit von Oberflächen- und Grundwasser sowie die Forschung auf dem Gebiet der physikalischen Limnologie und der mathematischen Modellierung aquatischer Ökosysteme.
  • Zentralinstitut für Mikrobiologie und experimentelle Therapie (ZIMET), Bereich Limnologie in Neuglobsow:
    Gegründet 1959 zur Erfassung der gewässerökologischen Auswirkungen des Kernkraftwerks Rheinsberg auf den Großen Stechlinsee. Ende der 1980er Jahre hatte das Institut die Erforschung ökologischer Wirkmechanismen als Grundlage für Ökotechnologien zur Aufgabe.

Aufgaben

Das Institut betreibt mehrere Messstationen und Freilandlabore im In- und Ausland, so wie dieses am Tagliamento in Italien.

Das IGB betreibt komplexe ökosystemare Prozessanalysen zu ökologischen Grundlagen und Vorsorgen mit dem Ziel eines nachhaltigen Gewässermanagements (einschließlich Grundwasserschutz) für Ökotechnologien eutrophierter und degradierter Gewässer.

Hierzu hat das Institut vier Forschungsthemen festgelegt:

  • Umweltbeeinflusste biologische Signalübertragung:
    Die besonders hochentwickelte Sensitivität von Organismen, durch Rezeptoren äußere chemische Reize wahrzunehmen, macht sie gleichzeitig auch anfällig dafür, dass natürliche Substanzen oder anthropogene Chemikalien diese spezifischen Signaltransduktionswege beeinflussen oder mit den entsprechenden Rezeptoren interagieren. Untersucht werden die Art und Weise, wie aquatische Organismen sowohl endogene als auch exogene chemische Signale aufnehmen und durch Änderungen ihres zellulären Stoffwechsels wie Energieallokation, Wachstum, Entwicklung, Fortpflanzung und Verhalten beantworten.
  • Prozesse an Grenzflächen:
    In der glazial geformten Landschaft Nordostdeutschlands werden Nährstoffe und Energie über verschiedene Grenzflächen zwischen Grundwasser und Sediment und zwischen Sediment und Freiwasser in wechselnden Richtungen transportiert und umgesetzt. Dabei stellt sich die Frage, in welchem Umfang und mit welchen Geschwindigkeiten diese Stoffumsetzungen physikalischen, chemischen und biologischen Prozessen unterliegen. Das gemeinsame Forschungsziel in diesem Schwerpunkt ist die Quantifizierung der Austauschprozesse bis hin zur Ermittlung der Mechanismen an den jeweiligen Grenzflächen und deren Modellierung.
  • Adaptation, Plastizität und Dynamik von Lebensgemeinschaften:
    Dieser Schwerpunkt basiert auf langjährigen Untersuchungen von Flachlandökosystemen wie dem Müggelsee, Großen Stechlinsee, Breiter Luzin und den Flüssen Spree und Oder. Hier sollen ökologische und evolutionäre, biologisch begründete Optimierungsstrategien der Artbildung und der Biodiversität, speziell der Adaptation, Plastizität und Dynamik von Lebensgemeinschaften der Mikrobiota, sowie des Planktons und der Fische untersucht werden. Die Ergebnisse sollen zu einer theoretisch fundierten Strategie des nachhaltigen Managements aquatischer Ökosysteme und der in ihnen lebenden Organismen beitragen.
  • Nachhaltiges Gewässermanagement:
    Forschungsdefizite bestehen bisher bei der kausalen Analyse und Bewertung von integrativen Managementverfahren, wie dem Fließgewässermanagement, der Reduktion externer Nährstoffeinträge in Kombination mit Ökotechnologien in Standgewässern und einem nachhaltigen Artenschutz- und Binnenfischereimanagement. In diesem Zusammenhang zielt Nachhaltigkeit auf maximalen Nutzen für alle Interessengruppen bei minimaler Umwelt-Beeinträchtigung ab.

Projekt ASTAF-PRO (Tomatenfisch)

Aquaponik ist Fischzucht (Aquakultur) kombiniert mit Pflanzenzucht (Hydroponik). Das Projekt ASTAF-PRO (Aquaponik-System zur emissionsfreien Tomaten- und Fisch-Produktion) besteht aus einem Gewächshaus, in dem jeweils ein Aquakultur- und Hydroponik-Kreislauf installiert sind. Unter einem Dach wachsen gleichzeitig Fische und Tomaten, Lebewesen mit ähnlichen Ansprüchen an die Umweltbedingungen, wie beispielsweise eine Umgebungstemperatur von 27 °Celsius. Deshalb nannte man das Projekt Tomatenfisch.[1]

Geschlossene Aquaponiksysteme arbeiten nahezu emissionsfrei, Energie, Wasser, Dünger und Rohstoffe lassen sich sparen, die Umwelt wird geschont. Das Wasser des Aquakultur-Kreislaufs wird mittels Filter mechanisch von Feststoffen befreit. Das noch im Wasser befindliche Ammonium – ein Stoffwechselprodukt der Fische, das schon in geringer Konzentration für die Fische giftig ist – wird durch Nitrifikation mittels eines von Bakterien besiedelten Biofilters in Nitrat umgewandelt, das dann als Dünger für die Tomatenpflanzen dient. Dabei wachsen die Pflanzen auf Mineralwolle (Nährstofffilm-Technik), nehmen über die Wurzeln einen Nährfilm auf, dem sie die Nährstoffe entziehen und das überschüssige Wasser über die Blätter an die Luft abgeben. Dieses Wasser wird nach Kondensation wieder dem System zugeführt, was den Frischwasserverbrauch verringert.

Das Projekt erhielt 2012 den Forschungspreis Nachhaltige Entwicklungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und wurde 2013 Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen. Dennoch arbeitet man beständig an der Weiterentwicklung der Effizienz des Systems.

Seit 2014 ist das Institut federführend bei dem auf vier Jahre angelegten EU-Projekt INAPRO (Innovative model & demonstration based water management for resource efficiency in integrated multitrophic agriculture and aquaculture systems), bei dem in Deutschland, Spanien, Belgien und China vier große Aquaponik-Anlagen auf jeweils rund 500 Quadratmeter modelliert, gebaut und evaluiert werden, um in großem Maßstab die Machbarkeit des Systems zur Nahrungsmittelproduktion zu demonstrieren.[2]

Eine Vorführanlage auf der Öko-Insel des Kinder-, Jugend- und Familienzentrums FEZ-Berlin in der Wuhlheide zeigt, wie das System funktioniert, und ist ein Beitrag des IGB zur Bildung für nachhaltige Entwicklung. Kinder und Jugendliche erhalten dort einen Einblick in biologisch-chemische Prozesse in der Natur im Zusammenhang mit nachhaltiger Lebensmittelproduktion und nachhaltigem Konsum und deren globaler Bedeutung.

Messstationen

Das IGB betreibt im Müggelsee, im Arendsee und im Großen Stechlinsee Messstationen.

Die Station im Müggelsee erlaubt mittels Sensoren die kontinuierliche Messung meteorologischer, hydrologischer, chemischer und biologischer Parameter, wie Globalstrahlung, Windgeschwindigkeit und Windrichtung, Luftfeuchte, Luft- und Wassertemperatur, Trübung, Sauerstoffgehalt, Leitfähigkeit, pH-Wert sowie Chlorophyll-a-Konzentration (ein Maß für die Konzentration der Algen im See). Die Messungen im Wasser werden in mehreren Tiefen durchgeführt, so dass Aussagen zu vertikalen Unterschieden und zur Schichtung im See bis zu Tiefen von 5,5 Metern möglich sind.

Mit der Messanlage im Arendsee werden, wie auf dem Müggelsee, meteorologische und hydrologische Werte aufgenommen.

Im Großen Stechlinsee erfasst eine Messboje mittels einer Sonde hydrologische und chemische Parameter.

Kooperationen

Die Arbeiten des Instituts erfolgen in Zusammenarbeit mit Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen der Region Berlin/Brandenburg und weltweit. Derzeit umfasst dies knapp 70 nationale und internationale Kooperationen. Im universitären Bereich besteht über S-Professuren eine enge Kooperation mit dem Institut für Biologie der Humboldt-Universität zu Berlin, mit der Freien Universität Berlin, der Universität Potsdam und der TU Berlin. Weiterhin trägt das IGB-Gastprogramm zur Vernetzung bei.

Struktur

Die Leitung des Instituts hat im Jahr 2020 Luc De Meester[3] übernommen. Neben dem Direktor gehören auch die Leiterinnen und Leiter der fünf Forschungsabteilungen zur Leitungsebene.

  • Die Abteilung Ökohydrologie und Biogeochemie erforscht Austauschprozesse zwischen ober- und unterirdischem Wasser mit besonderer Hinsicht auf hydraulische und hydrogeochemische Wechselbeziehungen zwischen Gewässern und Einzugsgebieten. In dem Projekt „Verlust der Nacht“ werden die Auswirkungen von Lichtverschmutzung auf Mensch und Natur untersucht.
  • Die Abteilung Ökologie der Lebensgemeinschaften und Ökosysteme konzentriert sich auf die Erforschung der Ökologie von aquatischen Lebensgemeinschaften und Ökosystemen und deren Reaktion auf den globalen Wandel. Ziel ist es, das Verständnis für die Struktur und Funktionsweise von Binnengewässern als Grundlage für eine nachhaltige Bewirtschaftung von Süßwasserökosystemen zu verbessern.
  • Die Forschung der Abteilung Plankton- und mikrobielle Ökologie konzentriert sich auf die Folgen des globalen Umweltwandels auf Gewässerökosysteme und deren Biodiversität. Der Fokus liegt dabei auf Mikroorganismen und den dazugehörigen Wechselwirkungen. Durch die Errichtung des Seelabors im Großen Stechlinsee sind Experimente unter realitätsnahen Bedingungen möglich.
  • Die Abteilung Biologie der Fische, Fischerei und Aquakultur untersucht, inwieweit ökologische und evolutionäre Prozesse die Struktur, Dynamik und Funktion von Fischpopulationen und -gemeinschaften beeinflussen. Forschungsschwerpunkte sind unter anderen: Schwarmintelligenz, die sozialen und ökonomischen Dimensionen der Angelfischerei, die Wiedereinbürgerung des Europäischen Störs sowie eine ressourcenschonende, umweltgerechte Binnenfischerei und Aquakultur.
  • Die Abteilung Evolutionäre und Integrative Ökologie widmet sich dem öko-evolutionären Verständnis von Süßwasserorganismen im Anthropozän.

Am Institut arbeiten rund 400 Wissenschaftler, Techniker sowie Verwaltungspersonal.

Der Gesamtetat des Instituts liegt bei 16,1 Millionen Euro. Die Finanzierung erfolgt je zur Hälfte von Bund und Land. Darüber hinaus werden Drittmittel eingeworben.

Siehe auch

Literatur

  • Jahresforschungsbericht des IGB 2016 (PDF-Datei; 3,97 MB). Berlin 2017.
  • Jahresforschungsbericht des IGB 2013 (PDF-Datei; 5,96 MB). Berlin 2014.
  • Ilko-Sascha Kowalczuk: Prof. Dr. Johannes Frenzel (1858 bis 1897) – Der Begründer der fischereilichen Forschungsstätte in Berlin-Friedrichshagen. In: Zeitschrift für Binnenfischerei 34(1987) 10, S. 320–325
  • Ilko-Sascha Kowalczuk: Zur Entwicklung der institutionellen Binnenfischereiforschung in Deutschland bis 1945. In: Fortschritte der Fischereiwissenschaft 8(1989), S. 73–94
  • Ilko-Sascha Kowalczuk: Geist im Dienste der Macht. Hochschulpolitik in der SBZ/DDR 1945 bis 1961. Ch. Links Verlag, Berlin 2003, S. 199–211, 333–346
  • Werner Steffens: Das Fischerei-Institut am Müggelsee. (= Friedrichshagener Hefte; 30). 2. Aufl., Berlin-Friedrichshagen 2003

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Projekt Tomatenfisch, abgerufen am 8. August 2014.
  2. Projekt INAPRO Pressemeldung des FBV e. V., 2014, abgerufen am 8. August 2014
  3. Köpfe | IGB. Abgerufen am 30. September 2020.

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