Legis actio per manus iniectionem

Die legis actio per manus iniectionem war ein zivilrechtlicher Spruchformelprozess vom (früh)republikanischen Prozessverfahrenstyp der Legisaktionen. Als Zwangsvollstreckungsverfahren hatte es die körperliche Haftung einer Person (Verhaftung) zum Gegenstand, welche aus einem Rechtsgeschäft, oder aber auch aus einer strafbaren Handlung (Delikt) entstanden war.

Die gesetzliche Grundlage für das Verfahren bildete das für römische Bürger geltende Schuldrecht, welches im Zwölftafelgesetz normiert war.

Verfahren

Bevor der Prätor dem Gläubiger ein Zugriffsrecht (addictio) auf den Schuldner zugestand, musste vorab ein gerichtliches Verfahren über den Streitgegenstand geführt worden sein. Das Urteil wurde nach Ablauf einer Frist von 30 Tagen vollstreckbar, wenn der Verurteilte die Möglichkeit zur Begleichung der Forderung hat verstreichen lassen. War die Forderung nicht bereits beziffert, wurde der Streitwert in einem Schätzverfahren (abirtium liti aestimandae) ermittelt. Ein überführter Dieb (furtum nec manifestum) konnte seine „Verhaftung“ abwenden, indem er die Sache herausgab und zusätzlich eine Geldbuße entrichtete. Eines vorangegangenes Gerichtsverfahren bedurfte es nicht, wenn die Täterschaft des Delinquenten zweifelsfrei war, so wenn der Dieb auf frischer Tat betroffenen war (Furtum manifestum).

Der Verantwortliche wurde nach Ablauf der Monatsfrist durch den Prozessgegner vor den Prätor geladen (in ius vocatio). Dieser Vorladung hatte der Schuldner Folge zu leisten, da ihm ansonsten die zwangsweise Vorführung drohte. Der Anspruchsteller leitete das Zwangsvollstreckungsverfahren förmlich ein, indem er die Hand an den zahlungsunfähigen Schuldner legte und die vorgegebene Spruchformel aufsagte. Konnte der Schuldner sich nicht entlasten, nachdem einer oder mehrere Dritte die Zahlung zunächst vorgestreckt oder sich an seiner Stelle für den doppelten Streitwert verbürgt (vindex) hatten, ließ der Prätor den persönlichen Zugriff vollziehen.

Den Formalakt der Handauflegung konnte der Schuldner nicht mit einer förmlichen Gegenrede kontern, da er im vorausgegangenen Verfahren schuldig gesprochen war. Einwendungen konnten lediglich berechtigte Dritten erheben, indem sie durch rituelles Wegschlagen der Hand (manum depellere) und mit formeller Gegenrede begegneten. Voraussetzung war funktionale Gleichwertigkeit der Beteiligten. Ein Grundbesitzer (vindex) konnte somit für einen anderen Grundbesitzer auftreten. Rechtsfolge war, dass der Schuldner bei nachweislich ungerechtfertigter Einrede (litiskresenz) neben seiner Person nunmehr mit der doppelten Summe (crescit in duplum) des zuvor festgesetzten Streitwerts haftete. Eine erneute Interzession eines Dritten war hierauf nicht mehr möglich. Die Regelung diente der Warnung vor unberechtigtem Prozessgebaren.

Die Vollstreckung selbst gestaltete sich so, dass der Gläubiger den Schuldner in Privathaft nahm und ihn 60 Tage lang festhielt. Während dieser Frist durfte sich der Verurteilte auslösen lassen. Kam eine Einigung darüber nicht zustande, musste der Festgehaltene an drei aufeinander folgenden Markttagen auf das Forum vor den Prätor geführt werden, um durch die öffentliche Auslobung des Lösegelds jedem die Möglichkeit zu geben, einen Freikauf vorzunehmen. Hatte sich am dritten Markttag kein Auslöser gefunden, durfte der Verurteilte getötet, oder als Sklave ins Ausland verkauft werden (trans tiberim). Hatten mehrere Gläubiger einen Haftungsanspruch an der Person besessen, wurde der Verkaufserlös entsprechend aufgeteilt.

Tötung und Art und Weise der Tötung durch körperliche Zergliederung („Zerhauen“) und Verteilung an die Gläubiger gelten in der Forschung als unglaubwürdig, da damit ein finanzieller Totalausfall für den oder die Gläubiger einhergegangen wäre. Wahrscheinlich ist, dass derartige Ankündigungen als Druckmittel gegen den verurteilten Schuldner verwandt wurden. Wahrscheinlich betraf die Vorgehensweise des „Zerhauens“ das Rohkupfer, welches als Zahlungsmittel für die Auslösung verwendet werden konnte. Versklavung und gegebenenfalls die Tötung des Schuldners wurden spätestens seit der Lex Potelia (um 326 v. Chr.) als obsolet angesehen. Die Personalexekution führte seither in eine Schuldknechtschaft, die bis zur Abarbeitung der gerichtlich festgesetzten Summe andauerte.

Haftungsumstände

Die aus einer rechtswidrigen Handlung (Delikt) entstandene Forderung konnte nicht vererbt werden. Bestand der aus einem Delikt entstandene Anspruch gegen eine Person, die sich in der rechtlichen Gewalt eines Dritten befunden hatte, musste ein gesondertes Verfahren (Actio noxalis) vorgeschaltet werden. Der Gewalthaber wurde vor die Wahl gestellt, entweder den Täter aus seiner Unfreiheit zu entlassen und damit formell auszuliefern (noxae dedito), oder alternativ an seiner Stelle die Tilgung der Schuld zu übernehmen.

Juristische Quelle

Gaius: Institutiones: 3, 189; 4,21–25

Literatur

  • Max Kaser: Das Römische Privatrecht. 2. Auflage. C.H. Beck, München/Würzburg 1971, ISBN 3-406-01406-2, S. 145–165
  • Max Kaser/Karl Hackl: Das Römische Zivilprozessrecht: Verlag C.H. Beck, München 1996, zweite Auflage, ISBN 3-406-404901, S. 131–145