Lavin

Lavin
Wappen von Lavin
Staat:Schweiz Schweiz
Kanton:Kanton Graubünden Graubünden (GR)
Region:Engiadina Bassa/Val Müstair
Politische Gemeinde:Zernezi2
Postleitzahl:7543
frühere BFS-Nr.:3743
Koordinaten:803256 / 182946
Höhe:1412 m ü. M.
Fläche:46,33 km²
Einwohner:221 (31. Dezember 2014)
Einwohnerdichte:5 Einw. pro km²
Lavin
Lavin
Karte
Lavin (Schweiz)
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Gedeckte Holzbrücke in Lavin

Lavin ([lɐˈvin]) ist ein Dorf in der Fusionsgemeinde Zernez, die in der Region Engiadina Bassa/Val Müstair des Kantons Graubünden in der Schweiz liegt. Seit 2021 ist Lavin gemeinsam mit den Dörfern Guarda und Ardez Teil der internationalen Alpenvereinsinitiative Bergsteigerdörfer.

Bis am 31. Dezember 2014 war Lavin eine eigenständige politische Gemeinde. Am 1. Januar 2015 wurde sie mit der Gemeinde Susch in die Gemeinde Zernez eingegliedert. Lavin war einst Landsgemeindeort des ehemaligen Kreises Sur Tasna.

Wappen

Blasonierung: In Schwarz eine silberne (weisse) Spitze belegt mit einem aufrechten schwarzen, rot bewehrten Steinbock

Nach dem Gemeindestempel, dessen Motive für die Übernahme in das Wappen vereinfacht wurden.

Geographie

Gemeindestand vor der Fusion am 1. Januar 2015

Der Ort liegt auf einer Schotterterrasse rund 40 m linksseitig über dem Inn an der Ausmündung des Val Lavinuoz, das vom Lavinuoz entwässert wird, am Südostfuss des Piz Linard (3411 m). Vom gesamten ehemaligen Gemeindeareal von über 46 km² sind 2827 ha unproduktive Fläche, meist Gebirge. Weitere 917 ha können zwar landwirtschaftlich genutzt werden, sind aber grösstenteils Maiensässe. Nebst 29 ha Siedlungsfläche umfasst das ehemalige Gemeindegebiet 845 ha, die von Wald oder Gehölz bedeckt sind. Beliebt ist der Kulturwanderweg, bekannt als Unterengadiner Höhenweg, der von Lavin bis Scuol führt, und dessen Verlauf der historischen Talverbindung entspricht.

Bevölkerung

Bevölkerungsentwicklung[1]
Jahr1835185019001950197019902000[2]
Einwohner359367249242155184174

Sprachen

Bereits im 19. Jahrhundert gab es eine kleine deutschsprachige Minderheit. Dennoch benutzt bis heute die grosse Mehrheit der Einwohner die bündnerromanische Mundart Vallader als Alltagssprache. Zwischen 1880 und 1941 blieb der romanischsprachige Bevölkerungsanteil unverändert (1880 83 %, 1941 83 %). In den letzten Jahrzehnten sank dieser nur um wenige Prozentpunkte. Gemeinde und Schule unterstützen das Romanische, welches 1990 von 91 % und 2000 von 86 % der Einwohnerschaft verstanden wird. Die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte zeigt untenstehende Tabelle:

Sprachen in Lavin
SprachenVolkszählung 1980Volkszählung 1990Volkszählung 2000
AnzahlAnteilAnzahlAnteilAnzahlAnteil
Deutsch3318,13 %3820,65 %4022,99 %
Rätoromanisch14780,77 %14578,80 %13275,86 %
Einwohner182100 %184100 %174100 %

Religionen und Konfessionen

Die Bürger des Orts wechselten bereits 1529 unter dem Einfluss des Bündner Reformators Philipp Gallicius zur protestantischen Lehre.

Herkunft und Nationalität

Von den Ende 2010 220 Bewohnern waren 197 Schweizer Bürger.

Politik

Der ehemalige Gemeinderat bestand aus fünf Personen. Der Gemeindepräsident war bis 2015 Linard Martinelli.

Wirtschaft

Früher lebte die Bevölkerung von Viehzucht, Getreideanbau, Holzexport und von Solddiensten. Heutzutage ist die Landwirtschaft immer noch wichtig, jedoch arbeitet eine Mehrheit der Bevölkerung in Handwerks- und Dienstleistungsberufen. Zwei Hotels und einige Ferienwohnungen dienen einem sanften, nachhaltigen Tourismus mit Schwerpunkten Radfahren, Wandern und Langlaufen.[3]

Verkehr

Bahnhof Lavin

Lavin liegt an den Bahnstrecken Scuol-Tarasp – Pontresina und Chur – Scuol-Tarasp der Rhätischen Bahn und an der Hauptstrasse 27 vom Engadin zur Landesgrenze und weiter nach Landeck in Tirol.

Geschichte

Bei Las Muottas auf der Südseite des Inns fand Hans Conrad in den Jahren 1938/39 eine Siedlungsstelle, bei der Keramikfragmente und andere Fundstücke aus der mittleren Bronzezeit zu Tage gefördert wurden. Die Gegend wurde also bereits früh bewohnt. Das verlassene Dorf Gonda wurde erstmals 1160 erwähnt, Die Kleinsiedlung Lavin ebenso im 12. Jahrhundert mit dem Namen Lawinis, in Anlehnung an den dortigen Seitenbach mit dem heutigen Namen Lavinuoz. Lavin entwickelte sich erst im 13. oder 14. Jahrhundert zum geschlossenen Dorf, bis 1325 war es nach Ardez kirchgenössig, ähnlich wie andere Unterengadiner Gemeinden war der Bischof von Chur hier kirchlicher Landesherr im Verbund sich ständig wiederholender Machtkämpfe mit der Grafschaft Tirol. Lavin wurde anfänglich gemeinsam mit dem Nachbarort Susch kirchlich betreut und ist seit 1422 eine eigene Pfarrei. Die ehemalige Gemeinde wurde 1499 und auch 1621/1622 während der Bündner Wirren von österreichischen Truppen zerstört und unter grossen Anstrengungen wieder aufgebaut. 1480–1500 wurde die Kirche San Georg (romanisch:San Güerg) mit bedeutenden spätgotischen Malereien errichtet, die 1529 überstrichen und erst 1955–1956 anlässlich einer Renovation wieder freigelegt wurden.[3]

1529 nahmen Lavin und der Nachbarort Guarda unter dem Wirken des Reformators Philipp Gallicius die Reformation an. 1652 kaufte sich der Ort von der österreichischen Herrschaft los. Bis 1851 gehörte Lavin zur Gerichtsgemeinde Untertasna und war auch Landsgemeindeort des Kreises. Die Bewohner lebten von Viehwirtschaft, Getreidebau, Holzexport und Solddiensten. Am Lavinuozbach entstanden Gewerbebetriebe und Verhüttungsanlagen für die im 18. Jahrhundert geförderten Kupfererze.

1869 brannten 68 Häuser bei einem Dorfbrand nieder; das Dorf hatte damals um die 300 Bewohner, die obdachlos wurden. Das heutige Dorfbild ist geprägt durch den nur teilweise erfolgten Wiederaufbau in neuer, grosszügiger Bauweise mit flachen Dächern. 1900 lebten noch 242 Personen in Lavin. 1913 erhielt das Dorf eine RhB-Station, die heute noch im Original die Reisenden erfreut. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Bevölkerung weiter ab, bis 1970 noch 155 Personen dort wohnten, seither konnte eine leichte Zunahme verzeichnet werden. 1971 wurde eine Umfahrungsstrasse gebaut. 1999 wurde der Vereinatunnel der Rhätischen Bahn eröffnet, dessen Südportal Sagliains mit einer Autoverladestation auf Laviner Boden liegt. Im Jahr 2000 hatte Lavin 174 Einwohner, gut die Hälfte der Erwerbstätigen arbeitete im 3. Sektor.[4]

Der Dorfbrand von 1869

Um 14.30 Uhr des 1. Oktobers 1869 brach im Haus des Lureng Bisatz ein Feuer aus; heute liegt hier die bekannte Bäckerei Giacometti. Ursache war ein defekter Telegraph. Vom heftigen Wind genährt, geriet innert einer Stunde der ganze Dorfteil nördlich des Lavinuoz-Baches in Brand. Verschont blieben nur die Kirche und zwei benachbarte Häuser. Das verschonte Haus Cuorat am Dorfbach hat noch eine echt gebliebenen Fassade, reiche Inschriften (1725) und aus der Bauzeit geschnitzte Pfetten am Giebel. Der Grossbrand ermöglichte den Neuaufbau des Dorfes dank vieler Zuwendungen. Das tragische Ereignis prägte die Dorfbewohner, sodass einzelne Familien emigrieren mussten.

Viele Männer waren damals an der Viehausstellung in Samedan; und die unzulänglich ausgerüstete Feuerwehr vermochte den Brand der Häuser mit leicht entflammbaren Holzschindeldächern in der verschachtelten Struktur des Dorfes aus dem 17. und 18. Jahrhundert nicht einzudämmen. 68 Häuser brannten vollständig nieder, drei ältere Bewohner kamen im Feuer um; gegen 300 Personen wurden obdachlos. Der Schaden betrug etwa 700'000 Franken, eine folgende Sammlung erbrachte 67'207 Schweizer Franken.

Am 20. März 1870 nahm die Gemeindeversammlung die dritte Fassung eines Wiederaufbauplans an. An Stelle der 68 abgebrannten Häuser sollte – vorwiegend von italienischen Arbeitern aus der Lombardei – nur etwa die Hälfte im italienischen Stil neu aufgebaut werden. Die neuen Bauvorschriften des Kantons bestimmten das grosszügige heutige Aussehen des neuen Dorfteils. Bezirksingenieur Rudolf von Albertini und Nicolaus Hartmann arbeiteten den Gestaltungsplan aus. Strassenbreiten von 4.5 bis 5 Metern, ein minimaler Gebäudeabstand von 6,2 Metern sowie Bestimmungen über Brandmauern, Kamine und Bedachungen sollten künftige Dorfbrände verhindern. Der italienische Architekt Giovanni Sottovia entwarf das Gemeindehaus und ein weiteres Gebäude.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Dorf durch den Bau der Sperrstelle Lavin zu einer Festung.

Erstmals im Kanton Graubünden wurden in Lavin flache «Holzcementdächer» gebaut, die etwa zehnmal weniger Holz benötigen als die mit Holzschindeln gedeckten Satteldächer.

Sehenswürdigkeiten

  • Die vom Brand verschonte Laviner Dorfkirche stammt aus der Spätgotik und beherbergt Fresken aus der Zeit der Spätgotik und Frührenaissance.
  • Plazza gronda[5]
  • Altes Schul- und Gemeindehaus[6]
  • Auf dem Weg nach Guarda liegen die Ruinen von Gonda
vergrößern und Informationen zum Bild anzeigen
Panoramabild, bei der Dorfkirche links beginnend bis zum RhB-Bahnhof rechts

Kultur

In Lavin und im ganzen Engadin bestand einst eine lange Tradition der Produktion weiblicher Trachtenstickereien, der Verzierung von Wäschestücken und Decken aller Art, mit Vorliebe im Bündner Kreuzstich. Die wertvollsten Stücke werden heute in verschiedenen Museen aufbewahrt. Lavin besass um 1965 noch eine kunsthandwerkliche Werkstatt von Christian Buchli, der hochwerwertige Möbel mit Intarsien verzierte, der vom Naturfilmer Mic Feuerstein aus Schuls in einem ersten Film dokumentiert wurde. In der Tradition der Übernamen der Engadiner Dörfer heissen die Einwohner Lavins ils stranglavachas (deutsch: «die Kuhwürger»).

Persönlichkeiten

  • Philipp Gallicius (1504–1566), Theologe, Reformator 1529 in Lavin und Kirchenlieddichter
  • Bartholomäus Grass (1743–1815), reformierter Pfarrer und Schulreformer
  • Oscar Peer (1928–2013), Schriftsteller und Philologe
  • Peter Lorenz Steiner (1817–1862), Politiker, Dorfvorsteher, Schulrats-, Kreis- und Bezirksgerichtspräsident, Grossrat
  • Tina Truog-Saluz (1882–1957), Schriftstellerin, Lyrikerin und Ehrenbürgerin von Lavin.

Sonstiges

Die Seenplatte von Macun auf dem Gemeindegebiet von Lavin ist Teil des Schweizerischen Nationalparks.

Literatur

  • Die Gemeinden des Kantons Graubünden. Rüegger, Chur / Zürich 2003, ISBN 3-7253-0741-5.
  • Paul Eugen Grimm: Lavin. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 14. Dezember 2016.
  • Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden III. Die Talschaften Räzünser Boden, Domleschg, Heinzenberg, Oberhalbstein, Ober- und Unterengadin. (= Kunstdenkmäler der Schweiz. Band 11). Hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK. Bern 1940. DNB 760079625.
  • Jürg Wirth: Ein Ferienort stellt sich vor: Lavin. Gammeter, St. Moritz und Scuol 2014
Commons: Lavin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Paul Eugen Grimm: Lavin. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 14. Dezember 2016.
  2. Paul Eugen Grimm: Lavin. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 14. Dezember 2016.
  3. a b Jürg Wirth: Ein Ferienort stellt sich vor: Lavin. Gammeter, St. Moritz und Scuol 2014
  4. Paul Eugen Grimm: Lavin. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  5. Plazza gronda (Foto) auf baukultur.gr.ch.
  6. Altes Schul- und Gemeindehaus (Foto) auf baukultur.gr.ch

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Lavin mit Hotel Piz Linard 20081101.jpg
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Lavin mit Hotel Piz Linard
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Unterengadinische (Vallader) Aussprache des Ortsnamen "Lavin". Sprecherin ist eine weibliche Person aus Strada. L1: Vallader & Schweizerdeutsch, geboren 1986.