Lauda Sion

Beginn der Sequenz Lauda Sion Salvatorem im Graduale Novum

Lauda Sion Salvatorem (lateinisch für „Lobe, Zion, den Erlöser“) ist das Incipit der Sequenz des Fronleichnamfestes. Sie wurde ungefähr 1264 von Thomas von Aquin verfasst, als dieses Fest eingeführt wurde. Der Text stellt die auf dem Vierten Laterankonzil festgeschriebene Lehre der römisch-katholischen Kirche zur Realpräsenz und zur Eucharistie in fasslicher und merkbarer Form dar.

Lauda Sion lässt sich formal auf die Kreuzessequenz Laudes crucis von Hugo von Orléans (1095–1160) zurückführen und ist eine der fünf Sequenzen, die seit dem Konzil von Trient (1545–1563) noch in der Liturgie der katholischen Kirche gebraucht werden. Sie wird seit ihrer 1570 durch Pius V. erfolgten Aufnahme in das Missale Romanum in der heiligen Messe des Hochfests des heiligsten Leibes und Blutes Christi vor dem Evangelium gesungen und wurde unter anderem von Orlando di Lasso, Giovanni Pierluigi da Palestrina und Felix Mendelssohn Bartholdy vertont. Das gregorianische Choralthema Lauda Sion Salvatorem findet eine Replik im dritten Satz der Symphonie Mathis der Maler von Paul Hindemith (1934).

Die Sequenz steht im siebenten Kirchenton, neigt in etlichen Versen allerdings zum tiefer liegenden achten Kirchenton. Im Spätmittelalter wurde das lateinische Lauda Sion alternierend mit der deutschen Leise Gott sei gelobet und gebenedeiet gesungen. Vor der Zeit von Pietismus und Aufklärung war die Sequenz, ähnlich wie andere mittelalterliche Texte, zum Beispiel Anima Christi und Membra Jesu Nostri, auch im Luthertum verbreitet und wurde als Musica sub communione während der Austeilung des Abendmahls oder am Gründonnerstag vom Chor gesungen. Vertonungen gibt es hier unter anderem von Dietrich Buxtehude (BuxWV 68).

Die erste deutschsprachige Übertragung findet sich beim Mönch von Salzburg.

In den meisten Diözesanteilen des Gotteslob findet sich die deutsche Nachdichtung des Lauda Sion „Deinem Heiland, deinem Lehrer“ von Franz Xaver Riedel (1773) mit einer Melodie von Michael Haydn (1781). Der Stammteil des alten Gotteslobs enthält unter Nummer 545 eine Übertragung von Maria Luise Thurmair aus dem Jahr 1972 beginnend mit den Worten „Lobe, Zion, deinen Hirten“.

Text

LateinischÜbersetzungDeutsche Nachdichtung
(Franz Xaver Riedel, 1773)

Lauda Sion Salvatorem,
Lauda ducem et pastorem
In hymnis et canticis.

Quantum potes, tantum aude,
Quia maior omni laude,
Nec laudare sufficis.

Laudis thema specialis
Panis vivus et vitalis
Hodie proponitur.

Quem in sacræ mensa cœnæ
Turbæ fratrum duodenæ
Datum non ambigitur.

Sit laus plena, sit sonora;
Sit iucunda, sit decora
Mentis iubilatio,

Dies enim solemnis agitur
In qua mensæ prima recolitur
Huius institutio.

In hac mensa novi Regis
Novum Pascha novæ legis
Phase vetus terminat.

Vetustatem novitas,
Umbram fugat veritas,
Noctem lux eliminat.

Quod in cœna Christus gessit,
Faciendum hoc expressit
In sui memoriam:

Docti sacris institutis
Panem, vinum in salutis
Consecramus hostiam.

Dogma datur Christianis,
Quod in carnem transit panis
Et vinum in sanguinem.

Quod non capis, quod non vides,
Animosa firmat fides
Præter rerum ordinem.

Sub diversis speciebus,
Signis tantum et non rebus,
Latent res eximiæ:

Caro cibus, sanguis potus,
Manet tamen Christus totus
Sub utraque specie.

A sumente non concisus,
Non confractus, non divisus
Integer accipitur.

Sumit unus, sumunt mille,
Quantum isti, tantum ille,
Nec sumptus consumitur.

Sumunt boni, sumunt mali,
Sorte tamen inæquali,
Vitae vel interitus.

Mors est malis, vita bonis,
Vide paris sumptionis
Quam sit dispar exitus

Fracto demum sacramento,
Ne vacilles, sed memento
Tantum esse sub fragmento,
Quantum toto tegitur.

Nulla rei fit scissura,
Signi tantum fit fractura,
Qua nec status nec statura
Signati minuitur

Ecce panis Angelorum,
Factus cibus viatorum,
Vere panis filiorum,
Non mittendus canibus!

In figuris praesignatur,
Cum Isaac immolatur,
Agnus Paschæ deputatur,
Datur manna patribus.

Bone pastor, panis vere,
Jesu, nostri miserere,
Tu nos pasce, nos tuere,
Tu nos bona fac videre
In terra viventium.

Tu qui cuncta scis et vales,
Qui nos pascis hic mortales,
Tuos ibi commensales,
Cohæredes et sodales
Fac sanctorum civium.

Lobe, Zion, den Erlöser,
lobe den Führer und Hirten
mit Hymnen und Liedern!

Wieviel du vermagst, so viel wage,
denn er ist größer als alles Lob
und nicht genügend kannst du ihn loben.

Als besonderer Gegenstand des Lobes
wird das lebendige und lebenspendende Brot
heute vor Augen gestellt,

das am Tisch des heiligen Mahles
der Zwölfschar der Brüder
unzweifelhaft gegeben wurde.

Das Lob sei laut und klangvoll;
wohltönend und kunstreich
sei der Jubel des Herzens,

denn der festliche Tag wird begangen,
an dem die erste Einsetzung dieses Tisches
wiederkehrend verehrt wird.

An diesem Tisch des neuen Königs
beendet das neue Ostern[1] des neuen Gesetzes
das alte Pascha.[1]

Neues vertreibt das Veraltete,
die Wahrheit den Schatten,
das Licht lässt die Nacht verschwinden.

Was Christus beim Mahl vollzog,
das gebot er zu tun
zu seinem Gedächtnis.

Belehrt durch die heiligen Stiftungsworte
weihen wir Brot und Wein
zur Opfergabe des Heils.

Das Dogma ist den Christen gegeben,
dass das Brot in Fleisch übergeht
und der Wein in Blut.

Was du nicht begreifst, was du nicht siehst,
bekräftigt der beherzte Glaube
jenseits der Ordnung der Dinge.

Unter verschiedenen Gestalten,
die nur Zeichen, nicht die Sachen sind,
verbergen sich unvergleichliche Dinge:

Die Speise ist das Fleisch, der Trank ist das Blut,
doch Christus bleibt der Ganze
unter jeder der beiden Gestalten.

Vom Nehmenden nicht zerstückelt,
nicht zerbrochen, nicht zerteilt,
wird er als Ganzer empfangen.

Einer nimmt, tausend nehmen,
wieviel sie empfangen, so viel ist er,
genommen, wird er doch nicht aufgebraucht.

Gute nehmen und Schlechte nehmen,
aber ungleich sind sie nach dem Los
des Lebens oder des Untergangs.

Tod für die Schlechten, Leben für die Guten:
sieh, wie ungleichen Ausgang
der gleiche Sakramentsempfang hat!

Wenn nun das Sakrament gebrochen ist,
lass dich nicht beirren, sondern bedenke,
dass ebenso viel unter dem Bruchstück
wie im Ganzen enthalten ist.

Keine Spaltung der Sache geschieht,
nur ein Zerbrechen des Zeichens geschieht,
wodurch weder Zustand noch Rang
des Bezeichneten vermindert wird.

Seht das Brot der Engel,
den Wandernden zur Speise geworden,
wahrhaftig das Brot der Kinder,
das man nicht den Hunden hinwerfen soll.

In Abbildern wird es vorbedeutet,
als Isaak geopfert wird,
als das Paschalamm angeordnet wird,
als den Vätern das Manna gegeben wird.

Guter Hirte, wahres Brot,
Jesus, erbarme dich unser,
weide uns, schütze uns,
lass uns Gutes schauen
im Land der Lebenden.

Der du alles weißt und vermagst,
der du uns Sterbliche hier weidest,
mach uns dort zu deinen Tischgenossen,
zu Miterben und Gefährten
der heiligen Bürger.

Deinem Heiland, deinem Lehrer,
deinem Hirten und Ernährer,
Sion, stimm ein Loblied an!

Preis nach Kräften seine Würde,
da kein Lobspruch, keine Zierde
seinem Ruhm genügen kann.

Dieses Brot sollst du erheben,
welches lebt und gibt das Leben,
das man heut’ den Christen weist.

Dieses Brot, mit dem im Saale
Christus bei dem Abendmahle
die zwölf Jünger hat gespeist.

Laut soll unser Lob erschallen
und das Herz in Freude wallen,
denn der Tag hat sich genaht,

Da der Herr zum Tisch der Gnaden
uns zum ersten Mal geladen
und dies Mahl gestiftet hat.

Neuer König, neue Zeiten,
neue Ostern, neue Freuden,
neues Opfer allzumal!

Vor der Wahrheit muss das Zeichen,
vor dem Licht der Schatten weichen,
hell erglänzt des Tages Strahl.

Was von Christus dort geschehen,
sollen wir fortan begehen,
seiner eingedenk zu sein.

Treu dem heiligen Befehle
wandeln wir zum Heil der Seele
in sein Opfer Brot und Wein.

Doch wie uns der Glaube kündet,
der Gestalten Wesen schwindet,
Fleisch und Blut wird Brot und Wein.

Was das Auge nicht kann sehen,
der Verstand nicht kann verstehen,
sieht der feste Glaube ein.

Unter beiderlei Gestalten
hohe Dinge sind enthalten,
in den Zeichen tief verhüllt.

Blut ist Trank, und Fleisch ist Speise,
doch der Herr bleibt gleicherweise
ungeteilt in beider Bild.

Wer ihm nahet voll Verlangen,
darf ihn unversehrt empfangen,
ungemindert, wunderbar.

Einer kommt, und tausend kommen,
doch so viele ihn genommen,
er bleibt immer, der er war.

Gute kommen, Böse kommen,
alle haben ihn genommen,
die zum Leben, die zum Tod.

Bösen wird er Tod und Hölle,
Guten ihres Lebens Quelle,
wie verschieden wirkt dies Brot!

Wird die Hostie auch gespalten,
zweifle nicht an Gottes Walten,
dass die Teile das enthalten,
was das ganze Brot enthält.

Niemals kann das Wesen weichen,
teilen lässt sich nur das Zeichen,
Sach’ und Wesen sind die gleichen,
beide bleiben unentstellt.

Seht das Brot, die Engelspeise!
Auf des Lebens Pilgerreise
nehmt es nach der Kinder Weise,
nicht den Hunden werft es hin!

Lang im Bild war’s vorbereitet:
Isaak, der zum Opfer schreitet;
Osterlamm, zum Mahl bereitet;
Manna nach der Väter Sinn.

Guter Hirt, du wahre Speise,
Jesus, gnädig dich erweise!
Nähre uns auf deinen Auen,
lass uns deine Wonnen schauen
in des Lebens ewigem Reich!

Du, der alles weiß und leitet,
uns im Tal des Todes weidet,
lass an deinem Tisch uns weilen,
deine Herrlichkeit uns teilen.
Deinen Seligen mach uns gleich!

Siehe auch

Literatur

  • Franz Viktor Spechtler: Lauda Sion salvatorem. In: Verfasserlexikon. Band V, Sp. 613 f.
  • Dominicus Johner: Zur Melodie der Fronleichnam-Sequenz. In: Benediktinische Monatsschrift, Jg. 21 (1939), S. 270–277.
  • Adolf Adam: Te Deum laudamus. Große Gebete der Kirche Lateinisch-Deutsch. Herder, 2. Aufl. Freiburg 1987, ISBN 3-451-20900-4, S. 62–67 und 215.

Weblinks

Commons: Lauda Sion – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Das jüdische Pessach nennt die Vulgata im Alten Testament phase (z. B. Exodus 12), im Neuen Testament pascha (z. B. Matthäus 26).

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Autor/Urheber: Der wahre Jakob, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Anfang der Sequenz "Lauda Sion Salvatorem" vom Hochfest Fronleichnam (Thomas von Aquin, gregorianisch) Quelle: "Graduale Novum. Edition magis critica iuxta SC 117. Tomus I: De Dominicis et Festis", Conbrio Verlagsgesellschaft Regensburg/Libreria Editrice Vaticana MMXI (2011), p. 366