Latö Chang

Latö Chang (tib.: la stod byang; „Nördliches Latö“) war der Name einer der dreizehn tibetischen Zehntausendschaften (tib.: khri skor bcu gsum), mit deren Hilfe Sakya im 13./14. Jahrhundert Tibet verwaltete.

Quellenlage

Die bedeutendste erzählende Quelle zur Geschichte der Zehntausendschaft Latö Chang ist das „Changpa Lhodagpö Dungrab“ (tib.: byang pa lho bdag po’i gdung rabs; „die Familiengeschichte des Changpa und Lhodag“). „Changpa“ bezeichnet hierbei den Herrscher von Latö Chang und „Lhodag“ den Herrscher von Latö Lho. Des Weiteren gibt es zu dem vom Müchu (tib.: mus chu) durchflossenen Tal, das den östlichen Teil des Herrschaftsbereiches des Changpa bildete, umfangreiche Urkundenmaterialien. Dokumentarische Quellen zur Geschichte des Fürstentums selbst sind nur auszugsweise erhalten.

Geschichte

Latö Chang wurde um 1265 zur Zeit des 7. Sakya Thridzin Chögyel Phagpa auf der nördlichen Tsangpo-Seite (tib.: gtsang po) im Großraum Ngamring (tib.: ngam ring) gegründet.

Die Zehntausendschaft wurde vom „Changpa“ (tib.: byang pa; „Nördlicher [Herr]“) bzw. „Changdag“ (tib.: byang bdag; „Im Norden [gebietender] Herrscher“) geführt, dessen Familienlinie auf das Geschlecht der Herrscher von Minyag (tib.: mi nyag) zurückführt. Nach der Niederschlagung ihres Reiches sollen die Nachkommen der Minyag nach Tibet geflohen sein und sich dort in der Region Ngamring niedergelassen haben, wo sie als Adelsherrn über eine relativ kleinräumige Region herrschten. Da sie außerdem Gabenherrn der Sakyapa wurden erhielten sie den Titel „Yonchen“ (tib.: yon chen; „Großer Gabenherr“). Mit der von Qubilai Qan etablierten Vorherrschaft der Sakyapa in Tibet wurden sie dann als deren enge Vertraute zu „Fürsten über das Nördliche Latö“ ernannt. Sie errichteten die dem Sakya-System folgende „Ngamring Chöde“ (tib.: ngam ring chos sde), die eine der großen Klosterschulen Tibets zu jener Zeit wurde und zahlreiche bedeutende Gelehrte hervorbringen sollte. Indem sie während der Zersplitterung der Macht der Sakyapa in „vier Lama-Residenzen“ (tib.: bla brang; „Ladrang“) unter Sangpo Pel (tib.: bzang po dpal; 1261–1323) enge Heiratsverbindungen zum Lhakhang Ladrang (tib.: lha khang bla brang) eingingen, verstärkte sich ihre Teilhabe an der Macht Sakyas. Als Folge stellten sie mehrere „Tishri“ (tib.: ti shri; „Kaiserlicher Lehrer“) sowie Sakya Pönchen (tib.: sa skya dpon chen; „General im Dienste Sakya“).

Die kompromisslose Haltung und das Machtstreben des Changpa trugen wesentlich zum Zerfall der Macht Sakyas Mitte des 14. Jahrhunderts bei. Unter dem Phagmo Dru-Herrscher Situ Changchub Gyeltshen (tib.: si tu byang chub rgyal mtshan; 1302–1364) wurden der Herrschaftsbereich und Einfluss des Changpa erheblich geschmälert. Aufgrund interner Auseinandersetzungen und der unklugen Politik des letzten Thronhalters geriet Latö Chang schließlich um 1620 unter die Kontrolle des „Tsangpa Desi“ (tib.: gtsang pa sde srid), bis es um 1644 zur Zeit des 5. Dalai Lama (1617–1682) in den Herrschaftsbereich der Regierung Ganden Phodrang (tib.: dga' ldan pho brang) integriert wurde.

Besondere Berühmtheit unter den Herrschern von Latö Chang erlangte Namgyel Dragpa Sangpo (tib.: rnam rgyal grags pa bzang po; 1395–1475[1]), der trotz seiner Ausübung von Herrschaftsfunktionen das Leben eines Mönchs führte. Er war im 15. Jahrhundert eine der großen religiösen Persönlichkeiten Tibets und wurde auch aufgrund seiner Schriften zum Kalachakra-Tantra berühmt.

Literatur

  • Karl-Heinz Everding und Dawa Dargyay Dzongphugpa: Das tibetische Fürstentum La stod lHo (um 1265-1642). Die Geschichte der Herrschaftsbildung neben einer Edition des Shel dkar chos ’byung. Dr. Ludwig Reichert-Verlag, Wiesbaden 2006.
  • Karl-Heinz Everding: Herrscherurkunden aus der Zeit des mongolischen Großreiches für tibetische Adelshäuser, Geistliche und Klöster. Teil 2: Diplomata Tibetica. Die vierzehn Urkunden für die Tausendschaft Mus, mit einer Studie zur historischen Entwicklung des Mus chu-Tales im westlichen gTsang in der Zeit des 12. – 15. Jahrhunderts. IITBS, Halle 2006.
  • Alfonsa Ferrari: mKhyen brtse’s Guide to the Holy Places of Central Tibet. Rom 1958.
  • Luciano Petech: Central Tibet and the Mongols. Rom 1990.
  • Elliot Sperling: Miscellaneous Remarks on the Lineage of the Byang La-stod. China Tibetology (Special Issue), S. 272–277.
  • Giuseppe Tucci: Tibetan Painted Scrolls. 3 vols. Rom 1949.

Einzelnachweise

  1. tbrc.org: rnam rgyal grags pa bzang po (b. 1395 d. 1475)