Lars-Emil Johansen

Lars-Emil Johansen (* 24. September 1946 in Illorsuit) ist ein grönländischer Politiker (Siumut). Er war von 1991 bis 1997 Regierungschef Grönlands.

Leben

Familie

Lars-Emil Johansen ist der Sohn der ehemaligen Landesratsmitglieder Kristian Johansen (1915–1958) und Elisabeth Johansen (geb. Henningsen) (1907–1993),[1] sowie der Enkel von Johan Henningsen (1876–1952) und der Bruder von Severin Johansen (1941–2005). Er heiratete am 26. September 1970 die Lehrerin Myrna Helene Bodil Lynge (* 1948), Tochter von Kristian Didrik Vallentin Lynge (1926–?) und Anna Dorthea Petrine Karen Motzfeldt (1927–?).[1] Seine Frau war die Nichte von Hans Lynge (1906–1988), Klaus Lynge (1902–1981) und Cecilie Lund (1917–1999) sowie die Enkelin von Niels Lynge (1880–1965).[2] Mit Myrna hat er einen Sohn Nick.[3] Am 31. Mai 1986 heiratete er in zweiter Ehe die Lehrerin Anne Marie Olsvig (* 1958).[4] Aus seiner dritten Ehe[5] mit der späteren KNR-Direktorin Ivalo Egede (1956–2020) ist er Stiefvater von Masauna Egede, der in mehreren Staatsunternehmen Chefposten innehatte.[6] Zuletzt war er mit der Politikerin Martha Lund Olsen (* 1961) liiert.[7]

Frühe Jahre

Lars-Emil Johansen wurde in Illorsuit geboren, wo sein Vater Handelsverwalter war und seine Mutter Hebamme. Nach dem frühen Tod seines Vaters zog die Familie 1958 nach Uummannaq. Da beide seine Eltern im Landesrat saßen, war Lars-Emil schon in seiner Kindheit und Jugend politisch geprägt worden. 1970 legte er das Lehrerexamen an Grønlands Seminarium in Nuuk ab. Anschließend begann er als Lehrer in Nuuk zu arbeiten.[3]

Karriere im Landesrat und im Folketing

Politisiert von der aufkommenden Forderung nach grönländischer Autonomie stellte er sich 1971 für die Wahl zu Grønlands Landsråd auf und wurde trotz seiner erst 24 Jahre gewählt. Im selben Jahr begann er zusammen mit Jonathan Motzfeldt und Moses Olsen die Selbstständigkeitsbewegung Sujumut aufzubauen.[1] Nachdem er bei der Folketingswahl 1971 Erster Stellvertreter von Moses Olsen gewesen war,[8] kandidierte er zwei Jahre später bei der Folketingswahl 1973 selbst und wurde ins Folketing gewählt. 1973 wurde er Mitglied des Hjemmestyreudvalgs und 1975 der Hjemmestyrekommission. Bei der Folketingswahl 1975 wurde er wiedergewählt, ebenso wie 1977.[1] 1977 wurde aus der Sujumut die Partei Siumut und Lars-Emil wurde erst Parteisekretär, dann Vizevorsitzender bzw. von 1979 bis 1980 für kurze Zeit Vorsitzender.[4]

Karriere im Inatsisartut

1979 wurde schließlich nach bedeutender Mitarbeit von Lars-Emil die Hjemmestyre eingeführt, durch die Grönland autonom wurde. Er kandidierte bei der Parlamentswahl 1979 und wurde ins erste Inatsisartut gewählt, wobei er trotz seiner bereits großen politischen Erfahrung immer noch der zweitjüngste Abgeordnete war. Anschließend wurde er mit 32 Jahren zum Wirtschaftsminister im Kabinett Motzfeldt I ernannt. Bei der Wahl 1983 wurde er wiedergewählt und anschließend zum Minister für Fischerei, Handel und Industrie im Kabinett Motzfeldt II ernannt.[4]

Nach der Wahl 1984 wurde er erneut Minister für Fischerei, Handel und Industrie im Kabinett Motzfeldt III.[4] Im Februar 1986 trat er aus der Regierung zurück. Anlass war seine Ernennung zum Leiter der Sulisartut Højskoliat.[9] Im Mai 1986 gab er aus demselben Grund auch seinen Parlamentssitz zurück.[10]

Nur knapp ein Jahr später ließ er sich vor der Parlamentswahl 1987 als Højskoleleiter beurlauben, um sich auf den Wahlkampf konzentrieren zu können.[11] Lars-Emil Johansen gelang die Wiederwahl. Weil aber die Siumut unter Regierungschef Jonathan Motzfeldt erstmals unter 40 % der Stimmen erhielt und sogar hinter der Atassut nur knapp zweitstärkste Kraft wurde, entstand ein Machtkampf innerhalb der Partei, bei dem gefordert wurde, dass Jonathan Motzfeldt nicht weiter Regierungschef sein sollte und auch als Parteivorsitzender von Lars-Emil Johansen abgelöst werden sollte.[12] Mit Unterstützung der Inuit Ataqatigiit gelang es Jonathan Motzfeldt, Regierungschef zu bleiben, allerdings verlor er im August 1987 überraschend den Parteivorsitz an Lars-Emil Johansen, womit das Amt des Regierungschefs und des Parteivorsitzenden erstmals getrennt war.[13][14] 1988 gab er das Amt des Leiters der Sulisartut Højskoliat ab.[4]

Zeit als Regierungschef

Bei der Parlamentswahl am 5. März 1991 erhielt Lars-Emil Johansen 957 im bevölkerungsreicheren Wahlkreis Mittelgrönland und Jonathan Motzfeldt 916 im Wahlkreis Südgrönland. Nach der Wahl war völlig unklar, wer das Land fortan regieren sollte. Es entstand erneut ein Machtkampf und es wurde entschieden, dass ein Parteitag am 16. und 17. März 1991 zwischen dem Amtsinhaber und dem Parteivorsitzenden entscheiden sollte.[15] 18 Fraktionsabgeordnete und Parteivorstandsmitglieder durften abstimmen. Hans Pavia Rosing hatte angekündigt, für Jonathan Motzfeldt stimmen zu wollen, aber er war verhindert und seine Stellvertreterin Benedikte Thorsteinsson stimmte für Lars-Emil Johansen, der die Wahl somit mit zehn zu acht Stimmen gewann, andernfalls wäre die Wahl neun zu neun unentschieden ausgegangen. Nach der Wahl gab es Gerüchte, dass Jonathan Motzfeldt sich dennoch im Parlament zum Regierungschef aufstellen lassen und den Parteikrieg somit perfekt machen wollte.[16] Lars-Emil Johansen bildete nach seiner Wahl zum Regierungschef eine Koalition mit der Inuit Ataqatigiit. In seinem Kabinett Johansen I saßen fünf Minister der Siumut und zwei der Inuit Ataqatigiit.[17]

Bei der Parlamentswahl 1995 wurde er wiedergewählt und bildete trotz bisheriger zufriedenstellender Zusammenarbeit mit der Inuit Ataqatigiit nach der Wahl überraschend eine Koalition mit der Atassut. Im Kabinett Johansen II fünf Minister der Siumut und zwei der Atassut Platz.[18] Am 19. September 1997 trat Lars-Emil Johansen als Regierungschef zurück, um Vizekonzernchef von Royal Greenland zu werden. Zugleich gab er auch seinen Parlamentssitz wieder ab.[19] Sein Amtsvorgänger Jonathan Motzfeldt löste ihn wieder als Parteivorsitzender und Regierungschef ab.

Comeback in der Politik

2001 gab er seinen Chefposten bei Royal Greenland auf und kehrte in die Politik zurück. Er kandidierte bei der Folketingswahl 2001 und wurde erstmals seit 22 Jahren wieder ins Folketing gewählt. Bei der Folketingswahl 2005 wurde er wiedergewählt. Im selben Jahr kandidierte er auch bei der Parlamentswahl 2005 und wurde nach acht Jahren Abwesenheit wieder ins Inatsisartut gewählt. Nachdem die Inuit Ataqatigiit Hans Enoksens Koalition Ende April 2007 verlassen hatte, wurde Lars-Emil Johansen von ihm am 1. Mai zum neuen Finanz- und Außenminister im Kabinett Enoksen V ernannt. Kurze Zeit später kandidierte er bei der Folketingswahl 2007 und wurde wiedergewählt, woraufhin er die Regierung am 30. Mai wieder verlassen musste und durch Aleqa Hammond ersetzt wurde.[1][20][21]

Bei der Parlamentswahl 2009 trat er nicht mehr an. Auch bei der Folketingswahl 2011 kandidierte er nicht mehr und kündigte seinen politischen Ruhestand 40 Jahre nach seiner ersten Wahl in den Landesrat an. Dabei schloss er ausdrücklich aus bei der nächsten Parlamentswahl wieder anzutreten.[22]

Nachdem seine Parteikollegen ihn darum gebeten hatten, kandidierte er dennoch bei der Parlamentswahl 2013[23] und wurde wieder ins Inatsisartut gewählt. Nach der Wahl wurde er zum Parlamentspräsidenten gewählt. Bei der Parlamentswahl 2014 verteidigte er seinen Parlamentssitz und wurde erneut Parlamentsvorsitzender.[24][25] Am 8. Februar 2017 wurde er zum Vorsitzenden der neuen Verfassungskommission auserkoren, was wegen seines Amts als Parlamentsvorsitzender zu Kritik führte, sodass er sich am 8. März 2017 freiwillig zurückzog.[26][27] Von November 2017 bis Januar 2018 war er wegen einer Herzoperation krankgeschrieben.[28] 2018 beendete er seine politische Karriere endgültig.[29]

Aufsichtsratsmitgliedschaften

Lars-Emil Johansen war während seiner Karriere Mitglied in zahlreichen Aufsichtsräten. Von 1971 bis 1975 war er Aufsichtsratsvorsitzender der Atuagagdliutit. Von 1973 bis 1975 war er Aufsichtsratsmitglied bei Grønlandsfly. Von 1986 bis 1991 war er Aufsichtsratsvorsitzender bei Grønlandsfly und zudem Aufsichtsratsmitglied der Erwerbsstiftung der Grønlandsbanken. Von 1988 bis 1991 war er Aufsichtsratsvorsitzender bei Royal Greenland. Von 1997 bis 2001 war er Aufsichtsratsmitglied bei Mercuri Urval Greenland und von 2000 bis 2004 bei Sulisa, davon ab 2002 als Vorsitzender. Von 1998 bis 2007 war er außerdem Aufsichtsratsvorsitzender bei Ice Trawl Greenland und von 1999 bis 2013 (mit kurzer Unterbrechung 2007) von Upernavik Seafood. Von 1999 bis 2002 war er zudem Vorsitzender des Alkohol- und Narkotikarats und von 2001 bis 2006 von Den Grønlandske Havfiskeri og Eksport Sammenslutning (APK). Von 2009 bis 2011 war er Vorsitzender von Greenland Mining & Energy.[25]

Auszeichnungen

Lars-Emil Johansen erhielt am 21. Juni 1989 den Nersornaat in Silber und am 26. September 1991 den in Gold.[30] Er ist Kommandeur des Dannebrogordens, Träger der Dronning Ingrids Medalje mit Krone und Kommandeur des norwegischen Verdienstordens. Außerdem trägt er eine russische Medaille für Fischindustriearbeiter.[31]

Literatur

  • Niels Ole Qvist: Den utæmmelige: Lars-Emil Johansen: eneren i Grønlandsk politik. Politikens Forlag, Kopenhagen 2017, ISBN 978-87-400-3484-4.
  • Lars Emil Johansen 50 år. Nuuk 1996.

Einzelnachweise

  1. a b c d e Merete Harding, Mads Lidegaard: Lars Emil Johansen. Dansk Biografisk Leksikon.
  2. Bendt Lynge: Lynge. Nuuk 1981 (Online [PDF]).
  3. a b Lars Emil Johansen. Atuagagdliutit (20. März 1991). S. 6.
  4. a b c d e Torben Lodberg: Grønlands Grønne Bog 1988. Hrsg.: Grønlands hjemmestyres informationskontor. Kopenhagen 1988, ISBN 87-982902-9-0, S. 37.
  5. Andreas Karker: Jeg bankede min kone. BT (12. April 2003).
  6. På besøg i Hans Egedes Hus. Igdlo (September 1993). S. 2.
  7. Walter Turnowsky: Lars-Emil Johansen langer ud efter Kim Kielsen. Sermitsiaq.AG (16. März 2017).
  8. Danmarks Statistik (Hrsg.): Folketingsvalget den 21. september 1971 samt folkeafstemningen (= Statistiske Meddelelser. Band 1972:6). Kopenhagen 1972 (Online).
  9. Lars Emil Johansen er trådt tilbage. Atuagagdliutit (12. Februar 1986). S. 2.
  10. Ny i Landstinget. Atuagagdliutit (4. Juni 1986). S. 8.
  11. Har fået orlov. Atuagagdliutit (15. April 1987). S. 27.
  12. Jonathan taget til nåde med en »kammeratlig skideballe«. Atuagagdliutit (3. Juni 1987). S. 2.
  13. Jonathan Motzfeldt fortsætter som formand for partiet. Atuagagdliutit (5. August 1987). S. 6.
  14. Ny formand for Siumut for at styrke partiet. Atuagagdliutit (12. August 1987). S. 4.
  15. Laila Ramlau-Hansen: Hjemmestyret skal tørlægges. Atuagagdliutit (8. März 1991). S. 5.
  16. Snævert flertal. Atuagagdliutit (18. März 1991). S. 4.
  17. Stina Skifte: Siumut og IA prøver igen. Atuagagdliutit (18. März 1991). S. 2.
  18. Laila Ramlau-Hansen: Tuusi: Atassut bliver Siumuts nikkedukker. Atuagagdliutit (14. März 1995). S. 8.
  19. Jens Brønden: Lars Emil forlader politik men søger ny udfordring. Atuagagdliutit (2. September 1997). S. 4.
  20. Lars Emil Johansen. Store Norske Leksikon.
  21. CV. Folketing.
  22. Noah Mølgaard: En politisk æra slutter i dag. Kalaallit Nunaata Radioa (15. September 2011).
  23. Peter Troelsen: Politisk comeback til Lars Emil Johansen. Kalaallit Nunaata Radioa (19. Februar 2013).
  24. Helge Schultz-Lorentzen, Merete Harding, Ulrik Brandt: Lars Emil Johansen. Den Store Danske.
  25. a b CV. Inatsisartut (.pdf).
  26. Karsten Sommer: Medie: Lars-Emil bliver formand for kommission. Kalaallit Nunaata Radioa (8. Februar 2017).
  27. Kenneth Elkjær: Lars-Emil Johansen trækker sig fra formands-post. Kalaallit Nunaata Radioa (8. März 2017).
  28. Mads Lynge, Anton Gundersen Lihn: Lars-Emil Johansen vender tilbage. Kalaallit Nunaata Radioa (13. Januar 2018).
  29. Ane-Marie Petersen, Anton Gundersen Lihn: Lars-Emil ringede ud for sidste gang. Kalaallit Nunaata Radioa (13. März 2018).
  30. Jan René Westh: Ordenshistorisk Tidsskrift. Hrsg.: Ordenshistorisk Selskab. Band 36, Dezember 2010, ISSN 0904-5554, S. 35.
  31. Torben Lodberg: Grønlands Grønne Bog 2001/02. Hrsg.: Grønlands hjemmestyres informationskontor. Kopenhagen 2001, ISBN 978-87-89685-16-8, S. 57 f.

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