Langer Franz
Die umgangssprachlich „Langer Franz“ und „Kleiner Cohn“ genannten Türme in Frankfurt am Main wurden zwischen den Jahren 1900 und 1904 gebaut. Sie flankieren den Südflügel des bis 1908 fertiggestellten Rathauserweiterungsbaus, der westlich an die historischen Bauten des Römers am Römerberg anschließt.
Geschichte
Als in den Jahren von 1900 bis 1908 nach Entwürfen der Frankfurter Architekten Ludwig Neher und Franz von Hoven mit dem Bürgersaalbau, dem Süd- und Nordbau die große Rathaus-Erweiterung entstand, für den ein gesamtes mittelalterliches Stadtviertel weichen musste, wurden die Ecken des in einer Mischung aus Gotik und Renaissance errichteten Südbaus mit Türmen verziert, die damals im Stadtbild weithin sichtbar die Position des Rathauses markierten.
Mit 70 Metern war der Lange Franz seinerzeit der höchste Profanbau der Stadt. Er erhielt seinen Spitznamen nach dem hochgewachsenen Oberbürgermeister Franz Adickes, der von 1891 bis 1912 die Geschicke der Stadt lenkte und 1904 sein Amtszimmer in den Turm verlegte. In seiner äußeren Gestalt kopierte der auf 12 Meter tiefen Fundamenten errichtete Turm den 1345 erbauten und 1765 abgebrochenen Brückenturm auf der Sachsenhäuser Seite der Alten Brücke. An der Ost- und Westseite besitzt er Glasmosaikbilder, von denen das östliche, geschaffen von Robert Forell, unter deutlichem Jugendstileinfluss den heiligen Florian darstellt, während das westliche von Karl Julius Graetz (1843-1912) in historistisch-byzantinischer Tradition den Erzengel Michael zeigt. Die originalen, heute nicht mehr erhaltenen Uhren des Turms an Nord- und Südseite besaßen zudem Stundenglocken, die nach Goethes Mutter und Schwester als Frau Rat und Cornelia benannt waren.
Der niedrigere Südturm an der Ecke von Limpurger Gasse und Großem Kornmarkt wurde umgangssprachlich nach einem antisemitischen Operetten-Lied „Kleiner Cohn“ genannt.[1] Er entsprach in seinem Dachaufbau dem um 1350 erbauten, auf die Stadtmauer aufgesetzten Salmensteinschen Haus, das um 1810 im Rahmen der Schleifung der Stadtbefestigung abgerissen wurde. Es war das mit Abstand größte von mehreren Dutzend ähnlicher, auf der ganzen Stadtmauer verteilter Gebäude und Nebentürme und bereits auf dem Belagerungsplan der Stadt von 1552 sowie dem berühmten Vogelschauplan von Matthäus Merian von 1628 gut zu erkennen. Der für seinen Nachbau im Gegensatz zum Langen Franz erst vom Volksmund geprägte Name rührte wohl daher, dass sich das Salmensteinsche Haus im Bereich des heutigen Börneplatzes, also ganz in der Nähe der ehemaligen Frankfurter Judengasse befand.
Brandbomben zerstörten beim Luftangriff am 22. März 1944 das steile Walmdach mit dem Dachreiter. 1951 wurde zudem das vier Meter hohe Obergeschoss mit den vier Erkertürmchen bis zum Rundbogenfries abgetragen. Die Rathaustürme bekamen ihre bis heute bestehenden, flachen Notdächer. Der Lange Franz, heute Aktenlager des Standesamtes, wurde dadurch um zehn Meter niedriger und verlor einen großen Teil seiner Bedeutung im Stadtbild der Altstadt.
Sachsenhäuser Brückenturm, 1775
(Zeichnung von Johann Caspar Zehender)Salmensteinsches Haus, 1810 abgerissen (Darstellung von 1886)
Wiederaufbau
1984 regte der Bankier Johann Philipp von Bethmann erstmals die Wiederherstellung des Langen Franz an. Damals kam jedoch kein Magistratsbeschluss zustande. Auch ein erneuter Anlauf 1994, zum zwölfhundertjährigen Stadtjubiläum, blieb erfolglos, obwohl das städtische Hochbauamt bereits vollständige Pläne für eine Rekonstruktion der Rathaustürme erstellt hatte.[2] Im Rahmen der Wiederherstellung von Teilen der historischen Altstadt war eine Zeitlang geplant, auch dem Rathaus-Ensemble seine ehemals markanten Türme zurückzugeben und das Dach der Kämmerei in seiner ursprünglichen Form zu rekonstruieren. Im gleichen Zusammenhang sollten die Arkaden des Nordbaus an der Bethmannstraße begehbar gemacht werden, um den gegenwärtig wenig frequentierten Straßenabschnitt zu beleben. Wegen der zu erwartenden Kosten wurden diese Pläne nicht weiterverfolgt.
Im Frühjahr 2008 kündigte der Planungsdezernent Edwin Schwarz eine Machbarkeitsstudie an, die auch auf die zu erwartenden Kosten dieser Maßnahmen eingehen soll.[3] Der Magistrat wurde im November 2008 mit einstimmigem Votum der Stadtverordnetenversammlung aufgefordert, die Ergebnisse der Studie vorzustellen.[4] Dies ist bis heute nicht geschehen, ein Antrag der FDP,[5] hierfür Mittel in den Etat einzustellen, wurde mit den Stimmen von CDU und Grünen im Februar 2009 abgelehnt.[6]
2015 erneuerte der Brückenbauverein Frankfurt e.V. auf Initiative des Architekten Christoph Mäckler den Aufruf zum Wiederaufbau der Rathaustürme.[7]
Am 26. April 2017 beauftragte die Stadtverordnetenversammlung aufgrund eines gemeinsamen Etat-Antrages von CDU, SPD und Grünen den Magistrat mit einer Kostenanalyse für eine vollständige Rekonstruktion der beiden Türme „Kleiner Cohn“ und „Langer Franz“.[8] In einem Zwischenbericht vom 15. Juni 2018 bezifferte der Magistrat die möglichen Kosten für den Wiederaufbau der Turmdächer auf sechs Millionen Euro.[9]
Literatur
- Rudolf Jung, Carl Wolff: Die Baudenkmäler in Frankfurt am Main – Band 2, Weltliche Bauten. Selbstverlag/Völcker, Frankfurt am Main 1898.
- Hermann Traut: Der Römer und die neuen Rathausbauten zu Frankfurt a. M. 3. Auflage. Römerverlag Frankfurt a. M., Frankfurt am Main 1924.
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ Tobias Picard, Institut für Stadtgeschichte: Frankfurt am Main in frühen Farbdias 1936 bis 1943, Sutton Verlag, 2011, S. 50
- ↑ Alte neue Pläne auf der Webseite des Brückenbauvereins Frankfurt
- ↑ Antrag der SPD-Fraktion im Römer Nr. 1065 vom 10. September 2008. (PDF; 14 kB) In: PARLIS – Parlamentsinformationssystem der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt am Main. Abgerufen am 15. April 2009.
- ↑ Niederschrift über die 28. (öffentliche) Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, dem 6. November 2008. (PDF; 116 kB) In: PARLIS – Parlamentsinformationssystem der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt am Main. Abgerufen am 15. April 2009.
- ↑ Etat-Antrag der FDP-Fraktion zum Produkthaushalt 2009 E 178 vom 27. November 2008. (PDF; 17 kB) In: PARLIS – Parlamentsinformationssystem der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt am Main. Abgerufen am 15. April 2009.
- ↑ Niederschrift über die 28. Sitzung des Ausschusses für Planung, Bau und Wohnungsbau der Stadtverordnetenversammlung am Montag, dem 16. Februar 2009. (PDF; 77 kB) In: PARLIS – Parlamentsinformationssystem der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt am Main. Abgerufen am 15. April 2009.
- ↑ Alte Brücke: Der Kaiser kehrt zurück, Frankfurter Neue Presse, 3. Februar 2015, Zitat: „Der Brückenbauverein will sich demnächst der Rekonstruktion der beiden mit Notdächern versehenen Rathaustürme widmen: „Der Lange Franz und der Kleine Cohn wurden in Erinnerung an die früheren Brückentürme der Alten Brücke gebaut, die somit im Gedächtnis der Frankfurter sehr präsent waren“, erklärt Mäckler.“
- ↑ https://www.stvv.frankfurt.de/download/E_87_2017.pdf PDF-Datei: Gemeinsamer Etat – Antrag der Fraktionen von CDU, SPD und GRÜNEN zum Produkthaushalt 2017
- ↑ Magistratsbericht B188 (PDF; 429 kB)
Weblinks
- Der Hut gehört nach oben, Webseite des Brückenbauvereins Frankfurt e.V. zum Wiederaufbau der Rathaustürme
- Altfrankfurt.com (mit historischem Foto des "Langen Franz")
- Simulation von Rathausansichten mit wiederaufgebautem Langen Franz, Treppenturm und Kämmereidach im DAF
- Türme am Frankfurter Römer: Dächerplan für „Langen Franz“ und „Kleinen Cohn“, FAZ, 10. Mai 2017
- Video: Langer Franz in der Hessenschau, 6. Januar 2018
Koordinaten: 50° 6′ 37,5″ N, 8° 40′ 47,2″ O
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Frankfurt am Main: Türme Langer Franz (links) und Kleiner Cohn (rechts) des historistischen Neuen Rathauses, vom Maintower aus gesehen
Frankfurt am Main: Neues Rathaus mit dem Turm Langer Franz, vom Paulsplatz aus gesehen
Frankfurt am Main: Sachsenhäuser Brückturm
Frankfurt am Main: Postkarte vom Rathausneubau in der Bethmannstraße mit den Türmen Langer Franz (großer Turm rechts) und Kleiner Kohn (kleiner Turm im Hintergrund links davon).
Frankfurt am Main: Rathausneubau in der Bethmannstraße mit den Türmen Langer Franz hierfür schuf Karl Julius Grätz (1843-1912) in historistisch-byzantinischer Tradition ein Großmosaik mit der Darstellung des Erzengel Michael und den Turm Kleiner Kohn (rechts).
Frankfurt am Main: Neues Rathaus mit den Türmen Langer Franz und Kleiner Kohn (angeschnitten), vom Großen Kornmarkt aus gesehen
Expansion plan for the Frankfurt town hall, perspective Paulusplatz seen towards Bathmannstrasse.
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Frankfurt am Main, Langer Franz und Seufzerbrücke. Die Nord- und Südseite des Langen Franz hatten ursprünglich zwei große, heute in dieser originalen, Uhren mit Stundenglocken, die nach Goethes Mutter Frau Rat und Goethes Schwester Cornelia benannt waren.
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Turm Langer Franz im Rathaus-Komplex des Römers, Frankfurt am Main, Hessen, Deutschland
Frankfurt am Main: Sogenanntes, um 1350 erbautes Salmensteinsches Haus auf der ab 1343 angelegten Stadtmauer der zweiten Stadterweiterung im Bereich der heutigen Rechneigrabenstraße. Es inspirierte im 19. Jahrhundert die Architekten des Rathausneubaus, so dass der kleinere Rathausturm Kleiner Cohn im Dachbereich eine exakte Kopie des Hauses darstellt. Er hat nach seiner Beschädigung im Zweiten Weltkrieg allerdings bis heute nur ein flaches Notdach. Vielfache Eingaben zur Rekonstruktion des Daches des Kleinen Cohn scheiterten bis dato.