Landtag des Herzogtums Anhalt

Der Landtag des Herzogtums Anhalt war die Legislative im Herzogtum Anhalt. Sein Nachfolger war der Landtag des Freistaates Anhalt.

Vorgeschichte

Seit dem Mittelalter bestand in Anhalt die Anhaltinische Landschaft. Diese setzte sich zunächst aus den Kurien der Prälaten, der Ritterschaft und den Bürgermeistern der Städten zusammen, später verschwand der Stand der Prälaten. 1547 ist der erste abgehaltene Landtag dokumentiert. Seit dem Jahr 1698 wurde der Landtag nicht mehr einberufen, 1767 erfolgte der letzte Landesrechnungstag. Seitdem erfolgten lediglich Ausschusssitzungen. Der engere Landtagsausschuss bestand aus jeweils vier Vertretern des Adels (Landräte) und der Städte, der weitere Ausschuss aus 12 Adligen und 8 Bürgermeistern. 1793 trat der Ausschuss ein letztes Mal in Zerbst zusammen.

In Anhalt-Köthen wurde in der Franzosenzeit 1810/11 eine kurzlebige Verfassung erlassen, die keine bleibende Veränderung schuf.[1]

1848

Artikel 13 der Bundesakte des Deutschen Bundes forderte die Einrichtung „landständiger Verfassungen“. Die Verhandlungen der einzelnen Zweige des Gesamthauses Anhalt zur Schaffung einer Verfassung für das Gesamthaus verliefen jedoch im Sande.

Erst nach der Märzrevolution 1848 kam es zu der Bildung von Landtagen und einer Verfassung. Allerdings war es weiterhin nicht gelungen, eine einheitliche Regelung für das Gesamthaus zu schaffen. Lediglich Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen einigten sich auf einen gemeinsamen Landtag. Gemäß Verordnung vom 23. März 1848/11. April 1848 wurden in den beiden Teilherzogtümern Landtagswahlen durchgeführt und der so gewählte erste Landtag am 31. Juli 1848 nach Dessau einberufen. Hauptaufgabe des Landtags war die Beratung einer Verfassung. Diese wurde am 28. Oktober 1848 vom Landtag beschlossen und am Folgetag von den Herzögen gegengezeichnet.

Unabhängig hiervon wurde auch in Anhalt-Bernburg ein Landtag gewählt, der am 28. Februar 1850 eine Verfassung dieses Teilherzogtums beschloss.

Der Gesamtlandtag von Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen bestand aus 44 Abgeordneten. Die Wahlperiode betrug zwei Jahre. Bei Angelegenheiten, die jeweils nur ein Teilherzogtum betrafen, konnten die jeweils 22 Abgeordneten der einzelnen Landesteile zu Speziallandtagen zusammengerufen werden. Das Wahlrecht wurde im Wahlgesetz vom 24. Februar 1849[2] festgelegt. Am 1. März 1849 wurde die Geschäftsordnung des Landtags beschlossen.[3] Der so gewählte erste ordentliche Landtag trat zwischen dem 4. Juni 1849 und seiner Auflösung am 12. November 1849 in 11 Sitzungen zusammen. Sitzungsort war in Köthen der Spiegelsaal des Schlosses und im Hoftheather in Dessau.[4]

Mit Verordnung vom 4. November 1851 wurde in der Reaktionsära die Verfassung (ohne Mitwirkung des Landtags) aufgehoben.

1859

Mit Verordnung vom 18. Juli/31. August[5] eine neue Landschaftsordnung erlassen, die erneut die Einführung eines Landtags regelte. Formal wurde diese mit einer Deputation der alten Landschaft abgestimmt, faktisch war es eine oktroyierte Verfassung. Der Gesamtlandtag bestand danach aus 36 Abgeordneten, je 12 davon wurden von den Kurien der Ritterschaft, den Städten und den Landgemeinden bestimmt.

Von den Abgeordneten der Ritterschaft entfielen 8 auf den Landesteil Dessau-Köthen und 4 auf Bernburg. Ein Teil dieser Abgeordneten entfiel auf adlige Familien mit Sonderstimmrecht, die anderen wurden von der Besitzern anhaltinischer Rittergüter gewählt. Die Wahl erfolgte auf Lebenszeit.

Abgeordnete der Städte im Landesteil Dessau-Köthen waren die Bürgermeister der Städte Dessau, Zerbst und Köthen sowie 5 zu wählende Vertreter der anderen Städte (je 2 im ersten und zweiten Kreis und einer im Dritten). Im Landsteil Bernburg waren dies die Bürgermeister von Bernburg, ein Vertreter von Coswig und Bernburg und zwei Vertreter von Ballenstedt, Harzgerode, Gernrode, Hoym und Güntherberge. Die Vertreter wurden jeweils von den Gemeinderäten gewählt.

Die Abgeordnete der Landgemeinden wurden von den Schulzen gewählt. Wählbar waren Schulzen und Grundbesitzer. 8 davon entfielen auf den Landesteil Dessau-Köthen (je 3 im ersten und zweiten Kreis und 2 im Dritten). Im Landesteil Bernburg wurden in den Kreisämtern Bernburg und Coswig je einer und im Kreisamt Ballenstedt zwei Abgeordnete gewählt.

Liste der landtagsfähigen Rittergüter

Die folgenden landtagsfähigen Rittergüter bestanden in Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen.[6]

RittergutOrtEigentümer
Rittergut KleinbadegastKleinbadegastFamilie von Salmuth
Rittergut CösitzCösitzFamilie von der Bussche-Lohe
Rittergut KrakauKrakauZerbster Rat
Rittergut DobritzDobritzFamilie von Kalitsch
Rittergut EdderitzEdderitzFamilie von Wülknitz
Rittergut FrenzFrenzFamilie Türk
Rittergut GaritzGaritzFamilie von Davier
Rittergut GierslebenGierslebenFamilie von Braunbehrens
Rittergut Güsten IGüstenFamilie Kraatz
Rittergut Güsten IIGüstenFamilie Salmuth
Rittergut HagendorfHagendorfFamilie von Kalitsch
Rittergut HohsdorfHohsdorfMosigkauer Stift
Rittergut Ilberstedt (Unterhof)IlberstedtFamilie von Biedersee
Rittergut JütrichauJütrichauFamilie von Oppen
Rittergut Neeken (Alter Hof)NeekenFamilie von Davier
Rittergut Neeken (Neuer Hof)NeekenFamilie von Davier
Rittergut RiebermarkeBurgchemnitzFamilie von Bodenhausen
Rittergut RuthaRuthaFamilie von Kalitsch
Rittergut OsternienburgOsternienburgFamilie Bötsch
Rittergut GroßpaschlebenGroßpaschlebenFamilie von Wuthenau
Rittergut PiethenPiethenZuckerfabrik Glauzig
Rittergut PolenzkoPolenzkoFamilie von Kalitsch
Rittergut PreußlitzPreußlitzFamilie Lohmeyer
Rittergut ThurauThurauFamilie von Wuthenau
Rittergut Trebbichau an der FuhneTrebbichau an der FuhneFamilie von Bodenhausen
Rittergut TrinumTrinumFamilie von Ende
Rittergut WedlitzWedlitzFamilie von Stammer
Rittergut Groß-WeissandGroß-WeissandFamilie von Veltheim
Rittergut Klein-WeißandtKlein-WeißandtFamilie von Zerbst
Rittergut WendorfWendorfFamilie von Renthe-Fink
Rittergut WispitzWispitzFamilie von Stammer
Rittergut Groß-WülknitzGroß-WülknitzKatholische Kirche in Köthen
Rittergut WörbzigWörbzigFamilie Rette
Rittergut ZehringenZehringenFamilie Eggeling

Die folgenden landtagsfähigen Rittergüter bestanden in Anhalt-Bernburg.

RittergutOrtEigentümer
Mannlehn-Rittergut Hohen-ErxlebenHohenerxlebenFamilie von Krosigk
Mannlehn-Rittergut RathmannsdorfRathmannsdorfFamilie von Krosigk
Mannlehn-Rittergut HecklingenHecklingenFamilie von Trotha
Mannlehn-Rittergut GänsefurthGänsefurthFamilie von Trotha
Mannlehn-Rittergut ThurmhofHecklingenFamilie von Trotha
Mannlehn-Rittergut Schlewipp-GrönaSchlewipp-GrönaFamilie von Krosigk
von Britze’sches RittergutWaldauFamilie Weinschenk
von Hannstein’sches RittergutOsmarslebenFamilie Kraatz
von Zinke’sches RittergutOsmarslebenFamilie Kraatz
BullenstedtBullenstedtFamilie Steintopff
Mannlehn-Rittergut Klieken (Oberhof)KliekenFamilie Lattorff
Mannlehn-Rittergut Klieken (Unterhof)KliekenFamilie Lattorff
von Röder’scher freier SattelhofHarzgerodeFamilie von Röder

1872

Siegelmarke Der Landtag des Herzogthums Anhalt

Mit Gesetzen vom 15. Juli 1871[7] und 19. Februar 1872[8] wurde die Landesordnung geändert. Der Landtag bestand nun aus 36 Mitgliedern. Davon wurden zwei vom Herzog ernannt, 8 von den höchstbesteuerten Grundbesitzern und zwei von den höchstbesteuerten Handels- und Gewerbetreibenden, 14 von den übrigen Wahlberechtigten der Städte und 10 von den übrigen Wahlberechtigten des platten Landes gewählt. Die Wahlperiode dauerte 6 Jahre.

Die Rechtsgrundlage des Landtags war die Landschaftsordnung vom 18. Juli/31. August 1859 und die Änderungsgesetze vom 15. Juli 1871, 19. Februar 1872, 3. Januar 1873 und 4. Februar 1874 sowie die Verordnung über die Abgrenzung der Wahlbezirke und über das Wahlverfahren vom 23. August 1872.

Änderungen der Verfassung und die Einführung neuer Steuer oder den Eingriff in die bestehenden Rechte Einzelner oder Körperschaften, Schuldenaufnahme und Gebietsveränderungen erforderten die Zustimmung des Landtags. Bezüglich der anderen Gesetzesvorhaben hatte der Landtag eine beratende Rolle. Er hatte daneben das Budgetrecht und das Recht zur Überwachung der Schuldentilgung der Staatshaushaltsrechnungen.

Der Landtag wurde vom Herzog einberufen und aufgelöst. Dies erfolgte regulär einmal jährlich.

Das Wahlrecht hatten nur Männer, die über 25 Jahre alt waren und finanziell unabhängig waren. Zu den meistbesteuerten Wählern gehörten diejenigen mit einer Steuerlast von 21 Mark oder mehr. Die Wahl erfolgte geheim in indirekter Wahl, je 150 bis 200 Urwähler wurde ein Wahlmann gewählt.

Der Landtag wählte drei Kandidaten für das Amt des Parlamentspräsidenten. Aus diesen drei Kandidaten wählte der Herzog den Präsidenten für die ganze Wahlperiode aus.

Sitz des Parlamentes war der Mittelbau des Behördengebäudes in Dessau.

1918

Mit der Novemberrevolution wurde der Freistaat Anhalt ausgerufen. Anstelle des bisherigen Landtags trat nun der Landtag des Freistaates Anhalt.

Mitglieder

Abgeordnete

Für die Abgeordneten siehe die Kategorie:Landtagsabgeordneter (Herzogtum Anhalt).

Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen:

  • 1848: Liste der Abgeordneten des konstituierenden Vereinigten Landtags der Herzogtümer Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen
  • 1848–1849: Liste der Abgeordneten des ersten ordentlichen Vereinigten Landtags der Herzogtümer Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen
  • 1849–1850: Liste der Abgeordneten des zweiten ordentlichen Vereinigten Landtags der Herzogtümer Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen

Anhalt-Berneburg:

  • 1848: Liste der Abgeordneten des konstituierenden Landtags des Herzogtums Anhalt-Berneburg
  • 1848–1849: Liste der Abgeordneten des ersten ordentlichen Landtags des Herzogtums Anhalt-Berneburg

Herzogtum Anhalt:

  • 1859–1865: Liste der Abgeordneten des Landtags des Herzogtums Anhalt 1859–1865
  • 1865–1872: Liste der Abgeordneten des Landtags des Herzogtums Anhalt 1865–1872
  • 1872–1878: Liste der Abgeordneten des Landtags des Herzogtums Anhalt 1872–1878
  • 1878–1884: Liste der Abgeordneten des Landtags des Herzogtums Anhalt 1878–1884
  • 1884–1890: Liste der Abgeordneten des Landtags des Herzogtums Anhalt 1884–1890
  • 1890–1896: Liste der Abgeordneten des Landtags des Herzogtums Anhalt 1890–1896
  • 1896–1902: Liste der Abgeordneten des Landtags des Herzogtums Anhalt 1896–1902
  • 1902–1908: Liste der Abgeordneten des Landtags des Herzogtums Anhalt 1902–1908
  • 1908–1918: Liste der Abgeordneten des Landtags des Herzogtums Anhalt 1908–1918

Präsidien

  • Konstituierender Landtag für Anhalt-Dessau
    • Präsident: Friedrich Louis Rulandt, Bankdirektor in Dessau
    • Stellvertretender Präsident: Franz Imme, Justizamtmann in Oranienbaum
  • Erster ordentlicher Landtag für Anhalt-Dessau
    • Präsident: Fr. Lagemann, Oberstaatsanwahlt in Dessau
    • Stellvertretender Präsident: L. Otto Mann, Prediger in Zerbst
  • Zweiter ordentlicher Landtag für Anhalt-Dessau
    • Präsident: L. Otto Mann, Prediger in Zerbst
    • Stellvertretender Präsident: Eduard Degener, Landwirt in Dessau und Karl Wiegand, Lehrer in Zerbst
  • Konstituierender Landtag für Anhalt-Köthen
    • Präsident: Albert Vierthaler, Advokat in Roßlau
    • Stellvertretender Präsident: Robert Jannasch, Advokat in Köthen
  • Erster ordentlicher Landtag für Anhalt-Dessau
    • Präsident: Albert Vierthaler, Bevollmächtigter bei der provisorischen Zentralgewalt
    • Stellvertretender Präsident: Karl Friedrich Hölemann, Pfarrer in Edderitz
  • Zweiter ordentlicher Landtag für Anhalt-Dessau
    • Präsident: Karl Friedrich Hölemann, Pfarrer in Edderitz
    • Stellvertretender Präsidenten: Gustav Bartels, Generalkommissionsrat in Köthen, Anton von Braunbehrens, Kreisdirektor in Giersleben
  • Konstituierender Vereinigter Landtag
    • Präsident: Adolf Wolter, Oberlandesgerichtsrat in Köthen
    • Stellvertretender Präsident: Karl Mohs, Oberlandesgerichtspräsident in Dessau
  • Erster ordentlicher Vereinigter Landtag
    • Präsident: L. Otto Mann, Prediger in Zerbst
    • Stellvertretender Präsident: Karl Friedrich Hölemann, Pfarrer in Edderitz
  • Zweiter ordentlicher Vereinigter Landtag
    • Präsident: Karl Friedrich Hölemann, Pfarrer in Edderitz
    • Stellvertretender Präsidenten: L. Otto Mann, Prediger in Zerbst, Friedrich Louis Rulandt, Bankdirektor in Dessau

Quellen

  • Verfassung 1848.
  • Verfassung 1859.
  • Staats- und Adreß-Handbuch für die Herzogthümer Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen. 1851, S. 42 ff. (Digitalisat).
  • Hof- und Staats-Handbuch für das Herzogtum Anhalt. 1876, S. 105 ff. (Digitalisat).
  • Hof- und Staats-Handbuch für das Herzogtum Anhalt. 1883, S. 112 ff. (Digitalisat).
  • Hof- und Staats-Handbuch für das Herzogtum Anhalt. 1894, S. 146 ff. (Digitalisat).

Literatur

  • Mathias Tullner: Die Revolution von 1848/49 in Sachsen-Anhalt, 1998, ISBN 3932776496.
  • Otto Behr: Die Verfassungszustände der in Anhalt-Dessau-Köthen, 1861, Digitalisat.
  • Günter Ziegler, Rüdiger Hachtmann: Zwischen Wörlitz und Mosigkau – Parlamentarismus in Anhalt, 1993, Snipet

Einzelnachweise

  1. Detlef Merten, Hans-Jürgen Papier: HGR VIII: Landesgrundrechte in Deutschland; Band 8 von Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, 2016, ISBN 9783811488816, S. 10, Digitalisat
  2. Gesetzessammlung von Anhalt-Dessau, Nr. 271
  3. Gesetzessammlung von Anhalt-Dessau, Nr. 273
  4. Darstellung auf der Seite des Landtags Sachsen-Anhalt
  5. Gesetzessammlung von Anhalt-Dessau, Nr. 573
  6. Ferdinand Siebigk: Das Herzogtum Anhalt, Dessau 1867, S. 127 ff. online
  7. Gesetzessammlung von Anhalt-Dessau, Nr. 264
  8. Gesetzessammlung von Anhalt-Dessau, Nr. 288

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Titel: Der Landtag des Herzogthums Anhalt
Beschreibung: grün, weiß, geprägt
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Größe: 3x3 cm