Kreis Krotoschin
Der Kreis Krotoschin bestand von 1793 bis 1807 in der preußischen Provinz Südpreußen und von 1815 bis 1919 in der preußischen Provinz Posen.
Der Landkreis Krotoschin war außerdem während des Zweiten Weltkrieges eine deutsche Verwaltungseinheit im besetzten Polen (1939–1945).
Ausdehnung
Der Kreis Krotoschin hatte zuletzt eine Fläche von 498 km².[1]
Geschichte
Das Gebiet um die großpolnische Stadt Krotoschin gehörte nach der Zweiten Teilung Polens von 1793 bis 1807 zum Kreis Krotoschin in der preußischen Provinz Südpreußen.[2] Durch den Frieden von Tilsit kam das Gebiet 1807 zum Herzogtum Warschau. Nach dem Wiener Kongress fiel es am 15. Mai 1815 erneut an das Königreich Preußen und wurde Teil des Regierungsbezirks Posen der Provinz Posen.
Bei den preußischen Verwaltungsreformen wurde zum 1. Januar 1818 im Regierungsbezirk Posen eine Kreisreform durchgeführt, bei der der Kreis Krotoschin verkleinert wurde. Das Gebiet um die Stadt Jutroschin wechselte zum Kreis Kröben, das Gebiet um die Stadt Jaratschewo zum Kreis Schrimm und das Gebiet um die Stadt Jarotschin zum Kreis Pleschen.[3] Kreisstadt und Sitz des Landratsamtes war die Stadt Krotoschin.
Als Teil der Provinz Posen wurde der Kreis Krotoschin am 18. Januar 1871 Teil des neu gegründeten Deutschen Reichs, wogegen die polnischen Abgeordneten im neuen Reichstag am 1. April 1871 protestierten.
Am 1. Oktober 1887 wurde aus der Nordwesthälfte des Kreises Krotoschin der neue Kreis Koschmin gebildet.[4]
Am 27. Dezember 1918 begann in der Provinz Posen der Großpolnische Aufstand der polnischen Bevölkerungsmehrheit gegen die deutsche Herrschaft, und bis auf den Südrand um die Stadt Zduny geriet das Kreisgebiet innerhalb weniger Tage unter polnische Kontrolle. Am 16. Februar 1919 beendete ein Waffenstillstand die polnisch-deutschen Kämpfe, und am 28. Juni 1919 trat die deutsche Regierung mit der Unterzeichnung des Versailler Vertrags den Kreis Krotoschin auch offiziell an das neu gegründete Polen ab. Deutschland und Polen schlossen am 25. November 1919 ein Abkommen über die Räumung und Übergabe der abzutretenden Gebiete ab, das am 10. Januar 1920 ratifiziert wurde. Die Räumung des unter deutscher Kontrolle verbliebenen Restgebietes mitsamt der Stadt Zduny und Übergabe an Polen erfolgte zwischen dem 17. Januar und dem 4. Februar 1920.
Einwohnerentwicklung
Jahr | Einwohner | Quelle |
---|---|---|
1818 | 52.857 | [5] |
1846 | 62.066 | [6] |
1871 | 65.885 | [7] |
1890 | 42.971 | |
1900 | 45.281 | [1] |
1910 | 46.874 | [1] |
Von den Einwohnern des Kreises waren 1890 etwa 70 % Polen und 30 % Deutsche. Ein großer Teil der deutschen Einwohner verließ nach 1919 das Gebiet.
Politik
Landräte
- 1793–1795[8] Anton von Zychlinski
- 1795–1806[9] von Thein
- 1818–1831Heinrich von Borck (1767–1827)
- 1831–1845 von Karczewski
- 1845–1851 Bauer
- 1848–1850Alfred Dönhoff (1820–1875)
- 1851–1873Wilhelm von Krupka (1823–1893)
- 1873–1891 Glaeser
- 1891–1898Arthur Germershausen (1849–1913)
- 1898–1918Konrad Hahn
Wahlen
Der Kreis Krotoschin gehörte zum Reichstagswahlkreis Posen 8. Der Wahlkreis wurde bei allen Reichstagswahlen zwischen 1871 und 1912 von den Kandidaten der Polnischen Fraktion gewonnen:
- 1871Heinrich von Krzyzanowski
- 1874Eduard Kegel
- 1877Theophil Magdzinski
- 1878Ludwig von Jazdzewski
- 1881 Ludwig von Jazdzewski
- 1884 Ludwig von Jazdzewski
- 1887Roman von Komierowski
- 1890 Ludwig von Jazdzewski
- 1893 Ludwig von Jazdzewski
- 1898 Ludwig von Jazdzewski
- 1903 Ludwig von Jazdzewski
- 1907Wladislaus von Mieczkowski
- 1912Anton von Chlapowski
Kommunale Gliederung
Zum Kreis Krotoschin gehörten zuletzt die vier Städte Krotoschin, Dobrzyca, Kobylin und Zduny. Die (Stand 1908) 50 Landgemeinden und 33 Gutsbezirke waren anfangs in (kleineren) Woytbezirken (polnisch „wójt“ = deutsch „Vogt“) und später in größeren Polizeidistrikten zusammengefasst.
Gemeinden
Am Anfang des 20. Jahrhunderts gehörten die folgenden Gemeinden zum Kreis:[1]
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Bis auf wenige Ausnahmen galten nach 1815 die polnischen Ortsnamen weiter, zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden mehrere Ortsnamen eingedeutscht.
Der Landkreis Krotoschin im besetzten Polen (1939–1945)
Geschichte
Im Zweiten Weltkrieg bildeten die deutschen Besatzungsbehörden den Landkreis Krotoschin im Regierungsbezirk Posen. Die am 26. Oktober 1939 vollzogene Annexion des Gebietes durch das Deutsche Reich war als einseitiger Akt der Gewalt völkerrechtlich aber unwirksam. Die jüdischen Einwohner wurden im Zweiten Weltkrieg von den deutschen Besatzungsbehörden ermordet. Mit dem Einmarsch der Roten Armee im Januar 1945 endete die deutsche Besetzung.
Landräte
- 1942–1945Ewald Wellmann
- 1945Peter Orlowski (vertretungsweise)
Kommunale Gliederung
Während der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg erhielten nur Krotoschin 1942 und Koschmin 1943 die Stadtrechte laut Deutscher Gemeindeordnung von 1935, die übrigen Gemeinden wurden in Amtsbezirken zusammengefasst.
Ortsnamen
Bis auf wenige Ausnahmen galten nach 1815 die polnischen Ortsnamen weiter, zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden mehrere Ortsnamen eingedeutscht. Während der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg wurden durch unveröffentlichten Erlass vom 29. Dezember 1939 zunächst die 1918 gültigen Ortsnamen übernommen, es erfolgten aber bald "wilde" Eindeutschungen durch die lokalen Besatzungsbehörden. Am 18. Mai 1943 erhielten alle Orte mit einer Post- oder Bahnstation deutsche Namen, dabei handelte es sich meist um lautliche Angleichungen, Übersetzungen oder freie Erfindungen.[10]
Größere Gemeinden im Kreis Krotoschin:
polnischer Name | deutscher Name (1815–1919) | deutscher Name (1939–1945) | Einwohnerzahl (1910)[11] |
---|---|---|---|
Baszków | Baschkow | 1939–1943 Baschkow 1943–1945 Baschau | 585 |
Benice | Benice | Benitz | 619 |
Biadki | Biadki | Battken | 742 |
Bożacin | Bozacin | 1939–1943 Bosatschin 1943–1945 Bosenstein | 513 |
Dąbrowa | Dombrowo | 1939–1945 Dombrowo 1943–1945 Krotteichen | 555 |
Dobrzyca | Dobrzyca | Dobberschütz | 1279 |
Gorzupia | Gorzupia | Franzensfeld | 644 |
Grębów | Grembow | 661 | |
Kobierno | Kobierno | Köbern | 602 |
Kobylin | Kobylin | 1939–1943 Kobylin 1943–1945 Koppelstädt | 2329 |
Konarzew | Konarzewo 1908–1919 Hahnau | Konradshof | 558 |
Korytnica | Korytnica | Korytnitza | 664 |
Koźminiec | Deutsch Koschmin Hauland 1905–1919 Deutsch Koschmin | 1939–1943 Deutsch Koschmin 1943–1945 Horlebrunn | 712 |
Krotoszyn | Krotoschin | Krotoschin | 13064 |
Ligota | Ligota | Unterambach | 1364 |
Lutogniew | Lutogniewo 1907–1919 Margarethendorf | Margaretendorf | 690 |
Nowa Wieś | Neudorf | 1939–1943 Neudorf 1943–1945 Budenneudorf | 600 |
Orpiszew | Orpischewo | Sonnenfeld | 789 |
Roszki | Roschki | Roschken | 810 |
Rozdrażew | Rozdrazewo | 1939–1943 Albertshof 1943–1945 Brigidau | 1155 |
Zduny | Zduny | 1939–1943 Zduny 1943–1945 Treustädt | 3431 |
Literatur
- Martin Sprungala: Historisches Ortsverzeichnis der Provinz Posen und der Wojewodschaft Poznań (Posen). Bad Bevensen 2007.
- Leopold von Zedlitz-Neukirch: Die Staatskräfte der preußischen Monarchie unter Friedrich Wilhelm III. Band 2, Teil 1, Berlin 1828, S. 99, Ziffer VIII.
- Martin Sprungala: Die Geschichte der Posener Kreise und kreisfreien Städte. Bad Bevensen 2007.
- Michael Rademacher: Posen – Landkreis Krotoschin. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
- Königliches Statistisches Büro: Die Gemeinden und Gutsbezirke des preussischen Staates und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. Dezember 1871 bearbeitet und zusammengestellt. Teil IV: Die Provinz Posen. Berlin 1874, S. 122–129 (Digitalisat, S. 129–136).
- M. Rademacher: Michael Rademacher: Deutsche Verwaltungsgeschichte von der Reichseinigung 1871 bis zur Wiedervereinigung 1990. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com. .
- Gustav Neumann: Geographie des Preußischen Staats. 2. Auflage. Band 2, Berlin 1874, S. 147, Ziffer 6.
- Königlich Preußisches Statistisches Landesamt: Gemeindelexikon der Regierungsbezirke Allenstein, Danzig, Marienwerder, Posen, Bromberg und Oppeln. Auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und anderer amtlicher Quellen. Berlin 1912, Heft IV: Regierungsbezirk Posen, S. 42–47, Kreis Krotoschin.
- A. C. A. Friedrich: Historisch-geographische Darstellung Alt- und Neu-Polens. Berlin 1839, S. 580–581.
Weblinks
- Heimatkreisgemeinschaft Krotoschin
- Kreis Krotoschin Verwaltungsgeschichte und die Landräte auf der Website territorial.de (Rolf Jehke), Stand 18. August 2013.
Einzelnachweise
- ↑ a b c d www.gemeindeverzeichnis.de
- ↑ Historisch statistisch topographische Beschreibung von Südpreußen, 1798
- ↑ Walther Hubatsch (Hrsg.): Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815–1945. Johann-Gottfried-Herder-Institut, Marburg/Lahn; Band 2, Teil 1: Provinz Posen. bearbeitet von Dieter Stüttgen, 1975, ISBN 3-87969-109-6
- ↑ www.territorial.de, abgerufen am 1. Januar 2010
- ↑ A. C. A. Friederich: Historisch-geographische Darstellung Alt- und Neu-Polens. Stuhrsche Buchhandlung, Berlin (Digitalisat [abgerufen am 8. August 2018]).
- ↑ Königliches Statistisches Bureau (Hrsg.): Mittheilungen des Statistischen Bureau's in Berlin, Band 2. Einwohnerzahlen der Kreise. (Digitalisat).
- ↑ Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Posen und ihre Bevölkerung 1871
- ↑ Handbuch über den Koniglich Preussischen Hof und Staat für das Jahr 1798 (Digitalisat)
- ↑ Rolf Straubel: Biographisches Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740–1806/15. In: Historische Kommission zu Berlin (Hrsg.): Einzelveröffentlichungen. 85. K. G. Saur Verlag, München 2009, ISBN 978-3-598-23229-9.
- ↑ www.gross-wartenberg.de Verordnungsblatt des Reichsstatthalters im Warthegau, pdf, abgerufen am 7. April 2013
- ↑ www.gemeindeverzeichnis.de Kreis Krotoschin, abgerufen am 7. April 2013
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Karte des "Reichsgaus Wartheland", 1943
Autor/Urheber: Lukas Götz, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Verwaltungsgliederung der preußischen Provinz Posen (1815-1920); Lage des Landkreises Krotoschin.
Kreis Krotoschin as from 1887 to 1919
Kreis Krotoschin as from 1818 to 1887
Map of "Kreis Krotoschin" as of 1798
Provinz Posen.