Landesvertretung Nordrhein-Westfalen (Bonn)

Ehemalige Landesvertretung Nordrhein-Westfalen, Luftaufnahme, 2018
(c) Bundesarchiv, B 145 Bild-F077055-0002 / Arne Schambeck / CC-BY-SA 3.0
Landesvertretung Nordrhein-Westfalen, 1987

Die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund hatte von 1949 bis 2000 ihren Sitz im Bonner Parlaments- und Regierungsviertel. Das ehemalige Gebäude der Landesvertretung liegt im Ortsteil Gronau an der Dahlmannstraße 2 (ehemals Görresstraße 13[1][2]) im Zentrum des Bundesviertels, unmittelbar östlich des ehemaligen Bundeskanzleramtsgebäudes (heute Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und nordwestlich des Platzes der Vereinten Nationen. Es ist weiterhin im Eigentum des Landes.

Geschichte

Landesvertretung Bonn, Architekt: Heinrich Bartmann, 1953/1954

Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 war die Landesvertretung zunächst im Block IIb der behelfsmäßig errichteten sogenannten „Pressehäuser“ am Bundeshaus untergebracht. Anschließend erwarb das Land im Bad Godesberger Ortsteil Friesdorf eine am Waldrand gelegene Villa (Hochkreuzallee 246). Sie war sowohl in funktionaler als auch in repräsentativer Hinsicht wenig für die Bedürfnisse einer Landesvertretung geeignet. Zusätzlich wurden im Regierungsviertel Büroflächen angemietet, was jedoch durch die damit einhergehende Trennung des Geschäftsbetriebs nicht als tragfähig erschien. Aufgrund der Nähe Bonns zur Landeshauptstadt Düsseldorf und der Lage des Regierungssitzes im eigenen Land war im Landesfinanzministerium auch erwogen worden, auf eine Landesvertretung zu verzichten.

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens erwarb auf Vorschlag des Bundesratsministers Carl Spiecker 1952 das 15.000 m² große Grundstück der späteren Landesvertretung an der Görrestraße. Auf ihm befanden sich bislang vier der „Pressehäuser“, deren für den Neubau erforderlicher Abriss zunächst noch politisch durchgesetzt werden musste.[3] Nach einem positiven Votum des nordrhein-westfälischen Landtags lobte das Wiederaufbauministerium des Landes 1952 einen beschränkten Architektenwettbewerb aus, bei dem der Darmstädter Architekt Heinrich Bartmann den ersten und der Kölner Architekt Hans Schumacher den zweiten Preis erhielt.[4][5] Zur Ausführung bestimmt wurde der erstplatzierte Entwurf Bartmanns für einen winklig angelegten, zwei- und dreigeschossigen Bürobau, der bis 1954/55 entstand. 1968–1969 wurde das Gebäude umgebaut und ein dreigeschossiger Erweiterungsbau vollendet, der mit dem Altbau durch einen zweigeschossigen Trakt verbunden ist. Das verglaste Erdgeschoss des Traktes konzipierte man als Eingangshalle. Die Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen lagen in den Händen des Recklinghäuser Architekten Günther Marschall.

Von April 1993 bis April 1995 kam es zu einer weiteren Gebäudevergrößerung durch das Kölner Architekturbüro Busmann + Haberer (Peter Busmann, Godfrid Haberer), die in ihrem Umfang aufgrund des zwei Jahre vor Baubeginn gefallenen Hauptstadtbeschlusses reduziert wurde und die letzte bauliche Erweiterungsmaßnahme einer Landesvertretung in Bonn war.[6][7] Der Erweiterungsbau von Günther Marschall wurde hierbei an der Südostecke um einen spitzwinkligen Anbau mit zwei Konferenzsälen und einem Gartenfoyer ergänzt. Die Eingangshalle im Erdgeschoss des Verbindungstraktes wurde durch einen gläsernen Pavillon und eine Lobby erweitert. Einen Wirtschaftsbau auf der Seite des Bundeskanzleramtes im Nordwesten der Landesvertretung ersetzten die Architekten durch einen dreigeschossigen Neubau mit Mehrzwecksaal für 200 Personen, Gästezimmern und Dienstwohnungen. Weiterhin wurde der Ursprungsbau von 1954 nochmals umgebaut. Nach dieser Erweiterung wurde die Landesvertretung mit ihren neuen Konferenzräumlichkeiten wiederholt für bedeutende landes- und bundespolitische Aufgaben in Anspruch genommen; so fanden hier sowohl nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 1995 als auch nach der Bundestagswahl 1998 Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen statt, auch der erste Koalitionsvertrag auf Bundesebene zwischen beiden Parteien wurde hier am 20. Oktober 1998 unterzeichnet[8].

Im Zuge der Verlegung des Parlaments- und Regierungssitzes (1999/2000) zog die nordrhein-westfälische Landesvertretung mit zuletzt 53 Mitarbeitern[9] im August 2000 nach Berlin um. Neuer Nutzer des Gebäudes wurde nach einjährigen Umbauarbeiten im Herbst 2004 die Stiftung Bonn-Aachen International Center for Information Technology, der die Räume vom Land Nordrhein-Westfalen bis zum Auszug des Instituts im Februar 2018 unentgeltlich überlassen wurden.[10][11] Die Liegenschaft ist die letzte unter den ehemals 16 Landesvertretungen in Bonn, die noch im Eigentum des jeweiligen Landes ist. Nordrhein-Westfalen beabsichtigte, die Liegenschaft an den Bund zu veräußern, um eine Schaffung zusätzlicher Büro- und Veranstaltungsräume für die Ansiedlung und die Arbeit internationaler Organisationen und internationaler Nichtregierungsorganisationen zu ermöglichen.[12][13][14] Im Januar 2019 wurde bekannt, dass das bereits in Bonn ansässige Internationale Paralympische Komitee dort künftig seinen Hauptsitz haben soll. Allerdings sei geplant, die Immobilie in Landeseigentum zu belassen und an das IPC zu vermieten.[15]

Rezeption

„Insgesamt ist es das Verdienst von Busmann & Haberer, die so unterschiedlichen Baukörper vereinheitlicht und das Äußere zum verbindenden Inneren (Foyer) gemacht zu haben (…). Die Umbauten und Erweiterungen der zweiten und dritten Bauphase entwickelten die bestehende Architektur in zeitgemäßer Interpretation fort und schufen eine Gesamtanlage in einem ‚neuen Kleid‘ unter Wahrung einer gestalterischen Kontinuität.“

Siehe auch

Literatur

  • Helmut Vogt: Brückenköpfe: Die Anfänge der Landesvertretungen in Bonn 1949–1955. In: Rheinische Vierteljahrsblätter, ISSN 0035-4473, Jahrgang 64 (2000), S. 309–362 (hier: S. 359–361). (online)
  • Lutz Kaßmann: Vom Rhein an die Spree. Die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund 1949 bis 2009. Aschendorff Verlag, Münster 2010, ISBN 978-3-402-12883-1
  • Angelika Schyma: Die Häuser der Landesvertretungen in Bonn. In: Kerstin Wittmann-Englert, René Hartmann (Hrsg.): Bauten der Länder: Die Landesvertretungen in Bonn, Berlin und Brüssel. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg im Allgäu 2013, ISBN 978-3-89870-796-1, S. 17–55 (hier: S. 40–44).
  • Ursel und Jürgen Zänker: Bauen im Bonner Raum 49–69. Versuch einer Bestandsaufnahme (= Landschaftsverband Rheinland [Hrsg.]: Kunst und Altertum am Rhein. Führer des Rheinischen Landesmuseums in Bonn. Nr. 21). Rheinland-Verlag, Düsseldorf 1969, S. 129.
  • Andreas Denk, Ingeborg Flagge: Architekturführer Bonn. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 1997, ISBN 3-496-01150-5, S. 94.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Amtsblatt der Stadt Bonn (pdf), Nr. 45, Plan siehe letzte Seite (Memento des Originals vom 5. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bonn.de
  2. Amtsblatt der Stadt Bonn (pdf), Nr. 27, Anlage 1, Plan siehe letzte Seite (Memento des Originals vom 23. Juni 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bonn.de
  3. Stadt Bonn, Stadtarchiv (Hrsg.); Helmut Vogt: „Der Herr Minister wohnt in einem Dienstwagen auf Gleis 4“: Die Anfänge des Bundes in Bonn 1949/50, Bonn 1999, ISBN 3-922832-21-0, S. 239.
  4. Wolfram Hagspiel: Köln. Marienburg. Bauten und Architekten eines Villenvororts. (= Stadtspuren, Denkmäler in Köln, Band 8.) 2 Bände, J. P. Bachem Verlag, Köln 1996, ISBN 3-7616-1147-1, Band 2, S. 946.
  5. Susanne Willen: Der Kölner Architekt Hans Schumacher: sein Lebenswerk bis 1945. In: Günther Binding (Hrsg.): Veröffentlichungen der Abteilung Architekturgeschichte des Kunsthistorischen Instituts der Universität zu Köln, 57, Köln 1996, S. 329, ISSN 0940-7812 (zugleich Dissertation Universität zu Köln, 1995)
  6. Düsseldorfs neues Haus in Bonn, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 1993
  7. Ein deutliches Zeichen für Bonn, General-Anzeiger, 27. April 1995
  8. Unterzeichnung des Koalitionsvertrags zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen am 20. Oktober 1998 (Memento des Originals vom 18. September 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.marco-urban.de, Marco Urban Fotojournalist
  9. Verkaufen, vermieten, verwerten: Abschied der Länder, General-Anzeiger, 9. Februar 1998, Stadtausgabe Bonn, S. 3
  10. B-IT bezieht sein neues Gebäude. Internationale Elitestudiengänge hatten einen eindrucksvollen Start., Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, 16. November 2004
  11. Auszug aus dem Haushaltsgesetz 2007, S. 276
  12. Gesetzentwurf der Landesregierung: Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016), Landtag Nordrhein-Westfalen, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/9300, 20. August 2015, S. 41
  13. Bund soll ehemalige NRW-Landesvertretung übernehmen, General-Anzeiger, 30. Dezember 2015
  14. Hochhaus am Wasserwerk, General-Anzeiger, 13. April 2016
  15. Rüdiger Franz: Umzug an neuen Standort – Paralympisches Komitee bindet sich an Bonn. In: General-Anzeiger Bonn. 24. Januar 2019, abgerufen am 25. Januar 2019.
  16. Angelika Schyma: Die Häuser der Landesvertretungen in Bonn

Koordinaten: 50° 43′ 13,7″ N, 7° 7′ 15,4″ O

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Ehemalige Landesvertretung Nordrhein-Westfalen, Dahlmannstraße 2, Bonn-Gronau: Luftaufnahme (2018); links im Anschnitt der Hauptzugang des ehemaligen Bundeskanzleramts
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Architekt: Heinrich Bartmann
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8.12.1987

Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen beim Bund,

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