Landesregierung von Baden-Württemberg

Regierung
Großes Wappen des Landes Baden-Württemberg
Staatliche EbeneLand
StellungVerfassungsorgan
Gründung25. April 1952
HauptsitzStuttgart
VorsitzWinfried Kretschmann (Grüne), Ministerpräsident

Thomas Strobl (CDU), stellvertretender Ministerpräsident

Websitewww.baden-wuerttemberg.de

Die Landesregierung von Baden-Württemberg, in der Landesverfassung nur Regierung, außerdem Kabinett oder Ministerrat genannt, ist das Leitungsorgan der Exekutive des deutschen Landes Baden-Württemberg. Die Landesregierung vollzieht insbesondere die vom Landesparlament beschlossenen Gesetze und führt die Landesverwaltung. Sie ist darüber hinaus allgemein zu politischen Staatsleitung berufen und hat unter anderem großen Einfluss auf die Gesetzgebung (auch im Bund). Sie hat ihren Sitz in der Landeshauptstadt Stuttgart.

Seit dem 12. Mai 2021 ist die grün-schwarze Regierung, bestehend aus Grünen und der CDU, unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) im Amt. Es ist Kretschmanns dritte Regierung, und die zweite unter CDU-Beteiligung.

Wahl, Bildung und Amtsende

Grundlage für die Bildung und Amtsführung der Landesregierung sind die Artikel 45 bis 57 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg (LV).

Demnach besteht die Regierung aus dem Ministerpräsidenten und den Ministern. Zu weiteren Mitgliedern können Staatssekretäre und ehrenamtliche Staatsräte berufen werden. Die Zahl der Staatssekretäre darf ein Drittel der Zahl der Minister nicht überschreiten. (Art. 45 Abs. 2 Satz. 1 und 2 LV)

Der Ministerpräsident wird vom Landtag mit der Stimmen der Mehrheit seiner gesetzlichen Mitglieder (vgl. Kanzlermehrheit) gewählt, er muss mindestens 35 Jahre (Art. 46 Abs. 1 LV), aber selbst kein Landtagsabgeordneter sein[1]. In den Jahren 1968 bis 1992 hatte die CDU durchgehend eine Mehrheit der Landtagssitze und konnte deshalb Alleinregierungen bilden (Kabinette Filbinger I bis IV, Kabinette Späth I bis IV und Kabinett Teufel I). Bei den Landtagswahlen 1992, 1996, 2001, 2006, 2011, 2016 und 2021 hat keine Partei eine absolute Mehrheit der Landtagssitze errungen. Parteien schlossen nach Sondierungsgesprächen und Koalitionsverhandlungen Koalitionsverträge und bildeten Koalitionen. In den Verträgen wurde die Aufteilung der Regierungsämter und das gemeinsame Programm der Regierungsarbeit vereinbart.[2][3] Den Ministerpräsidenten stellt immer die Partei, die bei der Wahl die meisten Stimmen erhalten hat, seinen Stellvertreter die zweitgrößte Regierungspartei. Im Gegensatz zum Bund und den anderen Bundesländern ist nicht vorgesehen, dass in etwaigen späteren Wahlgängen eine niedrigere Mehrheit ausreicht.[3] Die Bildung von Minderheitsregierungen, wenn keine Koalition mit ausreichender Mehrheit zustande kommen, ist nicht vorgesehen. Die Wahl kann binnen drei Monaten beliebig oft wiederholt werden.[4]

Der Ministerpräsident beruft die weiteren Mitglieder der Regierung und bestimmt seinen Stellvertreter (Art. 46 Abs. 2 LV); in der politischen Praxis ist er dabei an den Koalitionsvertrag gebunden. Die Gesamtregierung muss vom Landtag mit mehr als der Hälfte der abgegebenen Stimmen bestätigt werden. Werden Regierungsmitglieder zu einem späteren Zeitpunkt einzeln berufen, so müssen sie einzeln vom Landtag bestätigt werden. (Art. 46 Abs. 3 und 4 LV). Soll Staatssekretären und Staatsräten Stimmrecht verliehen werden, so bedarf dies des ausdrücklichen Beschlusses des Landtags (Art. 45 Abs. 2 Satz. 3 LV).

Ist die Regierungsbildung nach dem vorgeschriebenen Verfahren nicht innerhalb von drei Monaten nach der Konstituierung des neuen Landtags oder einem Amtsende der Vorgänger-Regierung aus einem anderen Grund erfolgreich, so ist der Landtag von Rechts wegen aufgelöst (Art. 47 LV).

Die Amtszeit der Regierung ist an die Dauer der Legislaturperiode des Landtags gebunden. Sie endet auch bei Amtserledigung (durch Rücktritt oder Tod) des Ministerpräsidenten (Art. 55 Abs. 2 LV). Der Landtag kann ihn durch ein konstruktives Misstrauensvotum aus dem Amt abberufen und durch einen Nachfolger ersetzten (Art. 54 LV).

Der Landtag kann Regierungsmitglieder „wegen vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Verletzung der Verfassung oder eines anderen Gesetzes“ vor dem Verfassungsgerichtshof anklagen, mit dem Ziel, diese aus dem Amt zu entfernen (Art. 57 LV). Für die Amtsanklage sind hohe Hürden vorgesehen; sie wurde noch nie genutzt. Sie hat keine politische Relevanz, weil ein Regierungsmitglied bei entsprechenden Mehrheiten für eine Amtsanklage einfach abgewählt würde.

Außerdem kann der Landtag den Ministerpräsidenten mit den Stimmen von mindestens zwei Dritteln seiner gesetzlichen Mitglieder zwingen, einzelne Regierungsmitglieder zu entlassen (destruktives Misstrauensvotum, Art. 56 LV).

Verschiedene Regierungsämter

Der Ministerpräsident hat als Regierungschef eine herausgehobene Stellung in der Landesregierung.[5] Er ernennt und entlässt die Regierungsmitglieder, verfügt über die Richtlinienkompetenz, führt den Vorsitz im Ministerrat und führt die Geschäfte der Regierung (Art. 49 Abs. 1 Satz 1 und 2 LV).[6] Zugleich nimmt er die Funktionen eines Staatsoberhauptes auf Landesebene wahr.[7] So ernennt er die Richter und Landesbeamten (Art. 51 LV), vertritt das Land nach außen (Art. 50 LV) und übt das Begnadigungsrecht aus (Art. 52 Abs. 1 LV).[6] In Koalitionsregierungen ist seine Vorrangstellung aber – insbesondere gegenüber den Ministern des Koalitionspartners – stark eingeschränkt.

Die Minister leiten ihre Geschäftsbereiche im Rahmen vom Ministerpräsidenten vorgegebenen Richtlinien eigenverantwortlich (Art. 49 Abs. 1 Satz 4 LV). Staatssekretäre werden im Regelfall einem Minister beigegeben und nehmen unter dessen Verantwortung bestimmte Sonderaufgaben war oder leiten Teilbereiche des Ministeriums.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen Staatssekretären, politischen Staatssekretären und beamteten Staatssekretären. Staatssekretäre können in Baden-Württemberg Regierungsmitglieder sein. Daneben wurde durch Gesetz die Möglichkeit geschaffen „politische Staatssekretäre“ zu berufen. Diese sind im engeren Sinne keine Regierungsmitglieder und den parlamentarischen Staatssekretären auf Bundesebene nachempfunden. Beamtete Staatssekretäre gibt es in Baden-Württemberg nur im Ausnahmefällen als Amtsbezeichnung für besonders herausgehobene Ministerialdirektoren, die ansonsten (anders als im Bund und vielen Ländern) die höchsten Beamten der Ministerien sind.[8]

Mit der Ernennung ehrenamtlicher Staatsräte unterstreichen die Ministerpräsidenten heute von ihnen als bedeutsam erachtete ressortübergreifende Politikbereiche. So amtierten in jüngerer Zeit etwa Konrad Beyreuther von 2001 bis 2006 als Staatsrat für Lebens- und Gesundheitsschutz bzw. Lebenswissenschaften, Claudia Hübner von 2006 bis 2010 als Staatsrätin für demographischen Wandel und Senioren, Regina Ammicht Quinn von 2010 bis 2011 als Staatsrätin für interkulturellen und interreligiösen Dialog sowie gesellschaftliche Werteentwicklung und Gisela Erler von 2011 bis 2021 als Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung. Seit Juli 2021 ist Barbara Bosch Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung.[9] In den 50er Jahren wurden teils noch mehrere Staatsräte zugleich berufen, die ausgewiesene Politiker waren und wie (ehrenamtliche) Minister ohne Geschäftsbereich fungierten.[10]

Die Geschäftsordnung der Regierung sieht explizit die Möglichkeit vor, dass auch der Regierung nicht angehörige Mitglieder zu den Sitzungen des Ministerrats hinzugezogen werden können, etwa der beamtete Staatssekretär des Staatsministeriums, die politischen Staatssekretäre, die Abteilungsleiter des Staatsministeriums oder die Ministerialdirektoren der Ministerien als Vertreter der Minister (§ 7 Geschäftsordnung der Landesregierung).

Aufgaben

Die Landesregierung ist das oberste Leitungsorgan der Exekutive, die sie im Staatsgebilde repräsentiert. Sie führt die ihr nachgeordnete Landesverwaltung und ist damit insbesondere für den Vollzug aller Landesgesetze und eines Großteils der Bundesgesetze (vgl. Art. 83 ff. GG) verantwortlich. Sie hat das Recht zur Gesetzesinitiative auf Landesebene und ist über den Bundesrat, in dem sie das Land vertritt, unmittelbar an der Bundesgesetzgebung beteiligt.[11] Ihr ist allgemein im Bereich der Staatsleitung das verantwortliche „Initiieren, Planen, Leiten, Ordnen, Informieren, Koordinieren und Entscheiden der Gesamtpolitik und aller wesentlicher Grundfragen“[12] überantwortet.[11]

Geschäftsverteilung der Landesregierung

Thomas StroblNils SchmidUlrich GollErnst PfisterWalter DöringDieter SpöriGerhard WeiserRobert GleichaufWilhelm HahnWalter KrauseWolfgang HaußmannHermann VeitWinfried KretschmannStefan MappusGünther OettingerErwin TeufelLothar SpäthHans FilbingerKurt Georg KiesingerGebhard MüllerReinhold Maier

Die Landesregierung als Kollegialorgan, der Ministerpräsident und die Ministerien gelten (neben dem Rechnungshof) als oberste Landesbehörden. Die Regierung legt ihre Geschäftsbereiche eigenverantwortlich fest, der Landtag muss diesem aber Beschluss zustimmen. Zur Ausübung der Amtsgeschäfte bestehen das Staatsministerium als Behörde des Ministerpräsidenten und elf Fachministerien:

Landesregierungen seit 1952

Seit der Bildung des Landes Baden-Württemberg im April 1952 amtierten bislang 23 Landesregierungen. Bei der Amtsdauer und parteilichen Zusammensetzung der Kabinette trat eine hohe Kontinuität auf, bedingt durch die geringe Fluktuation der Parteien im Landtag und die jahrzehntelange Dominanz der CDU als die bei Landtagswahlen stimmenstärkste Partei. Sie stellte zwanzig Mal den Ministerpräsidenten und war nur zweimal (1952/1953 und 2011–2016) von der Regierung ausgeschlossen.

In den ersten acht Jahren des neu gegründeten Landes bestimmten Allparteienregierungen (unter Ausschluss der KPD und anfangs auch der CDU) das politische Geschehen. Ab dem Jahr 1960 regierte die CDU mit wechselnden Koalitionspartnern, die Landtagswahlen 1972 bis 1988 ermöglichten ihr Alleinregierungen mit der absoluten Mehrheit der Mandate im Landtag. Ab 1992 war die CDU erneut auf Koalitionspartner angewiesen, bis sie bei der Wahl 2011 zum ersten Mal seit 58 Jahren die Oppositionsrolle einnehmen musste.[13] Seit der Wahl 2016 regiert die CDU als kleinerer Partner der stärksten Partei Bündnis 90/Die Grünen mit.[14]

Der am längsten amtierende Regierungschef von Baden-Württemberg war Erwin Teufel (CDU), der während seiner 14-jährigen Amtszeit gleichwohl drei unterschiedliche Regierungskonstellationen anführte (CDU-Alleinregierung 1991/1992, Große Koalition mit der SPD 1992–1996 und Schwarz-gelbe Koalition mit der FDP/DVP 1996–2005) und als Spitzenkandidat bei drei Landtagswahlen nie die Ergebnisse seiner Vorgänger erreichte.

Übersicht der Landesregierungen von Baden-Württemberg
KabinettAmtszeitBeteiligte ParteienMinisterpräsident
Kabinett Maier11952–1953SPD, FDP/DVP, BHEReinhold Maier (FDP/DVP)
Kabinett Müller I21953–1956CDU, SPD, FDP/DVP, BHEGebhard Müller (CDU)
Kabinett Müller II1956–1958CDU, SPD, FDP/DVP, GB/BHE
Kabinett Kiesinger I1958–1960CDU, SPD, FDP/DVP, GB/BHEKurt Georg Kiesinger (CDU)
Kabinett Kiesinger II1960–1964CDU, FDP/DVP, GB/BHE3
Kabinett Kiesinger III1964–1966CDU, FDP/DVP
Kabinett Filbinger I1966–1968CDU, SPDHans Filbinger (CDU)
Kabinett Filbinger II1968–1972CDU, SPD
Kabinett Filbinger III1972–1976CDU
Kabinett Filbinger IV1976–1978CDU
Kabinett Späth I1978–1980CDULothar Späth (CDU)
Kabinett Späth II1980–1984CDU
Kabinett Späth III1984–1988CDU
Kabinett Späth IV1988–1991CDU
Kabinett Teufel I1991–1992CDUErwin Teufel (CDU)
Kabinett Teufel II1992–1996CDU, SPD
Kabinett Teufel III1996–2001CDU, FDP/DVP
Kabinett Teufel IV2001–2005CDU, FDP/DVP
Kabinett Oettinger I2005–2006CDU, FDP/DVPGünther Oettinger (CDU)
Kabinett Oettinger II2006–2010CDU, FDP/DVP
Kabinett Mappus2010–2011CDU, FDP/DVPStefan Mappus (CDU)
Kabinett Kretschmann I2011–2016Bündnis 90/Die Grünen, SPDWinfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen)
Kabinett Kretschmann II2016–2021Bündnis 90/Die Grünen, CDU
Kabinett Kretschmann IIIseit 2021Bündnis 90/Die Grünen, CDU
1 
Vorläufige Regierung nach der Wahl zur Verfassunggebenden Landesversammlung vom 9. März 1952.
2 
Zweite Vorläufige Regierung. Mit dem Inkrafttreten der Verfassung des Landes Baden-Württemberg am 19. November 1953 wurde die vorläufige Regierung zur ordentlichen Regierung.
3 
Im Juni 1961 Fusion des GB/BHE mit der Deutschen Partei (DP) zur Gesamtdeutschen Partei (GDP). Mit dem Wechsel von Staatssekretär Josef Schwarz von der GDP zur CDU am 20. Januar 1964 schied die GDP faktisch aus der Koalition aus.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Richard Ley: Die Wahl von Ministerpräsidenten ohne Landtagsmandat. Fallbeispiele und Überlegungen zur geplanten Verfassungsänderung in NRW. In: Zeitschrift Für Parlamentsfragen. Band 46, 2015, S. 100–116: „[...] die Verfassung von Nordrhein-Westfalen sieht als einzige vor (Art. 52 Abs. 1 LV-NRW) dass der Landtag „aus seiner Mitte“ den Ministerpräsidenten wählt.“
  2. Gerd Schneider / Christiane Toyka-Seid: Regierungsbildung. Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), 2021, abgerufen am 13. Mai 2021.
  3. a b Claus-Peter Clostermeyer in: Verfassung des Landes Baden-Württemberg - Handkommentar. Hrsg.: Volker M. Haug. Nomos, Baden-Baden 2018, ISBN 978-3-8487-0500-9, S. 885 ff.
  4. Klaus Braun: Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg. Boorberg Verlag, Stuttgart 1984, ISBN 3-415-01044-9, S. 405.
  5. Klaus Braun: Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg. Boorberg Verlag, Stuttgart 1984, ISBN 3-415-01044-9, S. 393.
  6. a b Stellung und Aufgaben. In: Website des Landes Baden-Württemberg. Staatsministerium Baden-Württemberg, abgerufen am 9. März 2021 (deutsch).
  7. Claus-Peter Clostermeyer in: Verfassung des Landes Baden-Württemberg - Handkommentar. Hrsg.: Volker M. Haug. Nomos, Baden-Baden 2018, ISBN 978-3-8487-0500-9, S. 869.
  8. Claus-Peter Clostermeyer in: Verfassung des Landes Baden-Württemberg - Handkommentar. Hrsg.: Volker M. Haug. Nomos, Baden-Baden 2018, ISBN 978-3-8487-0500-9, S. 872 ff.
  9. Staatsrätinnen und Staatsräte in Baden-Württemberg seit 1952. Abgerufen am 12. Mai 2021.
  10. Claus-Peter Clostermeyer in: Verfassung des Landes Baden-Württemberg - Handkommentar. Hrsg.: Volker M. Haug. Nomos, Baden-Baden 2018, ISBN 978-3-8487-0500-9, S. 876.
  11. a b Klaus Braun: Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg. Boorberg Verlag, Stuttgart 1984, ISBN 3-415-01044-9, S. 389.
  12. Alfred Katz: Politische Verwaltungsführung in den Bundesländern, dargestellt am Beispiel der Landesregierung Baden-Württemberg. 1975, S. 27.
  13. Das grün‐rote Experiment in Baden-Württemberg. doi:10.1007/978-3-658-14868-3 (springer.com [abgerufen am 3. Januar 2023]).
  14. Kiwi im Südwesten. doi:10.1007/978-3-658-34991-2 (springer.com [abgerufen am 3. Januar 2023]).

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