Landeskirche

Eine Landeskirche ist ein in der Regel territorial abgegrenzter Zusammenschluss von volkskirchlichen Gemeinden. Meist bildet er eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (Deutschland). In Liechtenstein ist der Begriff Landeskirche gleichbedeutend mit Staatskirche.

Landeskirche im Mittelalter

Bezogen auf die vorreformatorische Zeit wird unter dem Begriff der Landeskirche die Kirchenorganisation eines bestimmten Territoriums verstanden, die zwar im Regelfall einer übergeordneten Autorität (dem Papst oder einem Patriarchen) unterstellt war, aber ein erhöhtes Maß an Selbstständigkeit besaß, insbesondere was ihre innere Struktur und ihr Verhältnis zum jeweiligen weltlichen Herrscher betraf. Das Vorhandensein einer eigenen Landeskirche spielte eine große Rolle für die Abgrenzung vor allem frühmittelalterlicher Reiche gegenüber anderen Territorien.

Landeskirchen in Deutschland

Entstehung

In Deutschland ergab sich der Begriff im heutigen Verständnis aus einer Notsituation: Anders als in Skandinavien und England gingen die deutschen Bischöfe in ihrer großen Mehrheit nicht zur Reformation über, so dass es nicht möglich war, das hergebrachte Diözesansystem unter dem Vorzeichen des neuen Bekenntnisses weiter bestehen zu lassen. Daher forderte Martin Luther, dass die weltlichen Landesherren behelfsweise die bischöfliche Funktion in ihren Territorien ausüben sollten. Diese Herrschaft, die die Territorialfürsten oder städtischen Magistrate meist durch hierzu eingesetzte Behörden (Konsistorien) sowie durch Superintendenten bzw. Generalsuperintendenten ausübten, wurde später landesherrliches Kirchenregiment genannt.

Aus dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 ergab sich der Grundsatz cuius regio, eius religio (wessen Gebiet, dessen Religion). Danach bestimmte der Landesherr, welcher Konfession seine Untertanen angehören mussten. Dies beförderte die Ausbildung geschlossener, eigener Landeskirchen. Der Grundsatz wurde allerdings in der Praxis der Religionspolitik im Heiligen Römischen Reich mit und nach dem Dreißigjährigen Krieg bald aufgeweicht.

Bis zur Abschaffung der Monarchie in Deutschland 1918 waren die Landesherren im administrativen Bereich Landesbischöfe, und die Bindung von Kirche und Staat dadurch besonders eng. Das galt seit dem 18. Jahrhundert sogar bei Landesherren anderer Konfession. So war der (römisch-katholische) König von Bayern zugleich oberster Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. In der Praxis übten die Landesherren die Leitungsgewalt über innerkirchliche Angelegenheiten (ius circa sacra) aber meist nur indirekt aus.

Situation heute

Evangelische Landeskirchen in Deutschland (2012)

Die heutigen Grenzen der in Deutschland existierenden 20 evangelischen Landeskirchen sind weitgehend identisch mit denen der Bundesstaaten (in Preußen: der Provinzen) im deutschen Kaiserreich, wie es bis 1918 bestand. So umfasst beispielsweise das Gebiet der Evangelischen Kirche im Rheinland dasjenige der früheren altpreußischen Kirchenprovinz Rheinland, die territorial im Wesentlichen der preußischen Rheinprovinz entsprach, deren Gebiet heute auf vier Länder aufgeteilt ist. Das Gebiet der Landeskirche blieb dabei nahezu unverändert. Die Evangelisch-reformierte Kirche (Landeskirche) entstand durch den Zusammenschluss der Evangelisch-reformierten Kirche in Nordwestdeutschland, die im Wesentlichen auf die Evangelisch-reformierte Landeskirche der Provinz Hannover zurückgeht, und der Evangelisch-reformierten Kirche in Bayern. Weil ihre Gemeinden auf den Gebieten der Hannoverschen und der Bayerischen Landeskirche liegen und sich ihr auch reformierte Gemeinden aus weiteren Ländern anschlossen, ist sie die einzige Landeskirche der EKD, die kein eigenes Territorium aufzuweisen hat.

Größere Veränderungen gab es im NS-Staat im Bereich des heutigen Hessen. 1933 schlossen sich die Evangelische Landeskirche Frankfurt am Main, die Evangelische Landeskirche in Hessen und die Evangelische Landeskirche in Nassau zur Evangelischen Kirche Nassau-Hessen (der heutigen Evangelische Kirche in Hessen und Nassau) zusammen. 1934 folgten die Evangelische Landeskirche in Hessen-Kassel und die Evangelische Landeskirche in Waldeck zur Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck.

Spätere Veränderungen betrafen Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. 1977 vereinigten sich die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schleswig-Holstein, die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Eutin, die Evangelisch-Lutherische Kirche im Hamburgischen Staate und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Lübeck sowie der Kirchenkreis Harburg der hannoverschen Landeskirche zur Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche. Sie wiederum fusionierte 2012 mit der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs und der Pommerschen Evangelischen Kirche zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland. Die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg und die Evangelische Kirche der schlesischen Oberlausitz schlossen sich 2004 zur Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz zusammen, ebenso wie 2009 die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen und die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen zur Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.

Übersicht

LandeskircheLeitender
Geistlicher
BekenntnisMitglied inFläche (km²)Mitglieder[1]
(31. Dez. 2021)
Gemeinden[2]
(31. Dez. 2021)
Kirchenkreise
oder Äquivalent[A 1]
Verwaltungssitz
Evang. Landeskirche AnhaltsKirchenpräsident Joachim LiebiguniertUEK, EKD, GEKE02.2990027.510013305Dessau-Roßlau
Evang. Landeskirche in BadenLandesbischöfin Heike SpringhartuniertUEK, EKD, GEKEca. 15.0001.065.065047829Karlsruhe
Evang.-Luth. Kirche in BayernLandesbischof Christian KopplutherischVELKD, EKD, LWB, GEKE70.5472. 201.4691.53668München
Evang. Kirche in Berlin-Brandenburg-schlesische OberlausitzBischof Christian StäbleinuniertUEK, EKD, GEKE31.887,13862.5811.12035Berlin
Evang.-Luth. Landeskirche in BraunschweigLandesbischof Christoph MeynslutherischKonf.ev.Ki.Nds, VELKD, EKD, LWB, GEKEca. 05.0000302.733029913Wolfenbüttel
Bremische Evangelische KircheSchriftführer: Bernd KuschnerusuniertUEK, EKD, GEKE?0166.506006300Bremen
Evang.-luth. Landeskirche HannoversLandesbischof Ralf MeisterlutherischKonf.ev.Ki.Nds, VELKD, EKD, LWB, GEKE38.6172.368.6431.37157Hannover
Evang. Kirche in Hessen und NassauKirchenpräsident Volker JunguniertUEK, EKD, GEKE13.358,771.404.9441.10825Darmstadt
Evang. Kirche von Kurhessen-WaldeckBischöfin Beate HofmannuniertUEK, EKD, GEKEca. 10.0000749.527068826Kassel
Lippische LandeskircheLandessuperintendent Dietmar ArendsreformiertUEK, EKD, Reformierter Bund, WGRK, LWB (Lutherische Klasse), GEKE01.157,740144.576006507Detmold
Evang. Kirche in MitteldeutschlandBischof Friedrich KrameruniertUEK, EKD, VELKD, LWB, GEKE37.0000637.6491.97338Magdeburg, Erfurt
Evang.-Luth. Kirche in NorddeutschlandLandesbischöfin Kristina Kühnbaum-SchmidtlutherischVELKD, EKD, LWB, GEKE40.2271.839.27492041Kiel, Schwerin
Evang.-Luth. Kirche in OldenburgBischof Thomas AdomeitlutherischKonf.ev.Ki.Nds, EKD, LWB, GEKE,
Gaststatus in VELKD und UEK,
5.3800381.492011606Oldenburg
Evang. Kirche der PfalzKirchenpräsident Dorothee WüstuniertUEK, EKD, GEKE5.9280470.146039420Speyer
Evangelisch-reformierte KircheKirchenpräsidentin Susanne Bei der WiedenreformiertKonf.ev.Ki.Nds, UEK, EKD, Reformierter Bund, WGRK, GEKEGemeinden in fast ganz Deutschland0162.445014511Leer (Ostfriesland)
Evangelische Kirche im RheinlandPräses Thorsten LatzeluniertUEK, EKD, GEKE12.7042.335.969065538Düsseldorf
Evang.-Luth. Landeskirche SachsensLandesbischof Tobias BilzlutherischVELKD, EKD, LWB, GEKE14.9000628.708033825Dresden
Evang.-Luth. Landeskirche Schaumburg-LippeLandesbischof Karl-Hinrich ManzkelutherischKonf.ev.Ki.Nds, VELKD, EKD, LWB, GEKE006750046.978002202Bückeburg
Evangelische Kirche von WestfalenPräses Annette KurschusuniertUEK, EKD, GEKE22.2002.056.520045631Bielefeld
Evang. Landeskirche in WürttembergLandesbischof Ernst-Wilhelm GohllutherischEKD, LWB, GEKE,
Gaststatus in VELKD und UEK
ca. 20.0001.869.1991.20047Stuttgart

Als assoziiertes Mitglied der EKD angeschlossen:

Bis 2003 war auch die Evangelische Kirche der Union Mitglied in der EKD. Diese ging 2003 in der Union Evangelischer Kirchen auf.

Ämter und Institutionen

Alle evangelischen Landeskirchen sind als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert. Folgende typischen Ämter und Institutionen gibt es in jeder Landeskirche:

Gemeinschaftsaufgaben aller 20 Landeskirchen nimmt die 1946 gegründete Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) wahr, die ihren Sitz in Hannover hat.

Verwaltungshierarchie

Die Verwaltungsstruktur ist von Landeskirche zu Landeskirche unterschiedlich. Oft werden für die gleiche Verwaltungsinstanz verschiedene Bezeichnungen geführt. Um Verwirrungen zu vermeiden, soll folgende Tabelle einen Überblick über die Bezeichnungen der Verwaltungsebenen in den Landeskirchen der EKD geben. Zusätzlich wird in Klammern die Bezeichnung der personalen Leitung genannt, da auch hier in den Landeskirchen mit der gleichen Bezeichnung oft unterschiedliche Dinge gemeint sind. Kursiv werden ergänzend eventuelle Gremien der Verwaltungsebene genannt.

LandeskircheUnterste InstanzUntere InstanzMittlere InstanzObere Instanz

Landeskirche
Evang. Landeskirche
Anhalts
Kirchengemeinde

Gemeindekirchenrat
Kirchenkreis
(Kreisoberpfarrer)
Kreissynode
 (Kirchenpräsident)
Landessynode
Kirchenleitung
Evang. Landeskirche
in Baden
Kirchengemeinde

Kirchengemeinderat
Kirchenbezirk, auch Dekanat
(Dekan)
Bezirkssynode
Kirchenkreis, auch Prälatur
(Prälat)
 
(Landesbischof)
Landessynode
Landeskirchenrat
Evang.-Luth. Kirche
in Bayern
Kirchengemeinde

Kirchenvorstand
Dekanat
(Dekan)
Dekanatssynode
Kirchenkreis
(Regionalbischof)
 
(Landesbischof)
Landessynode
Landeskirchenrat
Evang. Kirche in Berlin-
Brandenburg-
schlesische Oberlausitz
Kirchengemeinde

Kirchenvorstand
Kirchenkreis
(Superintendent)
Kreissynode
Sprengel
(Generalsuperintendent = Regionalbischof)
 
(Bischof)
Landessynode
Kirchenleitung
Evang.-Luth. Landeskirche
in Braunschweig
Kirchengemeinde

Kirchenvorstand
Propstei
(Propst)
Propsteisynode
 (Landesbischof)
Landessynode
Kirchenregierung
Bremische
Evangelische Kirche
Kirchengemeinde


Kirchenvorstand
  (Präsident des
Kirchenausschusses)
Kirchentag
Kirchenausschuss
Evang.-Luth. Landeskirche
Hannovers
Kirchengemeinde

Kirchenvorstand
Kirchenkreis
(Superintendent)
Kirchenkreistag
Sprengel
(Landessuperintendent)
Ephorenkonferenz
(Landesbischof)
Landessynode
Landessynodalausschuss
Evang. Kirche in Hessen
und Nassau
Kirchengemeinde

Kirchenvorstand
Dekanat
(Dekan)
Dekanatssynode
Propstei
(Propst)
 
(Kirchenpräsident)
Landessynode
Kirchenleitung
Evang. Kirche von
Kurhessen-Waldeck
Kirchengemeinde

Kirchenvorstand
Kirchenkreis
(Dekan)
Kreissynode
Sprengel
(Propst)
 
(Bischof)
Landessynode
Rat der Landeskirche
Lippische LandeskircheKirchengemeinde

Kirchenvorstand
Klasse, auch Bezirk
(Superintendent)
Klassentag
 (Landessuperintendent)
Landessynode
Landeskirchenrat
Evangelische Kirche in MitteldeutschlandKirchengemeindeKirchenkreisPropstsprengel(Bischof)
Landessynode
Landeskirchenrat
Evangelisch-Lutherische Kirche in NorddeutschlandKirchengemeindeKirchenkreisSprengel(Landesbischof)
Synode
Kirchenleitung
Evang.-Luth. Kirche in
Oldenburg
Kirchengemeinde

Gemeindekirchenrat
Kirchenkreis
(Kreispfarrer)
Kreissynode
 (Bischof)
Synode
Kirchenausschuss
Evang. Kirche der PfalzKirchengemeinde

Presbyterium
Kirchenbezirk, auch Dekanat
(Dekan)
Bezirkssynode
 (Kirchenpräsident)
Landessynode
Kirchenregierung
Evangelisch-reformierte
Kirche
Kirchengemeinde

Kirchenrat oder
Presbyterium
Synodalverband
(Präses des Moderamens)
Synodalverbandssynode
 
 (Kirchenpräsident)
Gesamtsynode
Moderamen
Evangelische Kirche im
Rheinland
Kirchengemeinde

Presbyterium
Kirchenkreis
(Superintendent)
Kreissynode
 (Präses)
Landessynode
Kirchenleitung
Evang.-Luth.
Landeskirche Sachsens
Kirchgemeinde

Kirchenvorstand
Kirchenbezirk, auch Ephorie
(Superintendent)
Kirchenbezirkssynode
Kirchenamtsratsbereich
(Kirchenamtsrat)
 
(Landesbischof)
Landessynode
Kirchenleitung
Evang.-Luth. Landeskirche
Schaumburg-Lippe
Kirchengemeinde

Gemeindekirchenrat
Kirchenbezirk
(Superintendent)
 
 (Landesbischof)
Landessynode
Landeskirchenrat
Evangelische Kirche
von Westfalen
Kirchengemeinde

Presbyterium
Kirchenkreis
(Superintendent)
Kreissynode
 (Präses)
Landessynode
Kirchenleitung
Evang. Landeskirche
in Württemberg
Kirchengemeinde

Kirchengemeinderat
Kirchenbezirk
(Dekan)
Bezirkssynode
Prälatur, auch Sprengel
(Prälat)
 
(Landesbischof)
Landessynode
Landeskirchenausschuss

Die unterste Instanz ist in der allgemeinen Verwaltung vergleichbar mit der politischen Gemeinde, die untere Instanz mit dem Landkreis, die mittlere Instanz mit dem Regierungsbezirk und die obere Instanz mit dem Land.

Landeskirchen in der Schweiz

Reformierte Landeskirchen der Schweiz

Typen

In der Schweiz wird das Verhältnis zwischen Kirche und Staat durch kantonale Gesetze geregelt. Bis auf den Kanton Genf und den Kanton Neuenburg kennen alle Kantone öffentlich-rechtliche anerkannte Religionsgemeinden. In allen Kantonen anerkannt sind die Evangelisch-reformierten Kirchen der Schweiz und die Römisch-katholische Kirche in der Schweiz, in manchen überdies die Christkatholische Kirche der Schweiz. Diese drei Kirchen, zumal die reformierte, werden als Landes- oder Kantonalkirchen bezeichnet. Öffentlich-rechtlich anerkannte jüdische Gemeinden haben der Kanton Basel-Stadt, der Kanton Bern, der Kanton Freiburg, der Kanton St. Gallen, der Kanton Waadt und der Kanton Zürich.

Aus historischen Gründen gibt es im Wesentlichen fünf Formen der öffentlich-rechtlichen Anerkennung:

  • Die historisch reformierten Kantone (Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Bern, Waadt, Zürich, Schaffhausen und Appenzell Ausserrhoden) kennen reformierte Landeskirchen mit synodaler Verfassung, die bis ins 20. Jahrhundert in enger Verbindung mit dem jeweiligen Kanton standen; heute sind sie jedoch weitestgehend autonom. In den Kantonen Obwalden und Tessin ist die evangelisch-reformierte Kirche zwar anerkannt, aber es gibt keine evangelisch-reformierte Kantonalkirche. Die reformierte Kirchgemeinde von Appenzell Innerrhoden ist aus praktischen Gründen Bestandteil der appenzell-ausserrhodischen Landeskirche, die reformierten Kirchgemeinden des Kantons Jura und der Solothurner Amteien Solothurn-Lebern und Bucheggberg-Wasseramt aus historischen Gründen Teil der Berner Landeskirche. Im Kanton Zürich (1963) sowie in anderen der genannten Kantonen wurde die heutige reformierte Kirchenverfassung weitgehend auch auf die katholische Kirche („römisch-katholische Körperschaft“) übertragen.
  • Die historisch katholischen Kantone (Luzern, Zug, Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Uri, Tessin, Wallis, Freiburg, Solothurn, Jura und Appenzell Innerrhoden) gewähren den Kirchen weitestgehende Autonomie. Kantonalkirchliche Strukturen haben sich hier teilweise erst in der jüngeren und jüngsten Vergangenheit herausgebildet; sie fehlen bis heute in Appenzell Innerrhoden und im Wallis.
  • In den konfessionell paritätischen Kantonen (Aargau, Glarus, Graubünden, St. Gallen und Thurgau) kennen beide großen Kirchen analoge Regelungen. Sie haben wie in den historisch reformierten Kantonen synodale Verfassungen, die sie – teilweise seit alters – in Eigenkompetenz erlassen.
  • In den (historisch reformierten) Kantonen Neuenburg und Genf sind die Kirchen nicht öffentlich-rechtlich anerkannt, aber gleichwohl „Organisationen von öffentlichem Interesse“.
  • In jüngerer Zeit wurden auch nichtchristlichen Religionen vom Staat offiziell „anerkannt“ und ihnen damit gewisse, wenn auch weniger weit gehende Recht eingeräumt; in der Terminologie des Kantons Basel-Stadt spricht man hierbei von der „kleinen Anerkennung“. So sind in den Kantonen Basel-Stadt (nur eine von drei Gemeinden), Freiburg, St. Gallen und Zürich (nur zwei der vier Gemeinden[A 2]) die israelitischen Gemeinden in einzelnen Bereichen den Landeskirchen gleichgestellt,[3] und in Basel-Stadt, der Waadt und in Neuenburg genießen auch gewisse muslimische Verbände einige Privilegien.[4]

Die in den traditionell reformierten und paritätischen Kantonen geltende kantonalrechtliche Regelung der grundlegendsten Züge der Kirchenverfassung garantiert somit auch in den katholischen Kirchgemeinden demokratische Strukturen, die weltweit einzigartig sind, mit dem katholischen Kirchenrecht allerdings im Widerspruch stehen.

Evangelisch-reformierte Landeskirchen

LandeskirchePräsidentFläche (km²)Kirch- gemeindenMitglieder (Stand: 2012)Verwaltungssitz
Reformierte Landeskirche AargauKirchenratspräsident: Christoph Weber-Berg1’40475180’349Aarau
Evangelisch-reformierte Landeskirche beider AppenzellKirchenratspräsident: Kurt Kägi-Huber4162025'093Trogen
Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Basel-LandschaftKirchenratspräsident: Martin Stingelin5183596'220Liestal
Evangelisch-reformierte Kirche Basel-StadtKirchenratspräsident: Lukas Kundert37730'764Basel
Reformierte Kirchen Bern-Jura-SolothurnSynodalratspräsident: Andreas Zeller7'589215642'456Bern
Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons FreiburgSynodalratspräsident: Pierre-Philippe Blaser16711641'235Murten
Église Protestante de GenèvePräsidentin des Konsistorialrats: Charlotte Kuffer2823474'456Genf
Evangelisch-Reformierte Landeskirche des Kantons GlarusPräsident des kantonalen Kirchenrats: Ulrich Knoepfel6851314'991Glarus
Evangelisch-reformierte Landeskirche GraubündenKirchenratspräsident: Andreas Thöny7’10511371'700Chur
Evangelisch-Reformierte Kirche des Kantons LuzernSynodalratspräsident: David A. Weiss1’493842'746Luzern
Église réformée évangélique du canton de NeuchâtelSynodalratspräsident: Christian Miaz-Frutiger802959'972Neuenburg
Evangelisch-Reformierte Kirche NidwaldenKirchenratspräsident: Wolfgang Gaede27634483Stans
Verband der evangelisch-reformierten Kirchgemeinden des Kantons ObwaldenPräsidentin des Verbandsrats: Theres Meierhofer-Lauffer49122'827Sarnen
Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons St. GallenKirchenratspräsident: Martin Schmidt2’02649112'738St. Gallen
Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons SchaffhausenKirchenratspräsident: Frieder Tramer2983131'566Schaffhausen
Evangelisch-reformierte Kantonalkirche SchwyzKirchenratspräsident: Heinz Fischer908618'602
Evangelisch-Reformierte Kirche im Kanton SolothurnSynodalratspräsidentin: Verena Enzler?2328'959
Evangelische Landeskirche des Kantons ThurgauKirchenratspräsident: Wilfried Bührer9916698'310Frauenfeld
Chiesa evangelica riformata nel TicinoSynodalratspräsident: Tobias Ulbrich2’81236'856
Evangelisch-Reformierte Landeskirche UriKirchenratspräsident: Dieter Kolthoff1’07731'830Altdorf
Église Évangélique Réformée du canton de VaudSynodalratspräsidentin: Esther Gaillard3’21287247'696Lausanne
Evangelisch-Reformierte Kirche des WallisSynodalratspräsident: Beat Abegglen5’2241019'505Sitten
Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde des Kantons ZugKirchenratspräsidentin: Ursula Müller-Wild239117'923Zug
Evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons ZürichKirchenratspräsidentin Esther Straub1’729179461'602Zürich

In den Kantonen Genf und Neuenburg sind die Kirchen privatrechtlich organisiert.

Römisch-katholische Landeskirchen

LandeskirchePräsidentFläche (km²)MitgliederVerwaltungssitz
Römisch-katholische Kirche im AargauKirchenratspräsident Luc Humbel1’404Aarau
Verband römisch-katholischer Kirchgemeinden des Kantons Appenzell Ausserrhoden243?Herisau
Katholische Kirchgemeinden Innerrhodens173?Gonten


Römisch-katholische Landeskirche des Kantons Basel-Landschaft518?Liestal
Römisch-katholische Kirche des Kantons Basel-Stadt37?Basel
Römisch-katholische Landeskirche des Kantons BernPräsidentin des Landeskirchenrates: Marie-Louise Beyeler-Küffer5959166'500, (Stand 2016)Bern
Kirchliche Körperschaft des Kantons Freiburg1671Villars-sur-Glâne
Verband der römisch-katholischen Kirchgemeinden des Kantons Glarus685?Näfels
Katholische Landeskirche Graubünden7’105Domat/Ems
Collectivité ecclésiastique cantonale catholique-romaine de la République et Canton du Jura839?Delsberg
Römisch-katholische Landeskirche des Kantons Luzern1’493?Luzern
Römisch-katholische Landeskirche des Kantons Nidwalden276?Stans
Verband der römisch-katholischen Kirchgemeinden des Kantons Obwalden491Sachseln
Katholischer Konfessionsteil des Kantons St. Gallen2’026?St. Gallen
Römisch-katholische Landeskirche des Kantons Schaffhausen298?Schaffhausen
Römisch-katholische Kantonalkirche Schwyz908
Römisch-katholische Synode des Kantons Solothurn791?Gerlafingen
Katholische Landeskirche des Kantons Thurgau991Weinfelden
Römisch-katholische Landeskirche Uri1’077Attinghausen
Fédération ecclésiastique catholique romaine du Canton de Vaud3’212?Lausanne
Vereinigung der katholischen Kirchgemeinden des Kantons Zug239?Cham
Römisch-katholische Körperschaft des Kantons Zürich1’729?Zürich

in den Kantonen Genf und Neuenburg sind die Kirchen privatrechtlich organisiert, und im Tessin und im Wallis gibt es nur die Bistümer.

Landeskirche in Liechtenstein

In Liechtenstein ist die römisch-katholische Kirche laut Verfassungsartikel 37 II Landeskirche im Sinne einer Staatskirche. Eine Trennung von Kirche und Staat wird seit 2011 angestrebt, was sich jedoch aufgrund der verflochtenen Besitzverhältnisse als schwierig erwiesen hat. Eine Kommission erarbeitet einen Kompromissvorschlag, um die Trennung umzusetzen.[5] Das Gebiet der Landeskirche entspricht seit dem 2. Dezember 1997 dem der römisch-katholischen Erzdiözese Vaduz.[6] Bis 1997 entsprach es dem Gebiet des Dekanats Liechtenstein im Bistum Chur.[7]

Siehe auch

Literatur

  • Johannes Georg Fuchs: Das schweizerische Staatskirchenrecht des 19. Jahrhunderts als Folge zwinglianischen Staatsdenkens und als typische Schöpfung des Liberalismus. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung 70 (1984), S. 271–300.
  • Christoph Winzeler: Landeskirchen. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  • Dieter Kraus: Schweizerisches Staatskirchenrecht. Hauptlinien des Verhältnisses von Staat und Kirche auf eidgenössischer und kantonaler Ebene. Mohr, Tübingen 1993 (Jus Ecclesiasticum 45), ISBN 3-16-146069-3.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Kirchenkreise oder Äquivalent, aufgeführt sind für folgende Landeskirchen die Anzahl von:
  2. Zwei Gemeinden, nämlich die als Einheitsgemeinde konzipierte Israelitische Cultusgemeinde Zürich und die Jüdische liberale Gemeinde, wünschten eine Anerkennung, wogegen sich die strikt orthodox ausgerichteten Gemeinden Israelitische Religionsgesellschaft Zürich und Agudas Achim dagegen aussprachen, um eine größtmögliche Unabhängigkeit zu bewahren.

Einzelnachweise

  1. Statistik zu den Kirchengemeinden in den Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland. In: EKD. Abgerufen am 19. Februar 2023.
  2. Statistik zu den Kirchengemeinden in den Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland. In: EKD. Abgerufen am 19. Februar 2023.
  3. Archivierte Kopie (Memento vom 10. September 2007 im Internet Archive)
  4. Der Islam auf der Suche nach Anerkennung. In: Neue Zürcher Zeitung vom 24. Mai 2016.
  5. Religion, Kirche – Fürstentum Liechtenstein. Abgerufen am 3. Dezember 2017.
  6. Jugendliche mit 14 Jahren religionsmündig. Liechtensteiner Vaterland, 20. Dezember 2012.
  7. Ansprache von Papst Johannes Paul II. in Eschen-Mauren vom 8. September 1985, zitiert auf der Website des Heiligen Stuhls

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Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (nach der Vereinigung der nördlichen Landeskirchen Nordelbien, Mecklenburg und Pommern 2012).