Lactone

Verschiedene Lactone, von links nach rechts: β-, γ-, δ- und ε-Lacton
Das makrocyclische Lacton Erythromycin A ist ein Arzneistoff und wird von Bakterien der Gattung Streptomyces gebildet. Der große Lactonring ist links abgebildet.

Als Lactone bezeichnet man in der organischen Chemie heterocyclische Verbindungen, die innerhalb des Moleküls eine Esterbindung, d. h. eine Sauerstoffbrücke, enthalten und direkt am selben Kohlenstoffatom eine Carbonylgruppe aufweisen. Es handelt sich um intramolekulare, cyclische Ester von Hydroxycarbonsäuren.

Nomenklatur

Griechische Buchstaben geben die Stellung bzw. Position der Hydroxygruppe in der formal zugrundeliegenden Hydroxycarbonsäure zur Carboxygruppe an. Das der Carboxygruppe benachbarte C-Atom wird als α-ständig, das nächste als β-ständig usw. bezeichnet.

Lactone werden auch durch Anhängen der Endung -olid an den Namen des entsprechenden Kohlenwasserstoffes benannt, die Position des am Ringschluss beteiligten C-Atoms wird als Ziffer angegeben: z. B. Propan-3-olid = β-Propiolacton.[1]

Vorkommen

Pfirsiche enthalten – wie andere Früchte – Lactone mit typischem Fruchtgeruch.

Lactone sind eine wichtige Gruppe unter den Aromastoffen. Dabei kommen in der Natur hauptsächlich γ- und δ-Lactone mit unverzweigten Seitenketten vor, wobei γ-Lactone häufiger in pflanzlichen- und δ-Lactone häufiger in tierischen Produkten auftreten. Die meisten natürlich vorkommenden Lactone haben eine gerade Anzahl an Kohlenstoffatomen, aber es gibt auch einige mit ungerader Anzahl. Als Aromastoffe sind besonders Lactone mit 8 bis 12 Kohlenstoffatomen relevant.[2] Lactone mit weniger als 10 Kohlenstoffatomen riechen kokosartig, wohingegen solche mit mehr als 10 Kohlenstoffatomen pfirsichartig riechen.[3]

Beispielsweise findet man in Aprikosen, Nektarinen und Pfirsichen eine Vielzahl von γ-Lactonen mit sechs bis zwölf Kohlenstoffatomen (wie etwa γ-Decalacton) sowie δ-Lactone mit acht bis zwölf Kohlenstoffatomen (wie etwa δ-Decalacton), die entweder kokosartig, fruchtig-pfirsichartig oder fruchtig-fettig riechen.[3]

Ein Beispiel für das Vorkommen von Lactonen in tierischen Produkten ist das δ-Decalacton, das im Milchfett vorkommt. Es ist ein wichtiger Aromastoff für Milchprodukte wie H-Milch, Käse und insbesondere Butter, der eine süße Note hervorruft.[3]

Weitere natürlich vorkommende Lactone sind etwa Cardenolide, Decalactone, Furanolactone (Salvinorine und Limonoide), Makrolide und Ochratoxine.

Herstellung

Während α-Lactone, deren einfachster Vertreter das Acetolacton ist, nur als instabile Zwischenprodukte bekannt und β-Lactone (Vierringe) nur unter speziellen Bedingungen darstellbar sind, sind die γ- und die δ-Lactone (Fünf- bzw. Sechsringe) leicht erhältliche stabile heterocyclische Verbindungen. γ-Lactone entstehen durch Eindampfen verdünnter wässriger Lösungen der entsprechenden γ-Hydroxycarbonsäuren. α-Hydroxycarbonsäuren bilden im Gegensatz dazu bei Eindampfen Oligomere und bei weiterem Erhitzen Lactide. Liegen die Carboxygruppe und die Hydroxygruppe weiter auseinander, werden die Lactone ebenfalls schnell unbeständig. Zu den bekanntesten ε-Lactonen gehört ε-Caprolacton, ein Lacton der Capronsäure. Aus ε-Caprolacton lassen sich Polyester herstellen.[4] Die Copolymerisation von ε-Caprolacton mit Milchsäure führt zu Polyestern, die biologisch abbaubar sind.

Schematisches Beispiel einer Lactonbildung; die Bildung von γ-Butyrolacton aus γ-Hydroxybuttersäure durch Wasserabspaltung:

Eine weitere Methode, Lactone herzustellen, ist die Baeyer-Villiger-Oxidation. Dabei werden cyclische Ketone mit Peroxycarbonsäuren unter Ringerweiterung oxidiert.[5] Die alpha-Peroxylactone, Wirkstoffe (Luciferine) in der Biolumineszenz des Leuchtkäfers, entdeckte der 1937 geborene Chemiker Waldemar Adam.[6] Die Baeyer-Villiger-Oxidation von Cyclohexanon liefert das industriell in beträchtlichen Mengen hergestellte ε-Caprolacton, ein Ausgangsprodukt für die Herstellung von Polyestern und Polyethern.[7]

Erhitztes oder fermentiertes sowie biotransformiertes Rizinusöl ist die Quelle verschiedener Lactone.[8][9]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. H. Beyer, W. Walter: Lehrbuch der organischen Chemie. 20. Auflage. Hirzel, Stuttgart 1984, S. 264.
  2. Wilfried Schwab & Peter Schreier: Enzymic Formation of Flavour Volatiles from Lipids. In: Tsung Min Kuo & Harold Gardner (Hrsg.): Lipid Biotechnology. CRC Press, 2002, ISBN 978-0-203-90819-8, S. 302–307 (google.de).
  3. a b c Wolfgang Legrum: Riechstoffe, zwischen Gestank und Duft. Vorkommen, Eigenschaften und Anwendung von Riechstoffen und deren Gemischen. Vieweg + Teubner Verlag, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-8348-1245-2, 5 Aromastoffe in Lebensmitteln, 5.1.3 Lactone, S. 87–88 & 149, doi:10.1007/978-3-8348-8276-9 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 26. August 2016]).
  4. Harald Cherdron, Hellmut Ohse, Friedhelm Korte: Die Polymerisation von Lactonen. Teil 1: Homopolymerisation 4-, 6- und 7-gliedriger Lactone mit kationischen Initiatoren, In: Die Makromolekulare Chemie. 56(1), 1962, S. 179–186, doi:10.1002/macp.1962.020560113.
  5. Organikum. Wiley-VCH Verlag GmbH, 23. Auflage, 2009, ISBN 978-3-527-32292-3, S. 683–684.
  6. Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche Who’s who. 24. Ausgabe. Schmidt-Römhild, Lübeck 1985, ISBN 3-7950-2005-0, S. 4.
  7. Otto-Albrecht Neumüller (Hrsg.): Römpps Chemie-Lexikon. Band 1: A–Cl. 8. neubearbeitete und erweiterte Auflage. Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart 1979, ISBN 3-440-04511-0, S. 586.
  8. Birgit Kamm: Microorganisms in Biorefineries. Springer, 2015, ISBN 978-3-662-45208-0, S. 277.
  9. Dolf De Rovira, Sr.: Dictionary of Flavors. Second Edition, Wiley-Blackwell, 2008, ISBN 978-0-8138-2135-1, S. 181.

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