Kustode (Buchherstellung)

Beispiel Handschrift: aus Cod. Pal. germ. 5, Blatt 35v; Reklamante rechts unten (zwischen 1400 und 1415)
Beispiel Buchdruck. In: Arngrímur Jónsson: Brevis Commentarius de Islandia, S. 13; Kustode rechts unten (1593)

Eine Kustode oder ein Kustos (auch Blatthüter, lateinisch custos ‚Wächter‘) ist die Bezeichnung für die in der rechten unteren Ecke der Seite angebrachte Angabe der Anfangssilbe oder des ersten Worts der Folgeseite. Primär stellt sie eine Hilfe beim Kollationieren vor dem Buchbinden dar und stellt so die richtige Reihenfolge der Seiten sicher.

Sie gehört damit wie die Bogensignatur, die Blatt- oder Seitenzahl zu den Ordnungshilfen von Büchern.

Die Kustode wurde vor Entstehung der industriellen Buchherstellung verwendet und ist im modernen Buchdruck nicht mehr gebräuchlich.

In Handschriften des Mittelalters bedeutet Kustode ebenso die Bezeichnung der Lagen durch Zahlen oder Buchstaben. Das Anfangswort des Folgeblatts wird unten auf das vorhergehende Blatt geschrieben und heißt auch Reklamante. Diese ermöglichten die Kontrolle über den richtigen Textanschluss. Reklamanten finden sich sehr häufig in Handschriften des arabisch-islamischen Kulturraums.

1470 von Italien ausgehend wurden Lagenkustoden in den Buchdruck übernommen. Blatt- und Seitenkustoden waren dann im 16. Jahrhundert vor allem in Reformationsdrucken voll ausgebildet. Die ursprüngliche Rolle der Kustoden als Hilfe zum Kollationieren wurde ergänzt durch eine den Leseprozess unterstützende Funktion.[1]

Literatur

  • Matt T. Roberts, Don Etherington: Bookbinding and the Conservation of books. A Dictionary of Descriptive Terminology. Library of Congress, Washington 1982, ISBN 0-8444-0366-0 (culturalheritage.org).
  • Ronald B. McKerrow: An Introduction to Bibliography for Literary Students. Clarendon Press, Oxford 1964, OCLC 320966595, S. 82 (1. Auflage, 1927).
  • Christopher De Hamel: Scribes and Illuminators. 4. Auflage. University of Toronto Press, Toronto 1995, ISBN 0-7141-2049-9, S. 41 (eingeschränkte Vorschau der Ausgabe 1992 in der Google-Buchsuche).
  • Theodore Low De Vinne: The Practice of Typography. Correct Composition. A Treatise on Spelling Abbreviations, the Compounding and Division of Words, the Proper Use of Figures and Numerals, Italic and Capital Letters, Notes, Etc., With Observations on Punctuation and Proof-Reading. 2. Auflage. The Century Company, New York 1902, OCLC 1912809 (Scan der Ausgabe 1916 – Internet Archive).
  • Philip Gaskell: A New Introduction to Bibliography. Clarendon Press, Oxford 1972, OCLC 905632354, S. 52–53 (korrigierte Nachauflagen, 1995 ff.).

Einzelnachweise

  1. Karl Klaus Walther (Hrsg.): Lexikon der Buchkunst und Bibliophilie. 1. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1987, ISBN 3-323-00093-5, S. 260.

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Cpg5 Blatt 35v - Heinrich von Mügeln, Ungarnchronik.jpg
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Codex Palatinus germanicus 5, Blatt 35v der Handschrift: Heinrich von Mügeln, "Ungarnchronik" (Beispielblatt mit Reklamante zur Festlegung der Reihenfolge der Lagen, rechts am Fuß der Seite; die beiden Worte sind gleichzeitig die ersten beiden Worte der folgenden Seite, Blatt 36r, vgl. File:Cpg5 Blatt 36r - Heinrich von Mügeln, Ungarnchronik.jpg)