Kurtschatow-Institut

Institutsgebäude
Kurtschatow-Denkmal (I. M. Rukawischnikow, 1971) auf dem Kurtschatow-Platz

Das Kurtschatow-Institut (russisch Российский научный центр «Курчатовский институт») ist ein physikalisch-technisches Institut in Russland. Es war bis 1955 mit geheimen Forschungsvorhaben beauftragt und nur unter dem Namen Labor Nr. 2 der sowjetischen Akademie der Wissenschaften bekannt. In der Sowjetunion war es als „Kurtschatow-Institut für Atomenergie“ bekannt (Институт Атомной Энергии им. И.В. Курчатова), abgekürzt КИАЭ (KIAE). Es ist benannt nach Igor Wassiljewitsch Kurtschatow. Das Institut befindet sich in Moskau am Kurtschatow-Platz 1.[1]

Geschichte

Zuerst für die Entwicklung von Nuklearwaffen konzipiert, wurde später die Mehrzahl der sowjetischen Kernreaktoren, wie zum Beispiel der RBMK, dort entworfen. In den 1950er Jahren entstanden hier auch die ersten Tokamak-Anlagen zur Kernfusion (T3 und ab 1968 T4). Bis 1991 unterstand das Institut dem russischen Ministerium für Atomenergie, danach war es direkt der russischen Regierung unterstellt als RRC (Russian Research Center) „Kurtschatow-Institut“. Im Februar 2007 wurde das Institut zum Hauptzentrum für die Entwicklung von Nanotechnologie in Russland gewählt.

Der Leiter des Instituts wird vom russischen Premierminister auf Empfehlung von Rosatom ernannt. In 2005–2015 war Michail Kowaltschuk der Direktor, danach wurde er Präsident des Instituts. Der gegenwärtige (seit November 2018) Leiter ist Alexander Blagow.

Nationales Forschungszentrum Kurtschatow Institut

Das Institut gilt als Dachinstitut („Nationales Forschungszentrum“): Nationales Forschungszentrum Kurtschatow-Institut.[2] Die folgenden sieben Institute zählen dazu:[3]

OriginalbezeichnungIntl. AbkürzungVollständiger NameOrt
Курчатовский институтkeineKurtschatow-InstitutMoskau
ИФВЭIHEPA.-A.-Logunov-Institut für HochenergiephysikProtwino
ИТЕФITEPA.-I.-Alikhanov-Institut für Theoretische und Experimentelle PhysikMoskau
ПИЯФPNPISt. Petersburger Institut für Kernphysik, benannt nach B. P. KonstantinovGattschina
ЦНИИ КМ «Прометей»CRISM[4]Zentrales Forschungsinstitut für Konstruktionswerkstoffe „Prometey“, benannt nach I.V. GoryninSt. Petersburg
ИРЕАIREAForschungsinstitut für chemische Reagenzien und hochreine ChemikalienMoskau
ГосНИИгенетикаGosNIIgeneticsStaatliches Forschungsinstitut für Genetik und Züchtung industrieller MikroorganismenMoskau

Internationale Zusammenarbeit

Das Kurtschatow-Institut koordiniert – oder koordinierte zumindest bis zum russischen Überfall auf die Ukraine 2022 und der anschließenden weitgehenden politischen Isolierung Russlands durch den Westen – auch die russische Beteiligung an internationalen Großforschungsprojekten wie dem Röntgenlaser European XFEL in Hamburg, der Facility for Antiproton and Ion Research (FAIR) in Darmstadt, dem internationalen Kernfusions-Reaktor ITER im französischen Cadarache, der Synchrotronstrahlungsquelle ESRF in Grenoble, ebenfalls in Frankreich, und dem Teilchenphysik-Forschungszentrum CERN im französisch-schweizerischen Grenzgebiet bei Genf.[5]

Kritik

Am 4. März 2022 veröffentlichte das Institut im Zusammenhang mit dem eine Woche zuvor von Russland begonnenen Überfall auf die Ukraine auf seinen Webseiten ein Manifest, in dem es den Angriffskrieg unterstützte und rechtfertigte. Unter anderem wurde in dem Manifest behauptet, dass die Ukraine „in einen Neonazi-Brückenkopf verwandelt“ worden sei, und dies „in erster Linie durch die Anstrengungen unserer westlichen Partner“.[6]

Daten der Reaktorblöcke

Außerdem stehen im Kurtschatow-Institut 27 Forschungsreaktoren, von denen sieben stillgelegt sind und einer vorübergehend abgeschaltet ist. Somit sind noch 19 Reaktoren in Betrieb.[7]

Homog bedeutet homogener Reaktor mit leichtem (L) oder schwerem (S) Wasser (Aqueous homogeneous reactor, AHR), Tank ein leichtwassergekühlter und leichtwassermoderierter Reaktor, bei Tank WWR vom sowjetischen Typ WWR, und Pool ist ebenfalls wassergekühlt und wassermoderiert.

ReaktorReaktortypthermische
Leistung
BaubeginnBetriebsaufnahmeStilllegung
ARGUSHOMOG (L)20 kW10.10.198001.12.1981-
ASTRAKritische Anordnung0,10 kW01.01.198101.01.1981-
B-1000Kritische Anordnung0,20 kW01.01.198601.01.198627.01.1998
DELTAKritische Anordnung0,10 kW01.01.198501.01.1985-
EMPHIR-2MKritische Anordnung20 kW10.10.197301.01.1973-
F-1Graphitreaktor24 kW15.11.194625.12.1946-
FM MRKritische Anordnung0,10 MW01.01.197101.01.1971-
GAMMATANK125 MW01.01.198201.01.198217.06.1999
GIDRA (HYDRA)HOMOG (L)20 MW01.01.197101.01.1972-
GROGKritische Anordnung0,10 kW01.01.198001.01.1980-
IR-8POOL, IRT0,08 kW01.01.198001.08.1981-
KVANTKritische Anordnung1 kW01.01.199001.01.1990-
MAYAK[8]Kritische Anordnung0,01 kW01.01.196701.01.196727.09.2000
MRTANK50,000 kW01.10.196201.12.196301.01.1992
NARTSISS-MKritische Anordnung0,01 kW01.01.198301.01.1983-
OPTANK WWR300 kW10.10.195001.12.1989-
PKritische Anordnung0,20 kW01.01.198701.01.1987-
RBMKKritische Anordnung0,03 kW01.01.198101.01.1981-
ROMASHKAHOMOG (S)40 kW01.08.196401.01.1966(11.07.1990)
RPTGraphitreaktor10.000 kW01.01.195001.04.195201.01.1962
SF-1Kritische Anordnung0,10 kW01.10.197201.01.1972-
SF-3Kritische Anordnung0,10 kW01.01.197901.01.197901.01.1993
SF-5Kritische Anordnung0,10 kW01.01.197101.01.197101.01.1993
SF-7Kritische Anordnung0,10 kW01.01.197501.01.1975-
SK PHYSICALKritische Anordnung0,60 kW01.01.199701.01.1997-
UGKritische Anordnung0,10 kW01.01.196501.01.1965-

Sonstiges

Für eine gewisse Zeit arbeitete der Leiter der Tschernobyl-Kommission Waleri Legassow am Institut und erlangte dort seinen Doktorgrad.[9]

Literatur

  • I. N. Golovin, N. N. Ponomarev-Stepnoi, L. L. Sokolovskii: From laboratory no. 2 of the USSR Academy of sciences to the Russian Science Center “Kurchatov Institute”. In: Atomic Energy. Band 86, Nr. 4, April 1999, S. 243–253, doi:10.1007/BF02673140 (englisch).

Weblinks

  • Neue Website (nrcki.ru) ab ca. 2012: Website Kurtschatow Institut. 2023, abgerufen am 13. Oktober 2023 (russisch).
  • Alte Website (kiae.ru): Website Kurtschatow Institut. Archiviert vom Original am 6. Januar 2012; abgerufen am 13. Oktober 2023 (russisch).

Einzelnachweise

  1. Seite des Betreibers (Memento vom 6. September 2006 im Internet Archive) (russisch)
  2. Национальный исследовательский центр Курчатовский институт. Abgerufen am 13. Oktober 2023 (russisch).
  3. Как из атомного проекта вырос Курчатовский институт - РИА Новости, 11.04.2018. RIA Novosti, 11. April 2018, abgerufen am 13. Oktober 2023 (russisch).
  4. "Центральный научно-исследовательский институт конструкционных материалов „Прометей“; abgerufen am 16. August 2019
  5. International Megaprojects. Kurtschatow-Institut, archiviert vom Original am 15. März 2022; abgerufen am 29. November 2022 (englisch).
  6. Учёным России. Kurtschatow-Institut, 4. März 2022, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 15. März 2022; abgerufen am 15. März 2022 (russisch).
  7. Research Reactor Database der IAEA (englisch)
  8. Dieser Reaktor wurde als Prototyp für die Reaktoren in der kerntechnischen Anlage Majak entwickelt.
  9. Artikel Tokamak in der Großen Sowjetischen Enzyklopädie (BSE), 3. Auflage 1969–1978 (russisch)http://vorlage_gse.test/1%3D111046~2a%3DTokamak~2b%3DTokamak

Siehe auch

Koordinaten: 55° 47′ 41″ N, 37° 28′ 22″ O

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