Kurpfuscher

Besuch beim Kurpfuscher
(William Hogarth, um 1745)

Kurpfuscher bezeichnet eine Person, die (als Scharlatan bzw. „Pfuscher“) ohne ausreichende medizinische Ausbildung Kranke (falsch) behandelt (bzw. „kuriert“). Mit dem Begriff Kurpfuscherei wird häufig auch eine negative Bewertung der Qualität dieser oder einer anderen Dienstleistung ausgedrückt, gelegentlich auch eine betrügerische Absicht.

Begriffsgeschichte

Das Kompositum Kurpfuscher findet sich in keinem der großen deutschen Wörterbücher (Kaspar von Stieler, Johann Christoph Adelung, Joachim Heinrich Campe, Deutsches Wörterbuch der Brüder Grimm).[1] Nach Wolfgang Pfeifer[2] ist es Ende des 18. Jahrhunderts zuerst in Österreich[3] gebraucht worden.

Der Begriffsbestandteil pfuschen meint hier, „rasch und darum liederlich, nicht zunftgerecht arbeiten“.[4] Im Bereich der Heilkunde bezeichneten die Wörter Pfuscher (bzw. Medizinalpfuscher), Storger und Medikaster in erster Linie Heiler, die, ohne als Arzt oder Apotheker zugelassen zu sein, eine Heiltätigkeit ausüben, während mit Kurpfuscher nicht nur ein solcher unprofessioneller Heilkundiger, sondern auch ein approbierter Heiler mit zweifelhafter Kompetenz bzw. Qualifikation gemeint sein kann. Als Kurpfuscher im weiteren Sinne wurden auch Laienbehandler (Laienpraktiker) bezeichnet, die als Naturheilkundige („Naturärzte“), Homöopathen oder Magnetopathen[5] „in eigener Regie“ behandelten.[6]

Die Abgrenzung eines Arztes vom Kurpfuscher beruht nicht nur auf der fachspezifischen Kompetenz, sondern auch auf der Vertrauen bewirkenden Ethik und sittlich zuverlässigen Handlungsweise des akademisch ausgebildeten Heilkundigen.[7]

Der Begriff wurde, wenn auch zuvor schon das Phänomen Kurpfuschertum bestand[8][9] besonders populär in der Kurpfuscherdebatte Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit setzte sich die organisierte Ärzteschaft unter anderem in „Kurpfuscherei-Kommissionen“ und in einer 1903 in Berlin gegründeten Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums für die Aufhebung der Kurierfreiheit innerhalb des Deutschen Reiches ein. Kurierfreiheit bezeichnet die (rechtliche) Möglichkeit, dass jeder unabhängig von seiner Ausbildung medizinische Behandlungen durchführen darf. Damit war, anders als in Österreich, Medizinalpfuscherei kein Bestandteil der Strafgesetzgebung mehr. Der Begriff „Kurpfuscher“ stand für eine Reihe älterer Begriffe (Quacksalber, Medikaster, Medizinalstorger,[10] Medizinalpfuscher, Arzneypfuscher[11]) und wurde unterschiedlich verwendet: Nach Auffassung einiger weniger Mediziner, Juristen und Richter, aber vor allem von Naturheilkundigen, traf die Bezeichnung jeden, der Kranke durch seine Behandlung schädigt, unabhängig davon, ob er eine Approbation besitzt oder nicht. Aus der Perspektive ständisch organisierter Ärzte galt er dagegen für alle, die ohne Approbation oder in Übertretung ihrer Approbationsgrenzen (z. B. als Dentist, Apotheker) überhaupt ärztlich behandelten.

Rechtslage in Deutschland

Nicht in der Begrifflichkeit, jedoch inhaltlich fand das Verbot der Kurpfuscherei 1939 Eingang in das Heilpraktikergesetz. „Wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will“, so seine wichtigste Aussage, „bedarf dazu einer Erlaubnis.“ Der Verstoß hiergegen ist gemäß § 5 Heilpraktikergesetz strafbar und wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Rechtslage in Österreich

Das österreichische Strafgesetzbuch enthält den § 184 „Kurpfuscherei“. Danach ist die gewerbsmäßige Ausübung einer Tätigkeit, die den Ärzten vorbehalten ist, ohne die zur Ausübung des ärztlichen Berufs erforderliche Ausbildung zu haben, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen. Der Täter ist nur strafbar, wenn er eine größere Zahl von Menschen behandelt hat. Die nicht gewerbsmäßig ausgeführte Kurpfuscherei ist gerichtlich nicht strafbar.

Siehe auch

Literatur

  • Robert Jütte: Alternativmedizin. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2007, ISBN 978-3-11-019703-7, S. 42–49.
  • Robert Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute. C.H. Beck, München 1996, ISBN 3-406-40495-2, S. 18–23 („Quacksalberei“ kontra „zünftige“ Medizin (um 1800)) und S. 32–42 („Kurpfuscherei“ kontra „Schulmedizin“ (1880–1932)).
  • Thomas Faltin: Kurpfuscher, Scharlatan. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 815 f.
  • Martin Dinges: Medizinkritische Bewegungen im Deutschen Reich. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1996, ISBN 3-515-06835-X
  • Wolfgang U. Eckart, Robert Jütte: Medizingeschichte. Eine Einführung. UTB 2903, Böhlau, Köln / Weimar / Wien 2007, ISBN 978-3-8252-2903-0 (UTB) / ISBN 978-3-412-12406-9 (Böhlau).

Weitere, nicht eingesehene Literatur

  • Eberhard Buchner: Ärzte und Kurpfuscher. München 1922.
  • Reinhard Spree: Kurpfuscherei – Bekämpfung und ihre sozialen Funktionen während des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In: A. Labisch, R. Spree (Hrsg.): Medizinische Deutungsmacht im sozialen Wandel des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Bonn 1989, S. 103–121.
Wiktionary: Kurpfuscher – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Selbst in der Erstauflage von: Das große Wörterbuchg der deutschen Sprache. Band 1–6. Dudenverlag, 1977–1981, fehlt es.
  2. Wolfgang Pfeifer: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 3. Auflage. Deutscher Taschenbuchverlag 1997, S. 747 unter Stichwort Kur.
  3. Vgl. z. B. books.google.de
  4. Friedrich Kluge, Alfred Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 20. Auflage, hrsg. von Walther Mitzka. De Gruyter, Berlin / New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 548 (pfuschen).
  5. „Magnetopath: mit Magnetismus behandelnder Heilkundiger.“. In: DUDEN: Das Große Fremdwörterbuch. Dudenverlag, Mannheim u. a. 1994, S. 848.
  6. Robert Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute. 1996, S. 21 f. und 38–42.
  7. Richard Toellner: Georg Bartisch (1535–1606). Bürger, Okulist, Schnitt- und Wundarzt zu Dresden und sein Werk „Ophthalmodouleia das ist Augendienst“. Beiheft zu: Richard Toellner (Hrsg.): Georg Bartisch von Königsbrück, Augendienst. Nachdruck der ersten deutschsprachigen umfassenden Augenheilkunde aus dem Jahr 1583. Edition »libri rari« Th. Schäfer, Hannover 1983, ISBN 3-88746-071-5, S. 2 f.
  8. Karl Sudhoff: Kurpfuscher, Ärzte, Stadtbehörden am Ende des 15. Jahrhunderts. In: Sudhoffs Archiv für Geschichte der Medizi. Band 8, 1914, S. 98.
  9. Karl Sudhoff: Philipp Begardi und sein Index Sanitatis. Ein Beitrag zur Geschichte des Ärztestandes und des Kurpfuschertums in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. In: Archiv für Geschichte der Medizin, Band 1, 1907, S. 102–121.
  10. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Deutscher Taschenbuchverlag. Band 19, Sp. 416, Stichwort Storger: „Landfahrer, Hausierer, Quacksalber, umherfahrender Zahnarzt“. [Nomina in Großschreibung wiedergegeben].
  11. Pfuscher: Arzneypfuscher: „Empiricus“. In: Caspar von Stieler: Der teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs. Altdorf 1691, Teil 2, Sp. 1452–1453.

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