Kufiya

Ein Iraker mit einer roten Kufiya

Die Kufiya oder Kefije (arabisch كوفية Keffiah, DMG Kūfīya, auch Ghutra / غترة / Ġutra oder Hatta / حطة / Ḥaṭṭa) ist ein in der arabischen Welt von Männern und Frauen[1] getragenes Kopftuch. Es wird auch als Halstuch getragen. Der arabische Begriff ist abgeleitet vom Namen der irakischen Stadt Kufa. Das Tuch wird von Arabern zum Schutz vor der Sonne getragen. Durch den Nahostkonflikt kam das Tuch zur Bezeichnung Palästinensertuch. In Armeekreisen ist es als Shemag / شماغ / šimāġ bekannt.

Form

Keffiyeh in Form eines Turbans der königlichen Familie Bin Said von Oman, Ausstellung Amsterdam 2009

Die Kufiya ist ein quadratisches weißes Tuch, teilweise mit Quastenrand, in der Regel aus Baumwolle, das häufig in der Mitte ein gleichmäßig gewürfeltes Muster trägt, am Rand Streifen, meist in Schwarz oder Rot, aber auch Blau und Lila, eingewebt oder aufgestickt hat. Farbe und Material variieren regional. So ist die Kufiya zum Beispiel in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar beinahe immer ganz weiß, im Irak beispielsweise mehrheitlich rot und in Palästina schwarz. In Palästina sind viele Kufiyas aus einem Wolle/Baumwolle-Mischgewebe hergestellt.

Es gibt zwei grundsätzliche Arten, die Kufiya zu verwenden:

  • Als Turban (die übliche Kopfbedeckung in Oman).
  • Nach diagonaler Faltung in der Art eines Kopftuches. Im letzteren Falle kann sie mit einem Agal (auch: Ogal, Iqal oder Ekal), einer Art Kordel, als Halteschnur befestigt werden. In Palästina wird die Kufiya direkt auf den Kopf gesetzt, in den Emiraten wird darunter eine Mütze getragen. Jede Region hat dabei ihre eigene Art, die Ecken des Tuches vorne oder hinten oder hochgeklappt usw. zu tragen, so dass man teilweise anhand der Farbe und der Art, wie die Kufiya getragen wird, sagen kann, woher ihr Träger stammt.

Kufiyas gibt es in unterschiedlichen Qualitäten. In Europa findet man oft Billigprodukte. Hochwertige Kufiyas erkennt man am eingewebten oder durchgewebten Muster und der Qualität des Gewebes.

Herkunft

Die Kufiya stammt ursprünglich aus Kufa im Irak und wurde anfangs von Beduinen und sesshaften Bauern in dieser Region getragen. Die Kufiya entwickelte sich im gesamten arabischen Raum zu einem traditionellen Kleidungsstück und ist noch heute weit verbreitet. Das Tuch wird als Kopfbedeckung gegen intensive Sonneneinstrahlung getragen, dient aber auch bei Wüstenstürmen als Schutzbedeckung der Augen und des Mundes vor Staub und Sand. Die traditionelle Kopfbedeckung existiert in unzähligen Variationen und Farben. Die Kufiya ist fast immer aus weißer Baumwolle gefertigt und oft mit kariertem Muster in einer bestimmten Farbe versehen. Die Kufiya in ausschließlich weißer Farbe wird auch Ghutra genannt und wird speziell in den Golfstaaten wie Saudi-Arabien, Oman und Bahrain getragen. Heute werden „Palästinensertücher“ überwiegend in China hergestellt. Die traditionellen Hersteller in den Palästinensischen Autonomiegebieten sind vom Wettbewerb weitestgehend verdrängt.[2] Zu einem der letzten palästinensischen Produzenten zählt das Unternehmen Hirbawi Textiles aus Hebron (Westjordanland).[3]

Die Kufiya als palästinensisches Nationalsymbol

Jassir Arafat mit Nicolae Ceaușescu während eines Besuchs in Bukarest 1974

Im Zuge des Nahostkonfliktes hat sich die Kufiya zu einem Symbol für die gegen Israel kämpfenden Palästinenser entwickelt, so dass es im deutschsprachigen Raum vielfach als „Palästinensertuch“ bekannt wurde.

Anfang des 20. Jahrhunderts war die Kufiya in Palästina wie in anderen arabischen Ländern eine traditionelle und verbreitete Kopfbedeckung, die vor allem im ländlichen Bereich häufig getragen wurde. Während des von Großmufti Mohammed Amin al-Husseini in den Jahren 1936 bis 1939 geführten arabischen Aufstandes gegen die Mandatsmacht Großbritannien, die im Auftrag des Völkerbundes Palästina verwaltete, wurde die Kufiya jedoch erstmals politisch behaftet. Vertreter der arabischen Oberschicht wurden von Husseinis Leuten gezwungen, anstelle des traditionellen osmanischen Fes, eine Kopfbedeckung der türkischen Besatzer und Großgrundbesitzer, die Kufiya als Zeichen der Verbundenheit mit den arabischen Fellachen zu tragen.[4]

Die heutige Bekanntheit und Bezeichnung als Palästinensertuch erlangte die Kufiya seit Ende der 1960er und in den 1970er Jahren durch den Anführer der Fatah, Jassir Arafat. Die schwarz-weiße Kufiya ist Arafats Markenzeichen geworden, mit der er öffentlich auftrat und das Tuch dadurch weltweit bekannt machte. Daher stammt auch die deutschsprachige Bezeichnung Arafat-Schal. Arafat hat die Kufiya auf seine eigene Weise über die rechte Schulter in Form eines Dreiecks gefaltet getragen, sodass das Tuch an die Grenzen der Region Palästina (einschließlich des Staates Israel) erinnert. In den Palästinensergebieten ist die schwarz-weiße Variante der Kufiya typisch für die Fatah, während Sympathisanten der linken Organisationen wie der PFLP eher rote Kufiyas bevorzugten. Diese farbliche Zuordnung soll jedoch nicht überbewertet werden und ist in Palästina nicht allgemein anerkannt.

Militärischer Gebrauch

Special Air Service in Nordafrika, 1943
Palästinenser mit Sturmgewehr, 2009

Während des Zweiten Weltkrieges übernahmen im Nahen Osten und arabischen Nordafrika eingesetzte Soldaten, wie bei der Long Range Desert Group der britischen Armee, den Shemag aufgrund seines Tragekomforts oft in ihre Ausrüstung, ohne dass er Teil der offiziellen Uniform wurde. Ähnliche Entwicklungen gibt es in den letzten Jahren bei anderen westlichen Armeen bei Einsätzen in Regionen, in denen die Kufiya üblich ist, beispielsweise bei der US-Armee und der Bundeswehr in Afghanistan. Zur optischen Tarnung verwenden die Soldaten in der Regel, passend zur Uniformfarbe, Tücher in Olivgrün oder Khaki mit schwarzem Muster.

Kufiya in nichtarabischen Ländern

Seit den Tagen des außerparlamentarisch organisierten Studentenprotests der 68er Jahre ist in der linken Jugend- und Subkultur das „Palituch“ als Zeichen der Solidarität mit der PLO ein beliebtes Zeichen zum Ausdruck der persönlichen Zugehörigkeit insbesondere zur antiimperialistischen Strömung innerhalb des politisch linken Lagers und der alternativen Szene. Es wird dort als Zeichen des Widerstands gegen Repression und als Symbol persönlicher Freiheit verstanden. Auch von Hippies wird es in diesem Sinne getragen.

Anti­semi­tischer Demon­strant mit Kufiya; auf sei­nem Unter­arm ist als Nazi-Zahlen­code für den Hitler­gruß die Zahl achtund­achtzig täto­wiert, Berlin 2014

In den Vereinigten Staaten kam die Kufiya Ende der 1980er auf, zur Zeit der Ersten Intifada, und erlebte nach der Jahrtausendwende einen weiteren Popularitätsschub.[4] Zudem kamen Kufiyas mit jüdischen Symbolen auf den Markt, die auch von zionistischen Aktivisten getragen werden.[5]

Abseits seiner politischen Bedeutung wird das Palästinensertuch in Deutschland und Österreich in der Jugendkultur (zum Beispiel Krocha) auch gerne als Modeaccessoire ohne unmittelbar politischen Symbolgehalt besonders von jungen Menschen verwendet; die Kufiya hat somit auch Einzug in die unpolitische Jugend- und Popkultur erhalten.

Insbesondere die politische Strömung der Antideutschen und Teile der antinationalen Linken kritisieren das Tragen der Kufiya als Symbol des Kampfes und Terrorismus gegen Israel.[6][7]

In Deutschland wird die Kufiya seit Ende der 1990er Jahre zunehmend auch von Rechtsextremisten und Neonazis (siehe zum Beispiel die Freien Kameradschaften) getragen. Dies geschieht im Rahmen des Verwendens linker Symbole, das seit den späten 1990er Jahren häufig in der rechtsextremen Szene zu beobachten ist, um sich als sozialistisch oder revolutionär darzustellen.[8][9][10][11]

Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel 2023 wurde die Kufiya bei antiisraelischen Protesten getragen.[12] Ein Verbot an Berliner Schulen wurde kontrovers diskutiert.[13] Klimaaktivistin Greta Thunberg trat im November 2023 in Amsterdam mit dem Tuch als Symbol der Solidarität mit Palästina auf, wofür sie kritisiert wurde.[14]

Klimaaktivistin Greta Thunberg in Amsterdam (2023)

Weblinks

Commons: Kufiya – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Sven Felix Kellerhoff: Symbol des Terrors: Das ist die wahre Bedeutung des Palästinensertuches. welt.de, 24. Oktober 2023
  2. Palästinensertuch kämpft mit Kopien aus China FAZ.net, 1. September 2008, abgerufen am 15. Januar 2013
  3. kufiyahirbawi.com
  4. a b Where Some See Fashion, Others See Politics. New York Times, 11. Februar 2007.
  5. Avi Yellin: PA Angered by Israeli Keffiyeh. Israel National News, 11. März 2010
  6. Ist Dir kalt oder hast Du was gegen Juden?! liberté toujours*, Januar 2004, abgerufen am 27. November 2023.
  7. JungdemokratInnen/Junge Linke Berlin: Coole Kids tragen kein Pali-Tuch. In: Tomorrow. Abgerufen am 27. November 2023.
  8. Johanna Kramer: Neonazis mit Palästinensertuch (Memento desOriginals vom 4. Januar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.sz-online.de, Sächsische Zeitung, 10. Mai 2004.
  9. Ulrich Gutmair: Radikaler Diskurslappen, Die Tageszeitung, 28. März 2008
  10. Timo Nowack, Markus Flohr: Verkleidete Rechte: Tarnkappen-Nazis buhlen um junge Linke, Spiegel-Online, 1. Mai 2007
  11. Thomas Grumke, Bernd Wagner (Hrsg.): Handbuch Rechtsradikalismus: Personen – Organisationen – Netzwerke vom Neonazismus bis in die Mitte der Gesellschaft. Leske + Budrich, Opladen 2002, Neuauflage als E-Book 2013 bei Springer Science+Business Media, S. 219.
  12. Sabine Hottowy: Das Palästinensertuch ist zurück. 14. November 2023, abgerufen am 15. November 2023.
  13. Susanne Lenz: Palästina-Tuch an Berliner Schulen verboten? Die Kufiya: ein politisch brisantes Stück Stoff. 17. Oktober 2023, abgerufen am 15. November 2023.
  14. Demo in Amsterdam: Fridays for Future Deutschland zieht Konsequenzen nach Thunberg-Äußerungen. In: Kölner Stadt-Anzeiger. 13. November 2023, abgerufen am 15. November 2023.

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Yasser Arafat with Nicolae Ceauşescu during a visit in Bucharest in 1974
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Am 17. Juli 2014 kamen rund 1000 pro-palästinensische Menschen zusammen um in Berlin gegen eine pro-israelische Kundgebung auf dem Joachimsthaler Platz zu protestieren.
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Irakischer Milizionär an der Sabaa Nissan (siebenter April) Wasseraufbereitungsanlage in Bagdad.
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Keffiyeh as worn on a kumma by the Royal Family Bin Said of Oman, exibition Oman, Amsterdam 2009-2010
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Greta Thunberg at klimaatmars, Amsterdam
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Title: The Special Air Service (SAS) in North Africa during the Second World War: a close-up of a heavily armed patrol of 'L' Detachment SAS in their Jeeps, just back from a three month assignment. The crews of the jeeps are all wearing 'Arab-style' headdress, as copied from the Long Range Desert Group.