Krisenkommunikation (Öffentlichkeitsarbeit)

Krisenkommunikation oder Krisen-PR (von engl. Public Relations) bezeichnet die Öffentlichkeitsarbeit von prominenten Einzelpersonen, Unternehmen, Behörden und anderen Organisationen im Kontext von Krisenmanagement.

Begriff Krisenkommunikation

Als Krisen bezeichnet das Krisennavigatorinstitut für Krisenforschung, ein Spin-off der Universität Kiel,[1] alle internen oder externen Ereignisse, durch die akute Gefahren drohen für Lebewesen, für die Umwelt, für die Vermögenswerte oder für die Reputation eines Unternehmens bzw. einer Institution. Krisenkommunikation umfasst danach alle Maßnahmen zur kommunikativen Vermeidung (potenzielle Krisenphase), Früherkennung (latente Krisenphase), Bewältigung (akute Krisenphase) und Nachbereitung (Nach-Krisenphase) von Krisensituationen. Unterschieden werden drei Arten von Krisen: Bilanzielle Krisen ("Pleiten"), kommunikative Krisen ("Skandale") und operative Krisen ("Störungen"). Pro Jahr ereignen sich nach den Erhebungen des Instituts in der D-A-CH-Region rund 40.000 bilanzielle Krisen sowie ca. 280 (öffentlich gewordene) operative und kommunikative Krisen.

Die Forschungsgruppe Krisenkommunikation der TU Ilmenau[2] definiert den Begriff demgegenüber als einen sozialen Aushandlungsprozess im Kontext von als bedrohlich und disruptiv wahrgenommenen Situationen, denen Beobachter intuitiv oder strategisch den Krisenstatus zuschreiben. In zeitlicher Hinsicht umfasst Krisenkommunikation danach öffentliche und nicht-öffentliche Kommunikationsprozesse in Antizipation von Krisen, während akuter Krisen und nach Krisen. In sozialer Hinsicht bezieht sich Krisenkommunikation auf individuelle und organisierte Akteure, die im Krisenkontext an Kommunikationsprozessen teilnehmen bzw. interagieren. In sachlicher Hinsicht werden sämtliche Kommunikationen betrachtet, die den Krisenprozess zum Inhalt haben. Dies schließt u. a. die strategische Krisenkommunikation von Organisationen im Rahmen der Pressearbeit und die journalistische Konflikt- und Krisenberichterstattung ein.

Ein besonderes Feld der Krisenkommunikation ist die Begleitung von Ermittlungs- und Strafverfahren, besonders im Wirtschafts- und Steuerrecht, aber auch im Privatbereich vor allem bei prominenten Persönlichkeiten (Litigation PR).

Strategische Krisenkommunikation

Strategische Krisenkommunikation ist Teil des Krisenkommunikationsmanagements zur proaktiven Prävention und Früherkennung von Krisen, Vorbereitung auf Krisen, akuten kommunikativen Bewältigung von Krisen und kommunikativen Nachbearbeitung bzw. Evaluation von organisationsbezogener Krisenkommunikation. Ziel strategischer Krisenkommunikation ist es, den beobachtbaren bzw. hypothetisch zu erwartenden krisenbedingten Reputations- und Vertrauensverlust bei relevanten Stakeholdern zu minimieren und damit den Handlungsspielraum zur Erreichung der strategischen Ziele der Organisation unter den gegebenen Bedingungen zu maximieren. Darüber hinaus hat Krisenkommunikation das Ziel Informationen und Verhaltensinstruktionen im Krisenkontext effektiv zu verbreiten, um Schaden von betroffenen Anspruchsgruppen abzuwenden und sie bei der psychologischen Bewältigung der Krise zu unterstützen.[3] Die strategische Krisenkommunikation ist Teil des Business Continuity Management. Damit bezieht sie weitere unternehmerischen Aufgabenfelder, insbesondere Personal und IT in die Planung mit ein.[4]

Krisenkommunikation von Unternehmen

Anlässe für Krisenkommunikation in der Wirtschaft sind beispielsweise Störfälle in Kraftwerken oder in der Chemischen Industrie oder Lebensmittelskandale. Es werden interne und externe Krisen unterschieden. Typische Beispiele sind:

Unternehmensintern
Extern
  • Angriffe enttäuschter Ex-Mitarbeiter
  • Rufmord durch Wettbewerber
  • Indirekter Einfluss auf das Bild der Öffentlichkeit des Unternehmens durch das Fehlverhalten anderer Unternehmen der gleichen Branche.
  • Produkterpressung
  • Naturkatastrophen
  • Unfälle

Krisenkommunikation des Staates und seiner Organe

Im Bereich der öffentlichen Verwaltung gewinnt die Krisenkommunikation vor allem bei der von Gebietskörperschaften getrennten nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr eine zunehmende Bedeutung. Im weiteren Sinne sind auch militärische Krisen Gegenstand der (politischen) Krisenkommunikation.[3]

Für die Krisenkommunikation in der Bundesrepublik Deutschland ist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), eine Behörde des Ministeriums des Inneren, zuständig.[5]

Dynamik

Es ist eine Zunahme der Aktivitäten auf dem Bereich der Krisenkommunikation (Ausbau von Pressestellen um entsprechend qualifizierte Mitarbeiter, Medientraining für Manager und Sprecher und Beauftragung von spezialisierten Beratungsagenturen) festzustellen. Treibende Kräfte sind dabei eine kritische Verbraucher-Öffentlichkeit,[6] kampagnenfähigere und besser mit Journalisten vernetzte Nichtregierungsorganisationen (Verbraucher-, Tierschutz, Gewerkschaften, Produkttester), eine tendenzielle Skandalisierung der Medien-Berichterstattung und so genannter Kampagnenjournalismus (Zeitungskrise, Verkleinerung von Redaktionen, Auflagenrückgänge usw.)[7] sowie die steigende Individualisierung der öffentlichen Kommunikation (Web 2.0).

Krisenprävention und Kommunikation während der Krise

Im Rahmen der Krisenprävention werden vom Unternehmen Schwachstellen identifiziert, Sprachregelungen und Kontaktlisten erarbeitet, Krisenstäbe für den Ernstfall vorbereitet und regelmäßiger Informationsaustausch mit branchenrelevanten Akteuren (Politikern, Verwaltung, NGOs …)[8] sowie eine kontinuierliche und offene Presse- und Öffentlichkeitsarbeit geübt.[9]

In einer Krisensituation entwickeln sich durch die zunehmende öffentliche Aufmerksamkeit und den zunächst herrschenden Mangel an validen Informationen rasch zusätzliche Gerüchte, Spekulationen, Behauptungen und Beschuldigungen, in solchen Situationen ist eine schnelle Information der Öffentlichkeit wichtig.[8]

Im Krisenfall kommt es in der Kommunikation zu einem Interessenkonflikt zwischen Unternehmen und Öffentlichkeit, mit Methoden der Krisenkommunikation soll im Falle einer Krise der Imageschaden für das Unternehmen begrenzt und Vertrauen in das Unternehmen erhalten werden.

Zum Teil wird versucht, in Krisenhandbüchern allgemeine Handlungsanweisungen für Unternehmenskrisen zu formulieren. Engel und Zimmermann warnen in diesem Zusammenhang in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vor Patentrezepten.[10] Ebenso soll nach ihnen bestimmtes Fehlverhalten vermieden werden:

  • Leugnen/Umdeuten von Fakten
  • Verantwortung ablehnen
  • Folgen relativieren
  • Kritik abwehren
  • Arroganz, Ignoranz, mangelnde Betroffenheit

Krisen, die sich auf Social-Media-Plattformen abspielen, werden als „Shitstorm“ bezeichnet. Bekanntes Beispiel: Greenpeace vs. Nestle.[11]

Siehe auch

Literatur

  • Peter Wolff: Internet-Monitoring – So schützen Sie Image und Marke gegen Internetattacken. Expert-Verlag, 2005, ISBN 3-8169-2291-0.
  • Thomas Ullrich, Mathias Brandstädter: Krisenkommunikation – Grundlagen und Praxis: Eine Einführung mit ergänzender Fallstudie am Beispiel Krankenhaus. Verlag Kohlhammer, Stuttgart 2016, ISBN 978-3170222496.
  • Andreas Schwarz und Martin Löffelholz: Krisenkommunikation: Vorbereitung, Umsetzung, Erfolgsfaktoren. In: Ansgar Zerfass und Manfred Piwinger (Hrsg.): Handbuch Unternehmenskommunikation. Springer VS, Wiesbaden 2014, S. 1303–1319, ISBN 978-3-8349-4542-6.
  • Doris Märtin: Mich wirft so schnell nichts um. Wie Sie Krisen meistern und warum Scheitern kein Fehler ist. Campus, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-593-38551-8.
  • Hartwin Möhrle (Hrsg.): Krisen-PR – Krisen erkennen, meistern und vorbeugen. Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-89981-135-3.
  • Arnd Joachim Garth: Krisenmanagement und Kommunikation. Gabler Verlag, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8349-0948-0.
  • Andreas Schwarz: Krisen-PR aus Sicht der Stakeholder. Der Einfluss von Ursachen- und Verantwortungszuschreibungen auf die Reputation von Organisationen. Springer VS, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-531-17500-3.
  • Frank Roselieb, Marion Dreher (Hrsg.): Krisenmanagement in der Praxis: Von erfahrenen Krisemanagern lernen. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-503-10090-3.
  • Ralf Laumer, Jürgen Pütz (Hrsg.): Krisen-PR in der Praxis. Wie Kommunikations-Profis mit Krisen umgehen. Daedalus Verlag, Münster 2006, ISBN 3-89126-240-X.
  • Jürgen Kleikamp: Kleines Handbuch der Krisenkommunikation. Greven Verlag, Köln 2012, ISBN 978-3-7743-0602-8.
  • Peter Höbel, Thorsten Hofmann: Krisenkommunikation. 2. völlig überarbeitete Auflage. UVK, Konstanz 2014, ISBN 978-3-86764-211-8.
  • Jan Lies: Krisenkommunikation und -prävention. In: Jan Lies (Hrsg.): Praxis des PR-Managements, Strategien – Instrumente – Anwendung, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-06912-4, S. 248–255.
  • Peter Engel, Walther Scheuerl: Litigation PR. Carl Heymanns Verlag, Köln 2012, ISBN 978-3-452-27537-0.
  • Ansgar Thießen: Organisationskommunikation in Krisen. Reputationsmanagement durch strategische, integrierte und situative Krisenkommunikation. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-18239-1.
  • Michael Kunczik, Alexander Heintzel, Astrid Zipfel: Krisen-PR. Unternehmensstrategien im umweltsensiblen Bereich. Böhlau Verlag, Köln und Weimar 1995, ISBN 3-412-11794-3.
  • Andreas Schwarz, Matthew Seeger, Claudia Auer (Hrsg.): The Handbook of International Crisis Communication Research. Wiley-Blackwell, Chichester 2016, ISBN 978-1-118-51676-8.
  • Frank Wilmes: Krisen-PR – Alles eine Frage der Taktik. BusinessVillage, Göttingen 2006, ISBN 3-938358-30-0.
  • Wilfried Nocker: Die Auswirkungen der Krisenkommunikation auf das Image des Finanzplatzes Liechtenstein anhand der aktuellen Steueraffäre. Diplomica Verlag 2010, ISBN 978-3-8366-8757-7.
  • Frank Roselieb (Hrsg.): Die Krise managen. Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-934191-71-1.
  • Tanja Köhler: Krisen-PR im Internet. Nutzungsmöglichkeiten, Einflussfaktoren und Problemfelder. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006, ISBN 3-531-14898-2.
  • Tobias Nolting, Ansgar Thießen (Hrsg.): Krisenmanagement in der Mediengesellschaft. Potenziale und Perspektiven in der Krisenkommunikation. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-531-15384-1.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Krisennavigator - Institut für Krisenforschung - ein Spin-Off der Universität Kiel
  2. Internationale Forschungsgruppe Krisenkommunikation an der TU Ilmenau
  3. a b Andreas Schwarz: Strategische Krisenkommunikation von Organisationen. In: Romy Fröhlich, Peter Szyszka, Günter Bentele (Hrsg.): Handbuch der Public Relations Wissenschaftliche Grundlagen und berufliches Handeln. Mit Lexikon. 3. Auflage. Springer VS, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-531-17438-9, S. 1001–1016 (springer.com [abgerufen am 31. August 2016]).
  4. Dr. Holger Kaschner, Business Continuity Management: Employer Branding vor und in Krisen aufgerufen 9. Mai 2022
  5. Krisenkommunikation. In: Bundesministerium des Innern. Abgerufen am 13. September 2016.
  6. Kunden sanktionieren Fehlverhalten. In: Handelsblatt. 26. September 2007. (online)
  7. Vgl. Steffen Burkhardt: Medienskandale. Zur moralischen Sprengkraft öffentlicher Diskurse. Herbert von Halem Verlag, Köln 2006.
  8. a b vgl. „Krisen-PR in der Praxis“ (bei Literaturangaben)
  9. Die Krise als Chance. In: Lebensmittel-Zeitung. 22. September 2006 und: Die Geheimniskrämer. In: Handelsblatt. 17. September 2008 (online)
  10. Wer erst im Handbuch nachschauen muss, hat in der Krise schon verloren. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 25. Oktober 2004.
  11. Greenpeace vs. Nestle (Memento desOriginals vom 17. Mai 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.netz-reputation.de