Kreisreform Baden-Württemberg 1973

Mit Wirkung vom 1. Januar 1973 fand in Baden-Württemberg eine Kreisgebietsreform statt, bei der 32 Landkreise neu gebildet wurden und drei Landkreise unverändert oder nahezu unverändert bestehen blieben. Bereits in den Jahren zuvor, d. h. seit 1967, hatte es zur Vorbereitung der Kreisreform Umgliederungen einzelner Gemeinden gegeben.[1] Außerdem lief seit 1970 die freiwillige Phase der Gebietsreform in Baden-Württemberg, in der es bereits mehrere Gemeindezusammenschlüsse über die Kreisgrenzen hinweg gegeben hatte.[2]

Landkreise 1967
Landkreise 1975
Veranschaulichung der Änderungen

Gründe

In der Literatur und in den anlässlich der Reformen erstellten Gutachten werden gesellschaftliche und verwaltungsinterne Entwicklungen aufgeführt, die eine Neuordnung im Gebietszuschnitt der Regierungsbezirke, Landkreise und Gemeinden Baden-Württembergs begründen. Diese sind:

  1. die größere Nachfrage nach Verwaltungsleistungen;
  2. das verstärkte Zurückbleiben des Verwaltungsangebotes der Verwaltung;
  3. das Stadt/Land-Gefälle;
  4. die Notwendigkeit öffentlicher Planung sowie
  5. höhere Einwohnerzahlen zur Erfüllung der Verwaltungsaufgaben.

Bei den Verwaltungsleistungen war eine zunehmende Verschiebung von der Ordnungs- zur Leistungsverwaltung festzustellen. Mit dem gestiegenen Anspruchsniveau konnte das bis dahin existierende Verwaltungssystem nicht uneingeschränkt mithalten. Vor allem im Umland der größeren Städte war eine Verwaltungsverbesserung vonnöten, zumal die Einwohnerzahl in den stadtnahen ländlichen Gebieten damals beständig anstieg. Die neuen Verwaltungseinheiten sollten eine neu gewünschte Planungsfunktion erfüllen. Zudem sollten nach Möglichkeit Mindesteinwohnerzahlen festgelegt werden, um eine Spezialisierung des Verwaltungspotenzials zu ermöglichen.[3]

Politische Umsetzung

Vor der Kreisreform 1973 bestanden in Baden-Württemberg 63 Land- und neun Stadtkreise, deren Grenzen noch an den drei 1952 ins neugeschaffene Bundesland aufgegangenen drei Vorläufern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern ausgerichtet waren. Dabei hatte der kleinste Kreis 33.000 Einwohner, der größte fast 300.000. Zu einem Kreis zählten mehr als 100 Gemeinden, zum kleinsten nur 13.[4] Wie in anderen Bundesländern gab es in den 1960er Jahren Überlegungen, überörtliche kommunale Aufgaben, z. B. die Krankenhausversorgung und Abfallbeseitigung, überall „gleichwertig“ anbieten zu können. Deswegen sollte die vorhandene Kreisstruktur modernisiert werden.

Die 1968 gebildete Regierung von Ministerpräsident Hans Filbinger (CDU) und Innenminister Walter Krause (SPD) hatte eine Gebiets- und Verwaltungsreform vereinbart. Sie veröffentlichte im Dezember 1969 ihr Denkmodell, das die Bildung von 25 Land- und fünf Stadtkreise vorsah. Als Alternative zum „Denkmodell“ des SPD-dominierten Innenministeriums legte die CDU am 25. Februar 1970 ein „Alternativmodell“ vor, das von etwa 38 Land- und acht Stadtkreisen ausging. Es war maßgeblich geprägt von der Arbeit des damaligen Ministerialrats und späteren Stuttgarter Oberbürgermeisters Manfred Rommel und des damaligen Bürgermeisters und späteren Ministerpräsidenten Erwin Teufel.[5] Der Kompromiss, der 1970/71 erarbeitet und vom Parlament in einem Sonderausschuss festgezimmert wurde, sah 35 Land- und neun Stadtkreise vor, die in zwölf Regionalverbänden organisiert wurden. Am 23. Juli 1971 verabschiedete der Landtag das „Erste Gesetz zur Verwaltungsreform (Kreisreformgesetz)“, das zum 1. Januar 1973 in Kraft trat.

Die Verwaltungsstufe von vier Regierungspräsidien blieb erhalten, doch ihre Grenzen wurden neu festgelegt, wobei – wie bei den Landkreisen – die alten Grenzen zwischen Baden, Hohenzollern und Württemberg ignoriert wurden. Diese bestehen in Baden-Württemberg allerdings weiter bei der Rechtspflege und einigen Sportverbänden, beispielsweise dem Landessportverband Baden-Württemberg.

Zusammensetzung der Landkreise

Die Aufzählungen geben im Wesentlichen das Kreisreformgesetz vom 26. Juli 1971[6] wieder. Abweichungen und spätere Änderungen der Kreisgrenzen sind als Anmerkungen hinzugefügt.[7][8]

Alb-Donau-Kreis

Alb-Donau-Kreis mit dem Sitz des Landratsamtes in Ulm:

Landkreis Biberach

Landkreis Biberach mit dem Sitz des Landratsamtes in Biberach an der Riß:

Landkreis Böblingen

Landkreis Böblingen mit dem Sitz des Landratsamtes in Böblingen:

Bodenseekreis

Bodenseekreis mit dem Sitz des Landratsamtes in Friedrichshafen:

Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald

Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald mit dem Sitz des Landratsamtes in Freiburg im Breisgau:

Landkreis Calw

Landkreis Calw mit dem Sitz des Landratsamtes in Calw:

Landkreis Emmendingen

Der Landkreis Emmendingen wurde nur in geringem Umfang verändert.

Es kamen lediglich einige Gemeinden des Landkreises Freiburg zum Kreisgebiet:

  • die Gemeinde Jechtingen am 1. Januar 1973
  • Infolge der noch nicht abgeschlossenen Gemeindereform wurden nach 1973 noch die beiden Gemeinden Kiechlinsbergen[13] und Leiselheim[14] umgegliedert.

Enzkreis

Enzkreis mit dem Sitz des Landratsamtes in Pforzheim:

Landkreis Esslingen

Landkreis Esslingen mit dem Sitz des Landratsamtes in Esslingen:[11]

Landkreis Freudenstadt

Landkreis Freudenstadt mit dem Sitz des Landratsamtes in Freudenstadt:

Landkreis Göppingen

Der Landkreis Göppingen blieb im Wesentlichen unverändert.

Es gab nur folgende Änderungen:

  • Der Ort Lenglingen wurde in die Stadt Göppingen umgemeindet. Er gehörte bis 1972 zur Gemeinde Großdeinbach, Landkreis Schwäbisch Gmünd, wurde dann in die Stadt Schwäbisch Gmünd eingegliedert und kam 1973 dann zu Göppingen.
  • Bereits vor der Kreisreform 1973 war der Landkreis Göppingen um drei Orte vergrößert worden: Am 1. April 1972 war die Gemeinde Maitis (Landkreis Schwäbisch Gmünd) infolge der Eingliederung in die Stadt Göppingen dem Landkreis Göppingen zugeteilt worden. Ferner waren Türkheim und Waldhausen, beide bis 1970/1972 zum Landkreis Ulm gehörig, am 1. Januar 1971 bzw. 1. März 1972 in die Stadt Geislingen an der Steige eingegliedert worden und somit zum Landkreis Göppingen gekommen.

Landkreis Heidenheim

Der Landkreis Heidenheim blieb nahezu unverändert. Am 1. Juli 1974 wurde lediglich der kleine Weiler Sontbergen der Gemeinde Amstetten vom ehemaligen Landkreis Ulm in den Landkreis Heidenheim eingegliedert und in die Gemeinde Gerstetten umgemeindet.

Landkreis Heilbronn

Landkreis Heilbronn mit dem Sitz des Landratsamtes in Heilbronn:

Hohenlohekreis

Hohenlohekreis mit dem Sitz des Landratsamtes in Künzelsau:

Landkreis Karlsruhe

Landkreis Karlsruhe mit dem Sitz des Landratsamtes in Karlsruhe:

Landkreis Konstanz

Landkreis Konstanz mit dem Sitz des Landratsamtes in Konstanz:

Landkreis Lörrach

Landkreis Lörrach mit dem Sitz des Landratsamtes in Lörrach:

Landkreis Ludwigsburg

Landkreis Ludwigsburg mit dem Sitz des Landratsamtes in Ludwigsburg:

Odenwaldkreis

Odenwaldkreis mit dem Sitz des Landratsamtes in Mosbach (am 10. September 1974 Umbenennung in Neckar-Odenwald-Kreis wegen der Verwechslungsgefahr mit dem hessischen Odenwaldkreis):

Ortenaukreis

Ortenaukreis mit dem Sitz des Landratsamtes in Offenburg:

Ostalbkreis

Ostalbkreis mit dem Sitz des Landratsamtes in Aalen:

Landkreis Rastatt

Landkreis Rastatt mit dem Sitz des Landratsamtes in Rastatt:

Landkreis Ravensburg

Landkreis Ravensburg mit dem Sitz des Landratsamtes in Ravensburg:

Rems-Murr-Kreis

Rems-Murr-Kreis mit dem Sitz des Landratsamtes in Waiblingen:

Landkreis Reutlingen

Landkreis Reutlingen mit dem Sitz des Landratsamtes in Reutlingen:

Rhein-Neckar-Kreis

Rhein-Neckar-Kreis mit dem Sitz des Landratsamtes in Heidelberg:

Landkreis Rottweil

Landkreis Rottweil mit dem Sitz des Landratsamtes in Rottweil:

Landkreis Schwäbisch Hall

Landkreis Schwäbisch Hall mit dem Sitz des Landratsamtes in Schwäbisch Hall:

Schwarzwald-Baar-Kreis

Schwarzwald-Baar-Kreis mit dem Sitz des Landratsamtes in Villingen-Schwenningen:

Landkreis Sigmaringen

Der neue Landkreis Sigmaringen mit ehemals badischen, württembergischen und hohenzollerischen Anteilen

Landkreis Sigmaringen mit dem Sitz des Landratsamtes in Sigmaringen:

Tauberkreis

Tauberkreis mit dem Sitz des Landratsamtes in Tauberbischofsheim (am 1. Januar 1974 Umbenennung in Main-Tauber-Kreis):

Landkreis Tübingen

Landkreis Tübingen mit dem Sitz des Landratsamtes in Tübingen

Landkreis Tuttlingen

Landkreis Tuttlingen mit dem Sitz des Landratsamtes in Tuttlingen:

Landkreis Waldshut

Landkreis Waldshut mit dem Sitz des Landratsamtes in Waldshut-Tiengen

Zollernalbkreis

Zollernalbkreis mit dem Sitz des Landratsamtes in Balingen:

Siehe auch

Literatur

  • Wolfgang Sannwald u. a. (Hrsg.): Identität – Funktion – Innovation. 50 Jahre Kreisreform in Baden-Württemberg. Kohlhammer, Stuttgart 2023, ISBN 978-3-17-043156-0.

Einzelnachweise

  1. GesBl 147/1968, betreffend Eingliederung der Gemeinden Achberg, Burgau, Gaisweiler, alle Landkreis Sigmaringen, Adelsreute, Wangen, beide Landkreis Überlingen, und Wilflingen, Landkreis Hechingen, in andere Landkreise sowie die Aufhebung weiterer Exklaven, die keine selbständigen Gemeinden darstellten. Siehe auch: Territoriale Besonderheiten in Südwestdeutschland nach 1810
  2. GesBl 515/1970, betreffend Eingliederung der Gemeinden Korb, Landkreis Buchen, Nordhalden, Landkreis Konstanz, Reutin, Landkreis Rottweil, Türkheim, Landkreis Ulm, in Gemeinden anderer Landkreise und Vereinigung der Gemeinden Immeneich, Landkreis Waldshut, und Schlageten, Landkreis Säckingen
  3. Dieter Schimanke: Verwaltungsreform Baden-Württemberg. Duncker und Humblot, Berlin 1978, ISBN 3-428-04086-4, S. 34 ff.
  4. Thomas Breining: Gebietsreform vor 40 Jahren: Vom Zankapfel zum Erfolgsmodell. In: Stuttgarter Zeitung. 30. Dezember 2012, abgerufen am 6. März 2021.
  5. Wolfgang Sannwald: 1973 Die große Kreisreform. (pdf) Landkreistag Baden-Württemberg, abgerufen am 6. März 2021.
  6. Erstes Gesetz zur Verwaltungsreform, GesBl 314/1971, Text bei Landesrecht BW
  7. Zwischen dem 1. September 1971 und dem 31. Dezember 1972 wurden in rund 70 Fällen Landkreisgrenzen durch Eingemeindung oder Neubildung von Gemeinden verändert. Sofern dies ohne Auswirkung auf den Zuschnitt der neuen Landkreise blieb, wird es im Folgenden nicht erwähnt.
  8. Im Zuge der Gemeindereform wurden von 1970 bis 1975 insgesamt 41 Gemeinden in Stadtkreise eingemeindet. Sie werden im Folgenden nicht erwähnt.
  9. Am 1. März 1972 wurde Waldhausen nach Geislingen an der Steige eingemeindet und kam deshalb nicht zum Alb-Donau-Kreis.
  10. a b Am 1. November 1972 wurde Moosbeuren nach Oberstadion eingemeindet (GABl 1312/1972) und kam deshalb nicht zum Landkreis Biberach.
  11. a b Am 1. Januar 1975 vereinigten sich Leinfelden und Musberg, beide Landkreis Böblingen, mit Echterdingen und Stetten auf den Fildern, beide Landkreis Esslingen, zur neuen Gemeinde (Stadt) Leinfelden-Echterdingen im Landkreis Esslingen (Besonderes Gemeindereformgesetz § 74, GesBl 248/1974).
  12. a b Am 1. September 1971 wurde Dachtel in den Landkreis Böblingen umgegliedert.
  13. a b Am 1. Januar 1974 wurde Kiechlinsbergen nach Endingen eingemeindet (GABl 82/1974) und kam dadurch zum Kreis Emmendingen.
  14. a b Am 1. April 1974 wurde Leiselheim nach Sasbach eingemeindet (GABl 485/1974) und kam dadurch zum Kreis Emmendingen.
  15. a b Am 1. September 1973 wurde Schönenbach, Landkreis Waldshut, nach Schluchsee, Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, eingemeindet (GABl 865/1973).
  16. a b Am 1. Januar 1973 wurde Hochdorf, bisher Landkreis Horb, nach Nagold eingemeindet (GABl 1144/1972) und kam deshalb nicht zum Landkreis Freudenstadt.
  17. a b Am 1. Oktober 1974 wurde Garrweiler, Landkreis Freudenstadt, nach Altensteig, Landkreis Calw, eingemeindet (GABl 801/1974).
  18. a b Am 1. September 1971 wurde Ittersbach in den Landkreis Karlsruhe umgegliedert.
  19. a b Am 1. März 1972 wurde Roßwag nach Vaihingen an der Enz eingemeindet (GABl 376/1972) und kam deshalb nicht zum Enzkreis.
  20. a b Am 1. April 1974 wurde Busenweiler, Landkreis Freudenstadt, nach Dornhan, Landkreis Rottweil, eingemeindet (GABl 236/1974).
  21. a b Am 1. Dezember 1972 wurden Baisingen und Ergenzingen (mit dem zuvor eingemeindeten Eckenweiler), bisher Landkreis Horb, nach Rottenburg am Neckar eingemeindet (GABl 1420/1972) und kamen deshalb nicht zum Landkreis Freudenstadt.
  22. a b Am 1. Januar 1972 wurde Gronau in den Landkreis Ludwigsburg umgegliedert.
  23. a b Am 1. März 1972 wurde Ruchsen nach Möckmühl eingemeindet und kam deshalb nicht zum Odenwaldkreis (jetzt Neckar-Odenwald-Kreis).
  24. a b Am 1. September 1971 wurde Unterkessach nach Widdern eingemeindet und kam deshalb nicht zum Odenwaldkreis (jetzt Neckar-Odenwald-Kreis).
  25. a b c Am 1. Januar 1972 wurden Eschental und Goggenbach in den Landkreis Öhringen umgegliedert.
  26. a b Am 1. April 1972 wurde Waldprechtsweier in den Landkreis Karlsruhe umgegliedert.
  27. a b Am 1. Juli 1972 wurde Rielingshausen in den Landkreis Ludwigsburg umgegliedert.
  28. a b Am 1. Januar 1972 wurde Scherzheim nach Lichtenau eingemeindet.
  29. a b c d Am 1. Januar 1972 wurden Alfdorf, Pfahlbronn und Vordersteinenberg zu Alfdorf zusammengeschlossen.
  30. Am 1. April 1972 wurde Maitis nach Göppingen eingemeindet.
  31. a b c d Am 1. August 1971 wurde Frickenhofen nach Gschwend eingemeindet. Am 1. Januar 1972 kam Altersberg hinzu.
  32. a b Am 1. Januar 1975 vereinigte sich (die am 1. November 1973 aus Rechenberg und Stimpfach neu gebildete Gemeinde) Stimpfach, Ostalbkreis, mit Weipertshofen, Landkreis Schwäbisch Hall, zur neuen Gemeinde Stimpfach im Landkreis Schwäbisch Hall (Besonderes Gemeindereformgesetz § 42 (2), GesBl 248/1974).
  33. a b Am 1. Juli 1974 wurde Hörschwag nach Burladingen, Zollernalbkreis, eingemeindet (GABl 662/1974).
  34. Am 1. Februar 1972 wurde Mörsingen nach Zwiefalten eingemeindet und kam dadurch zum Landkreis Münsingen.
  35. a b Am 1. Februar 1973 vereinigte sich Schömberg, Zollernalbkreis, mit Schörzingen, Landkreis Rottweil, zur neuen Stadt Schömberg (GABl 259/1973).
  36. a b Am 1. Januar 1974 vereinigte sich Deißlingen mit Lauffen ob Rottweil zur neuen Gemeinde Deißlingen (GABl 80/1974) und kam dadurch vom Schwarzwald-Baar-Kreis zum Landkreis Rottweil.

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