Kreis Neumarkt
Der Kreis Neumarkt war ein preußischer Landkreis in Schlesien, der von 1816 bis 1945 bestand. Der heutige Powiat Średzki in der polnischen Woiwodschaft Niederschlesien entspricht in seiner Ausdehnung weitestgehend dem ehemaligen Kreisgebiet. Im Kreis lag auch die Gemeinde Leuthen, die am 5. Dezember 1757 Schauplatz der Schlacht von Leuthen war.
Verwaltungsgeschichte
Königreich Preußen/Deutscher Bund
Nach der Eroberung des größten Teils von Schlesien durch Preußen im Jahre 1741 wurden durch die königliche Kabinettsorder vom 25. November 1741 in Niederschlesien die preußischen Verwaltungsstrukturen eingeführt.[1] Dazu gehörte die Einrichtung zweier Kriegs- und Domänenkammern in Breslau und Glogau sowie deren Gliederung in Kreise und die Einsetzung von Landräten zum 1. Januar 1742.[2]
Im Fürstentum Breslau, einem der schlesischen Teilfürstentümer, wurden aus den alten schlesischen Weichbildern Breslau, Canth, Neumarkt und Namslau die preußischen Kreise Breslau, Namslau und Neumarkt-Canth gebildet. Als erster Landrat des Kreises Neumarkt-Canth wurde Karl Friedrich von Poser eingesetzt.[3][4] Der Kreis Neumarkt-Canth unterstand zunächst der Kriegs- und Domänenkammer Breslau. Auf den Namensteil „Canth“ wurde zum Ende des 18. Jahrhunderts verzichtet. Der Kreis Neumarkt wurde im Zuge der Stein-Hardenbergischen Reformen 1815 dem Regierungsbezirk Breslau der Provinz Schlesien zugeordnet.[5]
Bei der Kreisreform vom 1. Januar 1818 im Regierungsbezirk Breslau wurden folgende Umgliederungen vorgenommen:
- Die Dörfer Blumerode, Borne, Maltsch, Maserwitz, Raussen, Rachen und Wültschkau wechselten aus dem Kreis Liegnitz in den Kreis Neumarkt.
- Die Dörfer Bockau, Ebersdorf und Pitschen wechselten aus dem Kreis Neumarkt in den Kreis Striegau.
- Die Dörfer Buchwald, Diezdorf, Michelsdorf, Nieder und Ober Dambritsch, Nieder und Ober Moys und Obsendorf wechselten aus dem Kreis Striegau in den Kreis Neumarkt.[6][7]
Norddeutscher Bund/Deutsches Reich
Seit dem 1. Juli 1867 gehörte der Kreis zum Norddeutschen Bund und ab dem 1. Januar 1871 zum Deutschen Reich. Zum 8. November 1919 wurde die Provinz Schlesien aufgelöst und aus den Regierungsbezirken Breslau und Liegnitz die neue Provinz Niederschlesien gebildet.
Am 1. April 1928 wurden die Landgemeinden Deutsch Lissa und Rathen mitsamt den gleichnamigen und die Gutsbezirke Deutsch Lissa (teilweise) und Rathen aus dem Kreis Neumarkt in den Stadtkreis Breslau eingegliedert. Zum 30. September 1929 wurden im Rahmen einer Gebietsreform im Freistaat Preußen alle Gutsbezirke aufgelöst und benachbarten Landgemeinden zugeteilt.
Zum 1. Oktober 1932 erfolgten die folgenden Umgliederungen:
- Die Landgemeinden Beckern, Bertholdsdorf, Bockau, Damsdorf, Diesdorf, Dromsdorf-Lohnig, Ebersdorf, Eisendorf, Förstchen, Gäbersdorf, Guckelhausen, Hulm, Körnitz, Kuhnern, Lederose, Lüssen, Metschkau, Neuhof, Ossig, Panzkau, Pfaffendorf, Pitschen, Pläswitz, Sasterhausen, Simsdorf, Tschinschwitz und Zuckelnick wechselten aus dem aufgelösten Kreis Striegau in den Kreis Neumarkt.
- Die Landgemeinde Borganie wechselte aus dem Kreis Neumarkt in den Kreis Schweidnitz.
- Die Stadt Kanth sowie die Landgemeinden Beilau, Fürstenau, Jürtsch, Kammendorf b. Kanth, Koslau, Landau, Lorzendorf, Mettkau, Neudorf, Nieder Struse, Ober Struse, Ocklitz, Polsnitz, Rommenau, Sachwitz, Schimmelwitz, Stöschwitz und Zaugwitz wechselten aus dem Kreis Neumarkt in den Landkreis Breslau.[8][9]
Am 1. April 1938 wurden die preußischen Provinzen Niederschlesien und Oberschlesien zur neuen Provinz Schlesien zusammengeschlossen. Zum 18. Januar 1941 wurde die Provinz Schlesien erneut aufgelöst und aus den Regierungsbezirken Breslau und Liegnitz die neue Provinz Niederschlesien gebildet.
Im Frühjahr 1945 wurde das Kreisgebiet von der Roten Armee besetzt. Im Sommer 1945 wurde das Kreisgebiet von der sowjetischen Besatzungsmacht gemäß dem Potsdamer Abkommen unter polnische Verwaltung gestellt. Im Kreisgebiet begann darauf der Zuzug polnischer Zivilisten, die zum Teil aus den an die Sowjetunion gefallenen Gebieten östlich der Curzon-Linie kamen. In der Folgezeit wurde die deutsche Bevölkerung größtenteils aus dem Kreisgebiet vertrieben.
Einwohnerentwicklung
Jahr | Einwohner | Quelle |
---|---|---|
1795 | 30.069 | [10] |
1819 | 37.806 | [11] |
1846 | 52.579 | [12] |
1871 | 56.446 | [13] |
1885 | 57.678 | [14] |
1900 | 55.362 | [15] |
1910 | 57.155 | [15] |
1925 | 59.277 | [16] |
1939 | 56.542 | [16] |
Landräte
- 1742–1759[4] Karl Friedrich von Poser-Groß Naedlitz
- 1759–1780[4] Hanns Rudolph von Seydlitz-Kuhna
- 1780–1796[4] Friedrich Wilhelm von Seidlitz-Kurtzbach
- 1796–1838[4] Nicolaus Otto Ferdinand von Debschütz
- 1839–1848Gustav von Schaubert (1801–1876)
- 1848–1853Alwin Aschenborn (1816–1865)
- 1853–1885Magnus von Knebel-Doeberitz (1815–1884)
- 1885–1917Leopold von Tettenborn (1853–1917)
- 1917–1920Richard zu Limburg-Stirum (1874–1931)
- 1920 August Winter (kommissarisch)
- 1921–1933 Walter Hüttenhein
- 1933–1935 Willy Otto
- 1935–1942Georg von Schellwitz (1897–1974)
- 1942–1943 Günther Bier
- 1943–1944Karl Williger
- 1944–1945Konrad Büchs
Kommunalverfassung
Der Kreis Neumarkt gliederte sich seit dem 19. Jahrhundert in die Städte Kanth (bis 1932) und Neumarkt, in Landgemeinden und in Gutsbezirke. Mit Einführung des preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes vom 15. Dezember 1933 gab es ab dem 1. Januar 1934 eine einheitliche Kommunalverfassung für alle preußischen Gemeinden. Mit Einführung der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 trat zum 1. April 1935 im Deutschen Reich eine einheitliche Kommunalverfassung in Kraft, wonach die bisherigen Landgemeinden nun als Gemeinden bezeichnet wurden. Eine neue Kreisverfassung wurde nicht mehr geschaffen; es galt weiterhin die Kreisordnung für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 19. März 1881.
Gemeinden
Der Kreis Neumarkt umfasste zuletzt eine Stadt und 114 Landgemeinden:[6][16]
|
|
|
|
- Eingemeindungen bis 1938
|
|
Ortsnamen
In der Zwischenkriegszeit wurden mehrere Gemeinden umbenannt:
- Belkau → Weißenfeld (1937)
- Groß Saabor → Hirschwerder (1936)
- Illnisch-Romolkwitz → Ramfeld (1936)
- Pirschen-Stusa → Pirschen (1936)
- Polnisch Baudis → Baudis (1926)
- Polnisch Schweinitz → Schweinitz b. Canth (1924)
- Sablath → Gräbendorf (1936)
- Tschechen → Erlenhain (1936)
Literatur
- Gustav Neumann: Geographie des Preußischen Staats. 2. Auflage, Band 2, Berlin 1874, S. 199–200, Ziffer 13.
- Königliches Statistisches Bureau: Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Schlesien und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. Dezember 1871. Berlin 1874, S. 72–81 (Faksimile in der Google-Buchsuche).
- Michael Rademacher: Deutsche Verwaltungsgeschichte von der Reichseinigung 1871 bis zur Wiedervereinigung 1990. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Roland Gehrke: Landtag und Öffentlichkeit: Provinzialständischer Parlamentarismus in Schlesien 1825-1845. Böhlau Verlag, Köln 2009, ISBN 978-3-412-20413-6, S. 45 (Teildigitalisat).
- ↑ Denkmäler der Preußischen Staatsverwaltung im 18. Jahrhundert. Akten vom 31. Mai 1740 bis Ende 1745. In: Königliche Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Acta Borussica. Band 6,2. Paul Parey, Berlin 1901, Königliche Ordre zur Bestellung von Landräthen in Niederschlesien, S. 259 (Digitalisat).
- ↑ W. F. C. Starke: Beiträge zur Kenntniß der bestehenden Gerichtsverfassung und der neusten Resultate der Justizverwaltung in dem Preussischen Staate. Carl Heymann, Berlin 1839, Kreiseinteilung des preußischen Herzogtums Schlesien im 18. Jahrhundert, S. 290 (Digitalisat).
- ↑ a b c d e Rolf Straubel: Biographisches Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740–1806/15. In: Historische Kommission zu Berlin (Hrsg.): Einzelveröffentlichungen. 85. K. G. Saur Verlag, München 2009, ISBN 978-3-598-23229-9.
- ↑ Verordnung zur Eintheilung des preußischen Staats nach seiner neuen Begrenzung. 1815 (Digitalisat).
- ↑ a b Territoriale Veränderungen in Deutschland
- ↑ Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Breslau 1817, Nr. XLV. Neue Eintheilung und Abgränzung der Kreise im Breslauer Regierungs-Departement vom 31. Oktober 1817. Breslau, S. 476 ff. (Digitalisat).
- ↑ Verordnung über die Neugliederung von Landkreisen vom 1. August 1932. In: Preußisches Staatsministerium (Hrsg.): Preußische Gesetzessammlung. Berlin 1932, Kreisreform 1932, S. 256 (Digitalisat).
- ↑ Walther Hubatsch (Hrsg.): Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815–1945. Reihe A: Preußen. Band 4: Dieter Stüttgen: Schlesien. Johann-Gottfried-Harder-Institut, Marburg/Lahn 1976, ISBN 3-87969-116-9.
- ↑ Georg Hassel: Statistischer Umriss der sämtlichen europäischen Staaten. Die statistische Ansicht und Specialstatistik von Mitteleuropa. Vieweg, Braunschweig 1805, S. 35 (Digitalisat).
- ↑ Statistisches Bureau zu Berlin (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des preußischen Staats. Duncker & Humblot, Berlin 1821, Schlesien, S. 87 (Digitalisat).
- ↑ Königliches Statistisches Bureau (Hrsg.): Mittheilungen des Statistischen Bureau's in Berlin, Band 2. Einwohnerzahlen der Kreise. (Digitalisat).
- ↑ Die Gemeinden und Gutsbezirke des Preussischen Staates und ihre Bevölkerung 1871
- ↑ Gemeindelexikon für die Provinz Schlesien 1885
- ↑ a b www.gemeindeverzeichnis.de
- ↑ a b c Michael Rademacher: Neumarkt. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
Auf dieser Seite verwendete Medien
Wappen Schlesiens