Kraftwerk Vogelsang

Kraftwerk Vogelsang
Kraftwerksruine im Jahr 2008
Kraftwerksruine im Jahr 2008
Kraftwerksruine im Jahr 2008
Lage
Kraftwerk Vogelsang (Brandenburg)
Kraftwerk Vogelsang (Brandenburg)
Koordinaten52° 10′ 4″ N, 14° 42′ 3″ O
LandDeutschland
GewässerOder
Daten
TypWärmekraftwerk
PrimärenergieBraunkohle
BrennstoffBraunkohle
Leistung150 MW
BetreiberMärkische Elektrizitätswerke
Projektbeginn1. April 1943
BetriebsaufnahmeNie in Betrieb gegangen
Stilllegung31. Januar 1945
Kessel2 × 145 Tonnen Dampf/h
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme0 GWh
f2

Das Kraftwerk Vogelsang ist ein gegen Ende des Zweiten Weltkriegs errichtetes Einheitskraftwerk. Es ist nie regulär in Betrieb gegangen und wurde nach dem Krieg als Reparationsleistung demontiert. Gegenwärtig ist noch die Gebäudehülle mit den beiden je 100 m hohen Schornsteinen erhalten.

Das Kraftwerk ist das einzige Denkmal für den industriellen Aufschwung in Fürstenberg (Oder). Fast alle anderen Zeugnisse sind verschwunden. Vom Industriegebiet der Degussa haben nur einige Wohngebäude überdauert.

Geschichte

Luftbild des Kraftwerks Vogelsang (Wernerwerk) im Jahr 2017

Ab dem Jahr 1937 gab es Planungen, in der Kleinstadt Fürstenberg (Oder) kriegswichtige Industrie anzusiedeln. Die Planung einer IG-Farben Fabrik zerschlug sich, aber ab 1940 wurde mit dem Bau einer Chemiefabrik der Degussa begonnen. Weitere Ansiedlungen folgten, Rüstungsfabriken von Rheinmetall-Borsig und Focke-Wulf gesellten sich zu den bereits vorhandenen Glasfabriken.[1]

Die Lage war für ein Kraftwerk günstig. In der Umgebung befanden sich mehrere Braunkohleschächte, und aus der Oder konnte Kühlwasser entnommen werden. Obwohl sich in der Nähe mit dem Kraftwerk Finkenheerd ein weiteres leistungsstarkes Kraftwerk befand, reichte die zur Verfügung stehende elektrische Energie für eine weitere industrielle Entwicklung nicht aus. Deshalb wurde vom Rüstungsministerium beschlossen, im Rahmen des Wärmekraft-Sofortprogramms bei Fürstenberg (Oder) ein Einheitskraftwerk zu errichten.

Bau

Am 1. April 1943 begann der Kraftwerksbau durch die Märkische Elektrizitätswerke. Für den Bau wurden jüdische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene aus dem Mannschaftsstammlager Stalag III B eingesetzt. Es wurde ein „Halbwerk“ mit zwei Maschinengruppen je 75 MW gebaut. Der Name „Kraftwerk Vogelsang“ wurde ab 1944 verwendet. Das Kraftwerk ist mit vier anderen neu zu errichtenden Kraftwerken identisch. Die Ausrüstung wurde entsprechend dem damaligen Stand der Technik ausgelegt. Um Material zu sparen, wurde das Kraftwerk in Schwer- und Leichtbauten getrennt. Das ist noch an der vorhandenen Kraftwerksruine zu erkennen. Die beiden Schwerbauten aus Stahlbeton sind noch vorhanden, das Kesselhaus dazwischen wurde einschließlich dessen Stahlbau demontiert.[2]

Kurz vor dem Baustopp wurde an einer Maschine der Probelauf durchgeführt.

Kriegsende

Am 31. Januar 1945 wurde der Bau gestoppt. Am 6. Februar überquerte die Rote Armee die zugefrorene Oder und errichtete um das Kraftwerk herum einen Brückenkopf. Um diesen wurde bis Ende April 1945 gekämpft, dabei gab es sehr viele Gefallenen auf beiden Seiten. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Rote Armee bereits Berlin erreicht.

Auf dem Friedhof in Vogelsang liegen über 400 Rotarmisten begraben. Die deutsche Seite hatte alle verfügbaren Soldaten herangezogen. Unter anderem hatte die SS 135 Jugendliche rekrutiert, den zweiten Angriff überlebten lediglich 27 auf deutscher Seite. Das Dorf Vogelsang wurde durch die Kämpfe fast vollständig zerstört.[3]

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Das Kraftwerk ging auch nach dem Krieg nie in Betrieb. Es wurde als Reparationsleistung demontiert und per Schiff über die Oder stromabwärts abtransportiert[4]. Ob und wo die Einrichtungen wieder installiert worden sind ist nicht bekannt.

Die meisten anderen Rüstungsfabriken wurden ebenfalls demontiert. Es siedelten sich viele Flüchtlinge aus der Neumark und anderen heute polnischen Gebieten an. Mit dem Bau eines Stahlwerks im Jahr 1951 wurde die industrielle Entwicklung fortgesetzt.

Das Kraftwerksgelände wurde als Übungsgebiet der Zivilverteidigung und der Kampfgruppen verwendet.

Gegenwärtiger Zustand

Im Jahr 1998 wurden mit 2,5 Mio. DM Fördermitteln der Abriss begonnen. Von Naturschützern wurde jedoch der Abriss mit juristischen Mitteln gestoppt, da sich das Kraftwerksareal mittlerweile als Lebensraum für bedrohte Vogelarten und Fledermäuse entwickelt hat.[5]

Das Kraftwerksgelände wurde im Jahr 2010 an einen niederländischen Immobilienverwerter für 8500 € versteigert. Es ist nur notdürftig abgesperrt und dient häufig Jugendlichen als Objekt für „Mutproben“.[5]

Drieschner und Schulz schlagen in ihrem Aufsatz vor, das Kraftwerk als Denkmal zu erhalten: "Das Bauwerk dokumentiert den auf Kosten vieler Menschenleben vorgenommenen Ausbau der deutschen Wirtschaft im Totalen Krieg.", insbesondere da alle anderen Zeugnisse, einschließlich des Kriegsgefangenenlagers, nicht erhalten sind. Bisher gibt es aber keine finanzierbaren Konzepte, die den Funktionen als Denkmal und Biotop gerecht werden.[1]

Der Oder-Neiße-Radweg führt direkt am Kraftwerk vorbei.

Einzelnachweise

  1. a b Axel Drieschner, Barbara Schulz: Denkmal oder Altlast? Eine Kraftwerksruine in Eisenhüttenstadt erzählt von Rüstungswirtschaft, Zwangsarbeit und Krieg. 25. März 2002, doi:10.18452/6972 (hu-berlin.de [abgerufen am 2. August 2020]).
  2. Karl Schröder: Kraftwerk Wilhelm. In: Kraftwerksatlas mit Kennwerten von 200 Kraftwerken 98 Kraftwerksbeschreibungen und 6 Ausführungsbeispielen (= Große Dampfkraftwerke). Springer, Berlin, Heidelberg 1959, ISBN 978-3-642-52090-7, S. 444–449, doi:10.1007/978-3-642-52090-7_66.
  3. Ruine "Kraftwerk Vogelsang". In: Vogelsang an der Oder. 2013, abgerufen am 4. August 2020.
  4. KraftwerkVogelsang - Kriegshinterlassenschaft mit Zukunft. In: Oder-Spree-Fernsehen. 9. November 2021, abgerufen am 14. November 2021 (deutsch).
  5. a b Janet Neiser: Lebensgefährliche Aktion: Kletter-Duo bezwingt Kraftwerk-Ruine bei Fürstenberg. In: Märkische Oderzeitung. 5. Juni 2020, abgerufen am 2. August 2020.

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