Kraftwerk Neurath

Kraftwerk Neurath
Gesamtansicht Kraftwerk Neurath, Block F–G (links) und Block A–E (rechts), Ansicht von hinten aus Richtung Nordwest (2013)
Gesamtansicht Kraftwerk Neurath, Block F–G (links) und Block A–E (rechts), Ansicht von hinten aus Richtung Nordwest (2013)
Gesamtansicht Kraftwerk Neurath, Block F–G (links) und Block A–E (rechts), Ansicht von hinten aus Richtung Nordwest (2013)
Lage
Kraftwerk Neurath (Nordrhein-Westfalen)
Kraftwerk Neurath (Nordrhein-Westfalen)
Koordinaten51° 2′ 22″ N, 6° 36′ 54″ O
LandDeutschland Deutschland
Gewässerkeines (Kühlung über Kühlturm, der aus Tagebau-Grundwasser gespeist wird)
Daten
TypKohlekraftwerk
PrimärenergieFossile Energie
BrennstoffBraunkohle
(Rheinisches Braunkohlerevier)
Leistung4.211 Megawatt (netto)
EigentümerRWE
BetreiberRWE Power
Betriebsaufnahme1972, 2012 (BoA)
Turbine3 × 300 MW
2 × 600 MW
2 × 1.100 MW
Schornsteinhöhe196 m
Eingespeiste Energie pro Jahr31.300 GWh
WebsiteRWE
Stand 2014
Kraftwerk Neurath im Rheinischen Braunkohlerevier
(c) Thomas Römer/OpenStreetMap data, CC BY-SA 2.0
Kraftwerk Neurath im Rheinischen Braunkohlerevier

Kraftwerk Neurath im Rheinischen Braunkohlerevier

Bestandskraftwerk (ohne BoA-Neubau); Blöcke A (rechts) bis E (links)
Bestandskraftwerk (ohne BoA-Neubau); Blöcke A (rechts) bis E (links)

Bestandskraftwerk (ohne BoA-Neubau); Blöcke A (rechts) bis E (links)

Baustelle im August 2008
Baustelle im August 2008

Baustelle im August 2008

KW Neurath, Block F und G (BoA 2/3) aus südlicher Richtung
KW Neurath, Block F und G (BoA 2/3) aus südlicher Richtung

KW Neurath, Block F und G (BoA 2/3) aus südlicher Richtung

KW Neurath, BoA 2/3 aus nördlicher Richtung
KW Neurath, BoA 2/3 aus nördlicher Richtung

KW Neurath, BoA 2/3 aus nördlicher Richtung

f2

Das Kraftwerk Neurath liegt im Süden von Grevenbroich und grenzt an das Gebiet der Gemeinde Rommerskirchen und der Stadt Bedburg an. Der Betreiber ist RWE in Grevenbroich-Neurath (Rhein-Kreis Neuss). Es ist, gemessen an der installierten elektrischen Bruttoleistung von 4.400 Megawatt, das größte Kraftwerk in Deutschland und das zweitgrößte Braunkohlekraftwerk Europas nach dem Kraftwerk Bełchatów in Polen.

Das Kraftwerk dient der Erzeugung von Grundlaststrom und besitzt eine elektrische Nettoleistung von über 4.211 Megawatt. Die Kohle wird über Gleisanschluss an die Nord-Süd-Bahn aus den Tagebauen des Rheinischen Braunkohlereviers, insbesondere dem Tagebau Garzweiler bezogen. Mit einem CO2-Ausstoß von 22,1 Mio. Tonnen verursachte das Kraftwerk im Jahr 2021 die zweithöchsten Treibhausgasemissionen aller europäischen Kraftwerke.[1]

Kraftwerksblöcke

Das Kraftwerk besteht aus sieben Blöcken (3 × 300 MW, 2 × 600 MW und 2 × 1100 MW nominal), die zwischen 1972 und 1976 sowie 2012 errichtet wurden, und besitzt eine Bruttoleistung von ca. 4400 MW.

BlockABCDEF – BoA 2G – BoA 3
Nettoleistung[2]294 MWel294 MWel292 MWel607 MWel604 MWel1.060 MWel1.060 MWel
Inbetriebnahme19721973197519762012
Sicherheitsbereitschaft / Versorgungsreserve1. Oktober 2019[3][4]--
Stilllegung1. April 202231. Dezember 202130. Juni 202331.03.2024 (opt. 31.03.2025)31. März 2030 (geplant)
Wirkungsgrad (elektrisch)34 %36,6 %43,2 %
spez. Kohleverbrauch1,2 kg/kWh1,1 kg/kWh0,9 kg/kWh
Kamin (Höhe)3 × 160 m, 1 × 194 m2 × 170 m, 1 × 196 m-
Kühlturm (Höhe)3 × 103 m2 × 128 m2 × 172 m

Erläuterungen: BoA: Braunkohlekraftwerk mit optimierter Anlagentechnik

Blöcke A bis E

In den 1980er-Jahren wurde für die Blöcke A bis E eine Rauchgasreinigungsanlage nachgerüstet. Die Abgase werden seitdem über die Kühltürme abgeleitet.

Die Anlage verfügt auch über zwei sogenannte Bypasskamine, von denen einer den Blöcken A–C und der andere den Blöcken D bis E zugeordnet ist. Ersterer ist 194 Meter[5], letzterer 196 Meter[6] hoch. Die Bypasskamine ermöglichen den Betrieb der Anlage im Fall einer defekten Rauchgasreinigungsanlage, was aber selten vorkommt und weshalb die meisten Kraftwerke auf Bypasskamine verzichten (Quelle: Pressestelle RWE).

Alle Blöcke speisen in das Übertragungsnetz des Netzbetreibers Amprion ein: Der Block A ist über die Umspannanlage Osterath auf der 220-kV-Ebene, die Blöcke B bis D über die Schaltanlage Opladen auf der 380-kV-Ebene und der Block E über die Schaltanlage Rommerskirchen, ebenfalls auf der 380-kV-Ebene, an das Höchstspannungsnetz angeschlossen.[2]

Der Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland verlangte die Abschaltung der Kraftwerksblöcke A, B und C. Block C befindet sich seit dem 1. Oktober 2019 für vier Jahre nur noch für Versorgungsengpässe in der Sicherheitsbereitschaft. Danach sollte er endgültig stillgelegt werden. Die Energiekrise seit 2021 machte die Aktivierung der Braunkohlereserve zum 1. Oktober 2022 erforderlich. Block C kann befristet bis zum 30. Juni 2023 wieder am Strommarkt teilnehmen.[7]

Block A ist am 1. April 2022 und Block B am 31. Dezember 2021 endgültig stillgelegt worden.

Blöcke F und G („BoA 2 und 3“)

Geschichte

Im September 2005 beschloss RWE, am Kraftwerk zwei neue Blöcke (F und G) vom Typ „Braunkohlekraftwerk mit optimierter Anlagentechnik (BoA)“ zu bauen. Als Weiterentwicklung des BoA-Blockes im Kraftwerk Niederaußem (BoA 1) tragen die neuen Blöcke auch die Bezeichnung „BoA 2 und 3“. Im Januar 2006 begannen die Bauarbeiten.[8] Die BoA-Blöcke sollen bei einem Wirkungsgrad von 43 Prozent[9] eine Leistung von je 1100 MW haben. RWE gab 2008 an, der Bau, bei dem es sich um eine der größten Baustellen Europas handele, umfasse eine Investitionssumme von 2,2 Milliarden Euro.[10] Im Dezember 2011 räumte RWE ein, dass das Projekt mit 2,6 Mrd. Euro „deutlich teurer“ geworden sei.[11] Die Kesselhäuser von BoA 2 und BoA 3 sind mit einer Höhe von 173 Metern die höchsten Kesselhäuser der Welt.[12] Die Kühltürme sind 172 Meter hoch.[13]

Die ursprünglich geplante Inbetriebnahme Ende 2009 verzögerte sich wegen des unten genannten Unfalls, bei dem ein erheblicher Teil des Neubaus zerstört wurde. Am 29. November 2011 erreichten erstmals beide Blöcke gemeinsam Volllast und produzierten während der Inbetriebsetzungsphase bis dahin mehr als 1,5 Milliarden Kilowattstunden Strom.[14] Beide Blöcke befanden sich seit Mai bzw. Oktober 2011 im Testbetrieb, die endgültige Inbetriebnahme mit der Meldung der Blöcke an die Strombörse EEX erfolgte am 8. Juli 2012[15] (Block G) bzw. am 3. August[16] (Block F).[17][18] Seither speisen beide Blöcke ebenfalls in das Übertragungsnetz von Amprion in die 380-kV-Ebene ein und sind über die Schaltanlage Rommerskirchen angeschlossen.[19]

Am 15. August 2012 erfolgte dann die offizielle Feier zur Inbetriebnahme der neuen Blöcke in Anwesenheit von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Bundesumweltminister Peter Altmaier und weiteren Gästen. Fälschlich wurde es in mehreren Medien als weltgrößtes Braunkohlekraftwerk bezeichnet, tatsächlich ist es (hinter dem Kraftwerk Bełchatów, Polen) nur das zweitgrößte in Europa. Richtig ist jedoch, dass die beiden neuen BoA-Blöcke F und G mit jeweils 1.100 MW brutto die zu diesem Zeitpunkt leistungsstärksten Braunkohlekraftwerksblöcke der Welt waren.[20] Die Baukosten wurden mit 2,6 Milliarden Euro angegeben.[21]

RWE nahm Ende 2011 und im Frühjahr 2012 sechs der zwölf alten 150-MW-Blöcke im Kraftwerk Frimmersdorf vom Netz.[22]

Das Kraftwerk Neurath war mehrfach Schauplatz öffentlichkeitswirksamer Protestaktionen von Umweltschützern, u. a. Lichtprojektionen auf die beiden Kühltürme.[23] Die Gleisanlage der Nord-Süd-Bahn, die zur Versorgung des Kraftwerks Neurath genutzt wird, wurde im Juni 2019 für mehr als 40 Stunden von Aktivisten blockiert, um auf den großen CO2-Ausstoß des Kraftwerks aufmerksam zu machen.[24][25] Auch im November 2021 ketteten sich mehrere Aktivisten an Gleisen fest, die Blockade wurde von der Polizei aufgelöst.[26]

Probleme

Am 30. August 2012 fielen am frühen Nachmittag binnen sieben Minuten beide BoA-Blöcke aufgrund eines Fehlers im Leitsystem aus, weshalb eine Leistung von ca. 2.100 MW ersetzt werden musste. Dabei kam es zu Frequenzschwankungen im Stromnetz; durch Einsatz von Regelenergie wurde ein Stromausfall verhindert. Laut Amprion ist das europäische Stromnetz in der Lage, einen unvorhergesehenen Ausfall von bis zu 3.000 MW an Kraftwerksleistung zu tolerieren; daher sei keine kritische Situation entstanden. In den frühen Morgenstunden des Folgetags wurden die beiden Blöcke wieder hochgefahren.[27]

Unfall

Am Abend des 25. Oktober 2007 kam es auf dem Baustellengelände zu einem schweren Unfall. Eine über 100 Tonnen schwere Seitenwandbandage, ein Teilstück des Großgerüstes, riss ab und begrub mehrere Monteure unter sich. Drei Bauarbeiter konnten nur noch tot aus den Trümmern des Baugerüsts geborgen werden, sechs weitere wurden zum Teil schwer verletzt in umliegende Krankenhäuser eingeliefert. Fast 300 Einsatzkräfte von Feuerwehr, Polizei, Sanitätsorganisationen und Technischem Hilfswerk waren im Einsatz. Im Dezember 2008 wurde das eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung von der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach eingestellt. Laut Gutachten[28] waren die Knotenverbindungen der Bandagenunterkonstruktion zu schwach ausgelegt. Da es keinerlei Kenntnisse über die – in dieser Größe erstmals eingesetzten – Bauteile und deren Stabilitätsprobleme gegeben habe, sei der Unfall für die Fachleute nicht vorhersehbar gewesen, so die Staatsanwaltschaft. Vielmehr seien Auslegung und Konstruktion nach den Regeln der Technik erfolgt.[29]

Emissionsgrenzwerte

Im Genehmigungsbescheid vom 20. Juni 2005 legte die Bezirksregierung Düsseldorf Emissionsgrenzwerte für die neuen Blöcke F und G fest, die zur Antragszeit für Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid und Quecksilber unterhalb der geltenden Mindestanforderungen der 13. BImSchV lagen. Obwohl der Tages-Emissionsgrenzwert mit 0,0135 mg/m3N für die neuen Blöcke vergleichsweise niedrig festgesetzt wurde (die Mindestvorgabe der 13. BImSchV sieht 0,03 mg/m3N vor), erfordert dieser Grenzwert noch keine spezielle Quecksilberminderungstechnik. Dies zeigt sich daran, dass die Quecksilberemissionen nach Inbetriebnahme der neuen Blöcke 2012 auf mehr als das Doppelte angestiegen sind[30] (zum Vergleich: in den USA gelten für Braunkohlekraftwerke in Abhängigkeit ihres Wirkungsgrades Grenzwerte von 0,005 bis 0,0054 mg/m3N[31]).

Schadstoffe mit Grenzwerten im Tagesmittel werden durch kontinuierlich arbeitende Messgeräte überwacht, die übrigen Werte durch Einzelmessungen. Zum Vergleich mit den Grenzwerten der neuen Blöcke sind die zur Antragszeit gültigen Grenzwerte der 13. BImSchV (2004) aufgeführt sowie die Grenzwerte der aktuellen 13. BImSchV (2013) und die im Normalbetrieb mit besten verfügbaren Techniken erreichbaren Emissionswerte, wie sie im Merkblatt der Europäischen Kommission für entsprechend große Neuanlagen mit Braunkohle-Staubfeuerung auf der Basis der Datensammlung in den Jahren 2001–2002 festgelegt wurden.[32][33]

Emissionsgrenzwerte der Blöcke F und G im Vergleich mit Grenzwerten der 13.BImSchV (2004)/(2013) und mit BVT-Emissionswerten (2006)[34]
LuftschadstoffBetriebliche
Emissionswerte
mit BVT (2006) im
Tagesmittel*
Grenzwert
Block F und G
(20. Juni 2005)
Tagesmittel
Grenzwert
Block F und G
(20. Juni 2005)
Halbstundenmittel**
Grenzwert
13. BImSchV
(2004)
Tagesmittel
Grenzwert
13. BImSchV
(2004)
Halbstundenmittel
Grenzwert
13. BImSchV
(2013, Neuanlagen)
Tagesmittel
Grenzwert
13. BImSchV
(2013, Neuanlagen)
Halbstundenmittel
Gesamtstaub (Staub)5–20 mg/m3N20 mg/m3N40 mg/m3N20 mg/m3N40 mg/m3N10 mg/m3N20 mg/m3N
Stickstoffoxide
(als NO2)
50–200 mg/m3N200 mg/m3N400 mg/m3N200 mg/m3N400 mg/m3N200 mg/m3N400 mg/m3N
Schwefeldioxide
(als SO2)
20–150 mg/m3N200 mg/m3N400 mg/m3N300 mg/m3N600 mg/m3N150 mg/m3N300 mg/m3N
Kohlenmonoxid (CO)100–200 mg/m3N200 mg/m3N400 mg/m3N250 mg/m3N500 mg/m3N200 mg/m3N400 mg/m3N
Quecksilber und
Verbindungen (als Hg)
BVT-Emissionswert
nicht festgelegt
0,0135 mg/m3N0,027 mg/m3N0,03 mg/m3N0,06 mg/m3N0,03 mg/m3N0,05 mg/m3N
Anorganische
Chlorverbindungen (als HCl)
1–10 mg/m3N-20 mg/m3N----
Anorganische
Fluorverbindungen (als HF)
1–5 mg/m3N-3 mg/m3N----
Ammoniak (NH3)≤ 5 mg/m3N
bei SCR/SNCR
keine SCR/SNCR
eingebaut
keine SCR/SNCR
eingebaut
----
Dioxine und Furane** (PCDD/PCDF)BVT-Emissionswert
nicht festgelegt
-0,1 ng/m3N
(I-TEF 1988)
-0,1 ng/m3N
(I-TEF 1988)
-0,1 ng/m3N
(WHO-TEF 2008)
* Datenbasis des BVT-Merkblattes: 2001–2002, Veröffentlichung: 2006. Aktualisierung des BVT-Merkblattes seit 2011, Veröffentlichung voraussichtlich 2015.[32]
** Grenzwert für Dioxine und Furane bezieht sich auf 6-8-stündige Probenahme

Eine neue Datensammlung zu aktualisierten besten verfügbaren Techniken (BVT) organisiert die Europäische Kommission seit Oktober 2011 und veröffentlicht voraussichtlich im Jahr 2014 neue BVT-Schlussfolgerungen für Großfeuerungsanlagen. Die darin für bestehende Anlagen festgelegten, mit BVT erreichbaren Emissionswerte müssen gemäß der europaweit geltenden Industrieemissionsrichtlinie spätestens vier Jahre nach der Veröffentlichung der BVT-Schlussfolgerungen im Kraftwerk Neurath eingehalten werden.[35]

Emissionen von Schadstoffen und Treibhausgasen

Kraftwerkskritiker bemängeln am Kraftwerk Neurath die hohen Emissionen an Stickstoffoxiden, Schwefeloxiden, Quecksilber und Feinstaub, an dem Krebs erzeugende Substanzen (Blei, Cadmium, Nickel, PAK, Dioxine und Furane) anhaften können.[36] Eine von Greenpeace bei der Universität Stuttgart in Auftrag gegebene Studie kam 2013 zu dem Ergebnis, dass die vom Kohlekraftwerk Neurath (vor Inbetriebnahme der Blöcke F und G) ausgestoßenen Feinstäube und die aus Schwefeldioxid-, Stickoxid- und NMVOC-Emissionen gebildeten sekundären Feinstäube statistisch zu 1.712 verlorenen Lebensjahren führen.[37] Das Kraftwerk rangierte (Stand März 2013) auf der Liste der „gesundheitsschädlichsten Kohlekraftwerke Deutschlands“ auf Platz 7.[38]

Alle Kohlekraftwerke stehen mit Verweis auf die globale Erwärmung in der Kritik bei Umweltverbänden und Naturschützern. Die Stromerzeugung aus Braunkohle gehört trotz optimierter Anlagentechnik (BoA) weiterhin zu den Technologien, die pro erzeugter Kilowattstunde Strom das meiste CO2 emittieren. Der Verbrauch an Braunkohle pro BoA-Block beträgt 820 Tonnen pro Stunde, zusammen also 1640 Tonnen.[17]

Der Wirkungsgrad liegt zwar bei ca. 43 % – Weltrekord für Braunkohleverstromung – womit die beiden Neubaublöcke laut RWE gegenüber alten Kraftwerken auf Braunkohlebasis etwa 1/4 weniger CO2 emittieren, 2016 wurden aber ca. 31 Mio. Tonnen CO2 emittiert. Pro Kilowattstunde Strom werden ca. 950 g Kohlendioxid emittiert – fast doppelt so viel wie beim durchschnittlichen deutschen Strommix (494 g CO2/kWh).[39] Zum Vergleich: Moderne Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke wie der 2011 in Betrieb genommene Block 4 des Kraftwerkes Irsching emittieren bei einem Wirkungsgrad von 60,4 % etwas über 330 g CO2 pro kWh.[40]

Auf der im Jahr 2007 vom WWF herausgegebenen Liste der 30 klimaschädlichsten Kraftwerke in der EU rangierte das Kraftwerk Neurath im Jahr 2006 auf Rang 7 in Europa und auf Rang 5 in Deutschland (1150 g CO2 pro Kilowattstunde), nach den Kraftwerken Niederaußem, Jänschwalde, Frimmersdorf und Weisweiler.[41][42]

Es wurde kritisiert, dass der Anlagenwirkungsgrad nicht durch zusätzliche Maßnahmen wie Kraft-Wärme-Kopplung maximiert wird.[43] Einen Teil der anfallenden Abwärme nutzt seit Sommer 2011 ein Gewächshauspark. Auf 11 Hektar werden z. B. Tomaten angebaut.[44]

Das Kraftwerk Neurath meldete folgende Emissionen im europäischen Schadstoffregister „PRTR“:

Emissionen des Kraftwerks Neurath laut PRTR[45]
Luftschadstoff20072008200920102011201220132014201520162018[46]2020[46]2021[46]
Kohlendioxid (CO2)16.795.900 t17.950.000 t17.869.800 t16.938.900 t19.600.000 t31.200.000 t33.300.000 t32.400.000 t32.100.000 t31.300.000 t32.200.000 t18.700.000 t22.100.000 t
Stickstoffoxide (NOx/NO2)11.507.700 kg12.424.800 kg12.315.300 kg11.717.100 kg11.700.000 kg20.700.000 kg22.800.000 kg22.600.000 kg22.300.000 kg21.700.000 kg
Kohlenmonoxid (CO)4.650.000 kg5.010.000 kg5.360.000 kg5.970.000 kg6.900.000 kg7.720.000 kg7.330.000 kg7.140.000 kg7.280.000 kg7.170.000 kg
Schwefeldioxide (als SOx/SO2)4.765.200 kg2.582.500 kg3.632.300 kg3.188.100 kg2.340.000 kg5.830.000 kg6.260.000 kg5.980.000 kg6.420.000 kg5.570.000 kg
Feinstaub (PM10)251.000 kg214.000 kg281.000 kg251.000 kg283.000 kg423.000 kg401.000 kg454.000 kg529.000 kg483.000 kg
Anorganische Chlorverbindungen (als HCl)86.103 kg122.274 kg107.800 kg102.642 kg104.000 kg189.000 kg250.000 kg91.200 kg80.000 kg60.400 kg
Anorganische Fluorverbindungen (als HF)6.530 kg7.370 kg8.470 kg8.060 kg6.110 kg11.100 kg11.800 kg15.000 kg11.400 kg11.400 kg
Benzolkeine Angabenkeine Angabenkeine Angabenkeine Angabenkeine Angaben1.110 kg1.180 kg1.150 kg1.140 kg1.110 kg
Quecksilber und Verbindungen (als Hg)297 kg212 kg212 kg181 kg220 kg497 kg667 kg672 kg708 kg576 kg
Zink und Verbindungen (als Zn)keine Angabenkeine Angabenkeine Angabenkeine Angabenkeine Angaben311 kg331 kg323 kg914 kg1.170 kg
Nickel und Verbindungen (als Ni)keine Angabenkeine Angabenkeine Angabenkeine Angabenkeine Angaben69,9 kgkeine Angabenkeine Angabenkeine Angabenkeine Angaben
Arsen und Verbindungen (als As)29,7 kg66,1 kg42,2 kg42,2 kg42,8 kg55,5 kg35,4 kg34,6 kgkeine Angabenkeine Angaben

Weitere typische Schadstoffemissionen wurden nicht berichtet, da sie im PRTR erst ab einer jährlichen Mindestmenge meldepflichtig sind, z. B. Dioxine und Furane ab 0,0001 kg, Cadmium ab 10 kg, Nickel ab 50 kg, Chrom sowie Kupfer ab 100 kg, Blei sowie Zink ab 200 kg, Ammoniak sowie Lachgas (N2O) ab 10.000 kg, flüchtige organische Verbindungen außer Methan (NMVOC) ab 100.000 kg.[47]

Die Europäische Umweltagentur hat die jährlichen Kosten der Umwelt- und Gesundheitsschäden der 28.000 größten Industrieanlagen in der Europa anhand der im PRTR gemeldeten Emissionsdaten mit den wissenschaftlichen Methoden der Europäischen Kommission abgeschätzt.[48] Danach verursacht das Kraftwerk Neurath die achthöchsten Schadenskosten aller europäischen Industrieanlagen.[49]

Umwelt- und Gesundheitsschäden im Jahr 2009[49]
VerursacherSchadenskostenEinheitAnteil
Kraftwerk Neurath0,781 – 1,095Milliarden Euro0,6 – 0,8 %
Summe 28.000 Anlagen102 – 169Milliarden Euro100 %
vergrößern und Informationen zum Bild anzeigen
Kraftwerke Niederaußem, Neurath und Frimmersdorf und die Vollrather Höhe
Kraftwerke Niederaußem und Neurath von B 477-180208
Kraftwerke Niederaußem und Neurath von B 477-180208


Siehe auch

Weblinks

Commons: Kraftwerk Neurath – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Harriet Fox: Top 10 EU emitters all coal power plants in 2021. In: ember-climate.org. 7. April 2022, abgerufen am 8. April 2022 (englisch).
  2. a b Kraftwerksliste. Bundesnetzagentur, 31. Mai 2022, abgerufen am 1. Oktober 2022.
  3. Einigung zu Ausstieg aus der Braunkohle. Auf: www1.wdr.de, 25. Oktober 2015. Abgerufen am 20. August 2019.
  4. Block Caesar geht bald in die Notreserve. In: NGZ-Online, 20. August 2019. Abgerufen am 20. August 2019.
  5. Bypass Chimney for Units D, E for Neurath Power Plant Skyscraperpage.com/cities (Englisch)
  6. Bypass Chimney for Units A, B, C for Neurath Power Plant Skyscraperpage.com/cities (Englisch)
  7. Andreas Wilkens: Energiekrise: Braunkohlekraftwerke können ab 1. Oktober einspringen. In: heise online. 9. September 2022, abgerufen am 2. Oktober 2022.
  8. rwe.com
  9. Christian Wieg: Neue Kraftwerksblöcke in Neurath arbeiten mit optimierter Anlagentechnik.
  10. RWE-Website, zuletzt abgerufen am 6. November 2008
  11. Bild: NRW hat jetzt das größte Kohlekraftwerk der Welt!, 17. Dezember 2011. Abgerufen am 7. Januar 2012.
  12. Archivierte Kopie (Memento desOriginals vom 26. August 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.tuv.com
  13. Archivierte Kopie (Memento desOriginals vom 22. Oktober 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.alpine-bau.de.
  14. http://www.rwe.com/app/Pressecenter/Download.aspx?pmid=4007273&datei=1
  15. Archivierte Kopie (Memento desOriginals vom 25. Februar 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.transparency.eex.com
  16. RWE Power meldet Daten für neuen Kraftwerksblock Neurath F (Memento vom 25. Februar 2013 im Internet Archive). Internetseite der Strombörse EEX. Abgerufen am 3. August 2012.
  17. a b http://www.ngz-online.de/grevenbroich/nachrichten/wie-die-boa-funktioniert-1.581133
  18. Die Wirtschaftskraft der BoA. In: NGZ-Online, 23. Juni 2012. Abgerufen am 24. Juni 2012.
  19. Leitungen der BoA-Blöcke auf OpenStreetMap
  20. RWE nimmt das größte Braunkohlekraftwerk der Welt in Betrieb. Altmaier würdigt Neubau als "herausragenden Beitrag zum Gelingen der Energiewende". In: Welt online. 15. August 2012, abgerufen am 15. August 2012.
  21. www.ngz-online.de
  22. NGZ 10. März 2012: RWE schaltet sechs von zwölf Blöcken ab
  23. Proteste am Braunkohle-Kraftwerk Neurath in Grevenbroich. 9. September 2021, abgerufen am 23. Juli 2022.
  24. ZEIT ONLINE: RWE: Hunderte Aktivisten blockieren Gleise zum Kohlekraftwerk. In: Die Zeit. 22. Juni 2019, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 24. Juni 2019]).
  25. RWE - Klimaschützer beenden Protest im Braunkohlerevier. Abgerufen am 24. Juni 2019 (deutsch).
  26. Polizei beendet Blockade von Kraftwerk Neurath. In: ZEIT online. 6. November 2021, abgerufen am 23. Juli 2022.
  27. Patzer im RWE-Vorzeigekraftwerk (Memento vom 5. September 2012 im Internet Archive). In: Financial Times Deutschland, 3. September 2012. Abgerufen am 3. September 2012.
  28. Prof. Schmidt&Partner: Zusammenfassende Darstellung der Unfallursache gemäß Gutachten
  29. Website der Kölnischen Rundschau: Letzter Aufruf am 12. Dezember 2008@1@2Vorlage:Toter Link/www.rundschau-online.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven.)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  30. PRTR – Europäisches Emissionsregister (Memento desOriginals vom 8. Juli 2020 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.prtr.bund.de
  31. Alfons Kather und Mathias Klostermann: Grenzwerte für Quecksilberemissionen aus Kohlekraftwerken. Hrsg.: VGB PowerTech. Band 12. VGB Powertech, Essen 2015, S. 74–80 (vgb.org [PDF]).
  32. a b Neuentwürfe und BVT-Merkblatt „Large Combustion Plants“ (engl.), Joint Research Centre, Europäische Kommission, Sevilla, 2006
  33. BVT-Merkblatt „Großfeuerungsanlagen“ (Teilübersetzung) (Memento vom 17. Juli 2013 im Internet Archive), Umweltbundesamt, Dessau, 2006
  34. Genehmigungsbescheid, Tabelle 9, Seite 49 (PDF; 583 kB) nach Bundes-Immissionsschutzgesetz, Bezirksregierung Düsseldorf, 20. Juni 2005
  35. Aktuelle Informationen zum Informationsaustausch (Memento desOriginals vom 30. Juli 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/eippcb.jrc.es über Beste verfügbare Techniken (engl.), Joint Research Centre, Europäische Kommission, Sevilla
  36. Feinstaub-Quellen und verursachte Schäden, Umweltbundesamt (Dessau)
  37. Assessment of Health Impacts of Coal Fired Power Stations in Germany – by Applying EcoSenseWeb (Englisch, PDF 1,2 MB) (Memento desOriginals vom 24. September 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.greenpeace.de Philipp Preis, Joachim Roos, Prof. Rainer Friedrich, Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung, Universität Stuttgart, 28. März 2013
  38. Greenpeace: Die zehn gesundheitsschädlichsten Kohlekraftwerke Deutschlands (PDF 129 kB) (Memento vom 23. Dezember 2015 im Internet Archive)
  39. RWE-Braunkohlekraftwerk in Grevenbroich. CO2-Diät oder Klimakiller-Kraftwerk? (Memento vom 17. August 2012 im Internet Archive). In: Tagesschau.de, 15. August 2012. Abgerufen am 19. August 2012.
  40. Gas und Dampfturbinenkraftwerk Irsching bietet bisher unerreichte Effizienz. (Memento vom 13. Juni 2011 im Internet Archive) In: VDI nachrichten. Abgerufen am 19. August 2012.
  41. Infografik des WWF zum CO2-Ausstoß der 30 klimaschädlichsten Kohlekraftwerke Deutschlands (PDF 655 kB) WWF, 2007
  42. Dirty Thirty Ranking of the most polluting power stations in Europe (PDF 1,1 MB, Englisch) WWF, Mai 2007
  43. rp-online.de / Rheinische Post vom 16. August (Seite A3): Umstrittenes Kraftwerk jetzt am Netz
  44. Offizieller Erntestart im Gewächshauspark Grevenbroich-Neurath
  45. PRTR – Europäisches Emissionsregister
  46. a b c PRTR data (as status 30.11.2022). 15. Dezember 2022;.
  47. PRTR-Verordnung 166/2006 über die Schaffung eines Europäischen Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregisters und zur Änderung der Richtlinien 91/689/EWG und 96/61/EG des Rates
  48. Kosten-Nutzen-Analyse zur Luftreinhaltepolitik, Clean Air for Europe (CAFE) Programm, Europäische Kommission
  49. a b Revealing the costs of air pollution from industrial facilities in Europe (Offenlegung der Kosten der Luftverschmutzung aus Industrieanlagen in Europa), Europäische Umweltagentur, Kopenhagen, 2011

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