Kraftwerk Amsteg

Kraftwerk Amsteg
Heute stillgelegte Zentrale Amsteg I im Bau im Jahre 1921. Links das Schalthaus, rechts die Maschinenhalle und die Trasse der Druckleitung. Die neue Zentrale Amsteg II befindet sich hinter der alten im Berginnern
Heute stillgelegte Zentrale Amsteg I im Bau im Jahre 1921. Links das Schalthaus, rechts die Maschinenhalle und die Trasse der Druckleitung. Die neue Zentrale Amsteg II befindet sich hinter der alten im Berginnern
Heute stillgelegte Zentrale Amsteg I im Bau im Jahre 1921. Links das Schalthaus, rechts die Maschinenhalle und die Trasse der Druckleitung. Die neue Zentrale Amsteg II befindet sich hinter der alten im Berginnern
Lage
Kraftwerk Amsteg (Kanton Uri)
Kraftwerk Amsteg (Kanton Uri)
Koordinaten694182 / 180392
LandSchweiz Schweiz
Kanton Uri Uri
OrtSilenen UR
GewässerReuss
Höhe Oberwasser527,5 m ü. M.
Kraftwerk
EigentümerKraftwerk Amsteg AG (KWA), im Besitz von:[1]
BetreiberSBB Energie[2]
Bauzeit1919–1922
1993–1998 (neue Zentrale)
Betriebsbeginn1923
1998 (neue Zentrale)
Stilllegung1990er-Jahre (alte Zentrale)
Denkmalgeschützt seitAlte Zentrale: 1990er-Jahre
Technik
EngpassleistungNeue Zentrale: 120 Megawatt
Durchschnittliche
Fallhöhe
289 m
Ausbaudurchfluss50 m³/s
Regelarbeitsvermögen395 Millionen kWh/Jahr
Turbinen1923: 6 × horizontale
Doppel-Pelton-Turbinen
1998: 3 × vertikale
Pelton-Turbinen
Generatoren1923:
6 × Einphasengeneratoren für die Bahnstromversorgung
1998:
3 × Einphasengenerator für die Bahnstromversorgung
Sonstiges
WebsiteWasserkraftwerk Amsteg
Stand 2018

Das Kraftwerk Amsteg der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) ist ein Hochdruck-Laufwasserkraftwerk[3] an der Reuss im Kanton Uri. Das Kraftwerk bildet zusammen mit den Anlagen in Göschenen und Wassen die Reuss-Kaskade, welche ungefähr 40 % des von der SBB verbrauchten Bahnstroms erzeugt.[4] Das 1923 in Betrieb genommene Kraftwerk Amsteg und das 1920 in Betrieb genommene Speicherkraftwerk Ritom waren die beiden ersten Kraftwerke, die für die Energieversorgung der Gotthardbahn gebaut wurden.

Geschichte

Elektrifizierung der Gotthardbahn

Die Gotthardbahn-Gesellschaft (GB) schloss 1907 und 1909 Konzessionsverträge für die Nutzung des Wassers im Reusstal und in der Leventina ab.[5] Die grossen Probleme bei der Kohlebeschaffung während des Ersten Weltkrieges und die höhere Leistungsfähigkeit von elektrischen Triebfahrzeugen veranlassten die SBB, die rasche Elektrifizierung ihrer wichtigsten Strecken voranzutreiben. Der benötigte Einphasenwechselstrom sollte zu einem grossen Teil durch SBB-eigene Kraftwerke erzeugt werden.

Im Jahr 1916 war festgelegt, dass die Wasserkraft in den beiden Tälern mit fünf Wasserkraftanlagen zu nutzen sei – drei auf der Nordseite und zwei auf der Südseite vom Gotthard. Für den elektrischen Betrieb der Bergstrecke ErstfeldBellinzona der Gotthardbahn genügten vorerst zwei Anlagen: Das Laufwasserkraftwerk Kraftwerk Amsteg mit dem kleinen Stausee am Pfaffensprung, welcher den veränderlichen Wasserverbrauch während eines Tages ausgleichen kann und das Speicherkraftwerk Ritom. Das Kraftwerk Amsteg konnte fast das ganze Jahr über die Strecke alleine mit Energie versorgen. Lediglich in den trockenen Wintermonaten musste mit dem Ritomwerk ergänzt werden, das über den Sommer das Wasser der Schneeschmelze im Ritomsee angesammelt hatte.[5]

Ausbau für Bahn 2000 und Gotthard-Basistunnel

Im Zusammenhang mit dem Projekt Bahn 2000 und dem Gotthard-Basistunnels stieg der Energiebedarf, sodass die alte Zentrale in Amsteg in den Jahren 1993 bis 1998 durch einen Neubau in einer Felskaverne ersetzt wurde.

Für den Bau der neuen Zentrale wurde eigens ein Anschlussgleis vom Bahnhof Erstfeld entlang der Reuss und der heutigen Autobahn nach Amsteg gebaut. Das Gleis diente später auch dem Aushubtransport der NEAT-Zwischenangriffsstelle Amsteg des Gotthard-Basistunnels.

Auch die Wasserfassung beim Pfaffensprung, das Wasserschloss, die Druckstollen und die Ableitung des Wassers in die Reuss wurden neu erstellt. Das Restwasser wird durch die neue Dotierzentrale Pfaffensprung ausgenutzt.[6]

Die Hauptaufgabe des erneuerten Kraftwerks ist die Deckung der durch den Taktfahrplan stündlich auftretenden Lastspitzen. Bei deren Abarbeitung werden grosse Wassermengen benötigt, die nicht direkt in die Reuss eingeleitet werden können, ohne dass deren Wasserspiegel bis zu 70 cm ansteigen würde. Das Wasser wird deshalb in einer Kaverne zurückgehalten und vor Abgabe in die Reuss vom Regulierwerk Amsteg ausgenutzt.[6]

Der kommerzielle Betrieb wurde am 1. Mai 1998 aufgenommen, die offizielle Eröffnung war am 17. September 1998. Die Anlage wird durch die am 15. Juni 1992 gegründete Kraftwerk Amsteg AG (KWA) betrieben.

Technik

Staubecken Pfaffensprung

Das Staubecken im Reusstal hat einen Nutzinhalt von 190 000 m³. Der Abschluss wird von einer 32 m hohen Bogenstaumauer gebildet, die eine Kronenlänge von 64,1 m hat.[7]

Dotierzentrale Pfaffensprung (ab 1998)

Das vom Staubecken in die Reuss geleitete Restwasser wird von der Dotierzentrale Pfaffensprung verarbeitet. Die installierte Turbine erzeugt 50 Hz Strom für das Landesnetz und hat eine Leistung von 720 kW.[3]

Druckstollen und Wasserfassungen

Das Wasser für die Zentrale Amsteg wird dem Staubecken Pfaffensprung entnommen und durch zwei 7,5 km lange Druckstollen[8] entlang der rechten Talflanke zum Wasserschloss oberhalb von Bristen geleitet. Zusätzliche Wasserfassungen befinden sich an Fellibach, Chärstelenbach und Etzlibach. Vom Wasserschloss fällt das Wasser 280 m in die Tiefe und treibt die Pelton-Turbinen der Zentrale in Amsteg an.

Zentrale Amsteg I (bis 1993)

In der alten Zentrale standen 6 Pelton-Turbinen, die drei Einphasen-16 2/3 Hz-Generatoren antrieben. Sie hatte eine Spitzenleistung von 52 MW.[9] Das Kraftwerksgebäude direkt unterhalb der Gotthardlinie steht heute zu grossen Teilen leer, da die Anlage durch das Kraftwerk Amsteg II ersetzt wurde. Die Turbinenhalle, die alte Druckleitung und die Standseilbahn stehen unter Denkmalschutz. Die Turbinen sind in der Halle noch vorhanden, sollen aber eventuell für eine Zwischennutzung des Gebäudes teilweise entfernt werden. Die SBB plant langfristig das Gebäude für eine Frequenzumformer-Anlage zu nutzen.[10]

Zentrale Amsteg II (ab 1998)

Die neue Zentrale ist auf eine Stromproduktion von 160 Megawatt ausgelegt. In einer ersten Etappe sind 120 Megawatt installiert, die durch drei Einphasen-16,7 Hz-Generatoren zu 50 MVA erzeugt werden. Sie befindet sich in einer 30 m hohen Kaverne, die 30 m breit und 90 m lang ist. Die Turbinen sind vertikal angeordnet und haben drei Düsen, darüber befinden sich die Generatoren. Im obersten Geschoss sind die Transformatoren untergebracht, die im Bezug auf die Generatoren bergseitig angeordnet sind.[11]

Regulierzentrale Amsteg (ab 1998)

Das Unterwasser von Amsteg II wird teilweise zurückgehalten um einen gleichmässigen Wasserstand in der Reuss zu garantieren. Beim Abfluss aus dem unterirdischen in einer Kaverne angelegten Staubecken in die Reuss wird das Wasser von den zwei Rohrturbinen der Regulierzentrale Amsteg verarbeitet. Die Turbinen haben zusammen eine Leistung von 1739 kW und erzeugen 50 Hz-Strom für das Landesnetz.[3]

Übersicht

ZentraleLageGemeindegebietInbetriebnahmeMaschinenhaus

[m. ü. M.]

el. Leistung

in MW

StromartTurbinenMaximale Rohfallhöhe

in m[12]

Ausbaudurchfluss

in m³/s

Bemerkung
Amsteg I694182 / 180392Silenen UR19235285616 2/3 Hz -Bahnstrom6 horizontale Doppel­-Pelton-Turbinen28929In den 1990er-Jahren stillgelegt, unter Denkmalschutz
Amsteg II694278 / 180247Silenen UR199852812016 7 Hz -Bahnstrom3 vertikale Pelton-Turbinen28950
Regulierzentrale Amsteg694010 / 181126Silenen UR19985101.7350 Hz – Landesnetz2 Rohrturbinen46regelt den Abfluss des Unterwassers von Amsteg II in die Reuss
Dotierzentrale Pfaffensprung689635 / 174446Wassen19987790.7250 Hz – Landesnetz1 Francis-Turbine4verarbeitet das Restwasser für die Reuss

Lagekarte

Kraftwerk Amsteg

Siehe auch

Literatur

  • Kilian T. Elsasser: Wanderweg Gottardo. Zu Fuss entlang der Gotthardbahn. AT-Verlag, Baden 2007, ISBN 978-3-03800-353-3, S. 95–96.
  • Das Kraftwerk Amsteg der Schweizerischen Bundesbahnen. In: Schweizerische Bauzeitung.

Weblinks

Commons: Kraftwerk Amsteg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Regierungsrätliche Vertretung in Gremien. Kanton Uri, 14. Juni 2016, abgerufen am 1. August 2020.
  2. Karl Werlen: Schwall/Sunk: Optimales Abflussregime für Wasserkraftwerke. In: Wasser Energie Luft 1/2011. Optimales Abflussregime am Beispiel des Kraftwerks Amsteg (KWA), S. 23 (issuu.com [abgerufen am 1. August 2020]).
  3. a b c Bundesamt für Energie BFE (Hrsg.): Statistik der Wasserkraftanlagen der Schweiz. 1. Januar 2018 (admin.ch – Anlagennummer 300900). Statistik der Wasserkraftanlagen der Schweiz (Memento desOriginals vom 9. Dezember 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bfe.admin.ch
  4. Remo Infanger: 4 von 10 Zügen fahren mit Urner Strom. In: Luzerner Zeitung. 24. Juli 2018;.
  5. a b Die Kraftwerke der Schweiz. Bundesbahnen am Gotthard. In: Schweizerische Bauzeitung. Band 68, 22. Juli 1916, S. 33, doi:10.5169/seals-33038.
  6. a b Neues in Kürze. In: Eisenbahn Amateur. Nr. 5, 1996, S. 270.
  7. Schweizerisches Talsperrenkomitee (Hrsg.): Pfaffensprung. (swissdams.ch [PDF]).
  8. Druckstollen Kraftwerk Amsteg. (PDF) Marti Tunnel AG, 1. Mai 2017;.
  9. Eidg. Amt für Wasserwirtschaft (Hrsg.): Statistik der Wasserkraftanlagen in der Schweiz. 1. Januar 1973.
  10. Marco Molinari, Eduard Müller, Toni Häfliger: Die Gotthardbergstrecke als Weltkulturerbe der UNESCO? Chancen und Risiken der Lancierung einer Kandidatur. 15. Dezember 2006, S. 18 (raonline.ch [PDF]).
  11. Martin Keller: Kavernenzentrale Linth–Limmern — Ausbruchs- und Sicherungskonzept. 13. Dezember 2007, S. 22 (ethz.ch [PDF] Präsentation).
  12. Eidg. Amt für Wasserwirtschaft (Hrsg.): Statistik der Wasserkraftanlagen in der Schweiz. 1. Januar 1973.

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Die quadratische Nationalfahne der Schweiz, in transparentem rechteckigem (2:3) Feld.
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Unterirdische Generatorhalle des Kraftwerks Amsteg
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Kraftwerk der SBB in Amsteg, Gemeinde Silenen
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The only road into the Maderan valley to Bristen was broken by a rock and landslide. For the inhabitants there is only a steep footpath or supply by helicopters. As makeshift, the 97 years old funicular of the power station Amsteg will be put into operation again. This has already been done in 2003 in a similar situation. Since then it was not used anymore. Tests and repairs have to be done now first. Also the cable is radiographed and it takes a few more days. When a worker climbs onto the large deflection pulley, he has to be sure that no one turns on the engine. If everything is satisfactory, 20 passengers and 1 accompanying staff can be transported per ride from the middle of next week. The cable car has a length of 410 meters and a maximum gradient of 92%. The ride from the power station to the surge chamber Schiltwald along the large pressure lines takes about 6 minutes. These lines are no longer in operation. Switzerland, March 10, 2017. (21/21)
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Längsprofil des Kraftwerks Amsteg mit Horizontalschnitt des Zulaufstollens. Legende der Gesteinsfolge: I. Granit; II. Schiefriger Sericitgneiss; III. Sericitschiefer; IV. Quarzporphyrschiefer (III. und IV. Carbonische Schiefer)
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Stillgelegte Turbine und Generator im Kraftwerk Amsteg / Retired turbine and generator at Amsteg power plant
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Reliefkarte des Kantons Uri
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Lagekarte des Kraftwerks Amsteg
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This facility belongs to SBB. It is the access to the regulator power plant and the underwater tunnel. Switzerland, Nov 8, 2016.
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Staubecken Pfaffensprung, Umlauftunnel und Wasserfassung. Teil der Kraftwerk Amsteg.
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(c) ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Bensberg, Ralph / Com_L43-0263-0001-0007 / CC BY-SA 4.0
Amsteg, Baustelle SBB Kraftwerk, Turbinenkaverne
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Zentrale Amsteg, Innenansicht des Maschinenhauses