Komturei Nemerow

Grabmal des Komturs Ludwig von der Groeben
Ruine der Klosterscheune

Die Komturei Nemerow, vorher Komturei Gardow war eine Komturei des Johanniterordens der Ballei Brandenburg in Klein Nemerow in Mecklenburg-Vorpommern, die 1285 ersterwähnt ist und bis 1648 bestand. Ursprünglicher Sitz der Komturei war Gardow, eine heute wüst gefallene Siedlung in der Gemeindelage Wokuhl-Dabelow.

Geschichte

Die Ländereien um Nemerow waren im 12. Jahrhundert im Besitz des Klosters Broda. Im Vertrag von Kremmen vom 20. Juni 1236 musste der in Demmin residierende Herzog Wartislaw III. die Länder Stargard, Beseritz und Wustrow an die gemeinsam regierenden brandenburgischen Markgrafen Johann I. und Otto III. aus dem Hause der Askanier abtreten. Die Markgrafen Otto und Albrecht von Brandenburg schenkten dem Kloster Broda am 10. April 1273 das Dorf Klein Nemerow (Wendisch Nemerow) und am 13. März 1285 verlieh der brandenburgische Markgraf Albrecht III. Johanniterorden das Eigentumsrecht des Dorfes Gnewitz an die Komturei Gardow, später Nemerow.[1] Gardow war eine schon 1583 als wüst bezeichnete Feldmark zwischen Godendorf und Comthurey in der Nähe des Großen und Kleinen Gadowsee. Im Laufe der Zeit verlor dieser Standort immer mehr an Bedeutung, vor allem als Komtur Ulrich Swave von Hermann von Warburg die Güter in Klein und Groß Nemerow für den Orden kaufte. Der Besitz wurde am 15. Mai 1298 von Markgraf Albrecht III. bestätigt. Sehr bald entstand in Nemerow, wie bereits in Mirow, neben der Komturei eine Priester-Priorei, die geistliche Aufgaben des Ordens übernahm.

Nach dem Wechsel der Herrschaft Stargard nach Mecklenburg schenkte der Fürst Heinrich II. am 30. Januar 1302 der Komturei Nemerow das Patronatrecht über die Pfarrkirche St. Johannes der Stadt Lychen. Der brandenburgische Markgraf Hermann von Brandenburg bestätigte diese Rechte im gleichen Jahr.[2] In diesem Zuge wurde Gardow als Teil von Nemerow genannt. Die Besitzungen der Erstausstattung der Komturei Nemerow schlossen sich direkt an die Güter des Klosters Wanzka an.

Die Komturei bestand dann Anfang des 14. Jahrhunderts aus Nemerow mit Groß Nemerow und Klein Nemerow, Rowa und Staven und den Gebieten um Gardow mit Dabelow, Wokuhl, Gnewitz, Gudendorf und die Feldmark Dreffin. Im Verlaufe des 14. Jahrhunderts vergrößerte die Komturei erheblich ihren Besitz.[3] So gehörten der Komturei in ihrer wirtschaftlichen Blütezeit acht Dörfer mit rund 100 Bauern und Kossaten. Dennoch stellten die Landesherrn immer wieder Forderungen und forderten Einfluss, wie das Ablager und Naturalienlieferungen.[4]

Für die Bedeutung der Komturei Nemerow im Mittelalter spricht auch, dass deren Komture als geachtete Personen oftmals bei wichtigen Beurkundungen uns anderen politischen Akten als Zeugen auftraten, insbesondere Ulrich Schwabe und Adolf von Schwalenberg, der der Komturei noch 1355 vorstand.

Unter anhaltenden Auseinandersetzungen mit den Herrenmeistern von Sonnenburg gewannen die mecklenburgischen Herzöge im Verlauf des 16. Jahrhunderts größeren Einfluss auf die Besetzung der Kommende und die Ernennung von Komturen. Mitte des 16. Jahrhunderts kam es zu einem heftigen Erbschaftsstreit zwischen den Herzögen zu Mecklenburg Johann Albrecht I. und Ulrich. Der Erbschaftsstreit wurde 1556 mit dem Ruppiner Machtspruch des brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. beigelegt. Aber die Komturei wurde, wie auch die Komturei Mirow, darin ausgeklammert und so vor der Säkularisation vorerst verschont. Doch 1552 setzte Herzog Johann Albrecht I. seinen Lehnsmann und Hof- und Kriegsrat Joachim von Holstein auf Ankershagen als Komtur in Nemerow ein. Er ließ sich in den Orden einkleiden und für die Herzöge war die Komturei nun säkularisiert.

Im Jahr 1628 zog Wallenstein die Komturei Nemerow für sich ein. Zweieinhalb Jahre später endete seine Herrschaft in Mecklenburg und der Schwedenkönig Gustav II. Adolf schenkte die Komturei 1630 seinem Obristen Melchior Wurmbrand. Dieser trat sie 1634 wieder ab, doch Gebäude und Besitz der Komturei waren völlig zugrunde gerichtet worden. 1646 gilt als letztes stabiles Jahr mit Nachweis der Johanniter.[5]

Im Jahr 1648 wurde mit dem Westfälischen Frieden die Komturei der Güstrower Linie des Hauses Mecklenburg zugesprochen. Nach deren Erlöschen und mit dem Hamburger Erbvergleich kam die Komturei 1701 an das neue (Teil-)Herzogtum Mecklenburg-Strelitz. 1775 kam es innerhalb des Johanniterordens noch einmal indirekt die Thematik Nemerow auf, deren Tradition in die Kommende Lagow einfloss. Deren Bruder Friedrich Georg zu Wied-Runkel, immerhin General-Feldzeugmeister, wollte zum katholischen Glauben konvertieren. Seine Löschung aus den Ordenslisten wurde aber erst nach seinem Tod vollzogen.[6] In Nemerow bildete sie bis 1794 ein selbständiges Amt, dessen letzter Pächter Amtshauptmann Adolph Friedrich Quinckardt war. Danach kam Nemerow als Domäne zum Amt Stargard. Von den Anlagen der Komturei ist fast nichts mehr erhalten.

Baulichkeiten

Von der Klosteranlage sind heute nur noch die Umfassungsmauern der wohl aus dem 14. Jahrhundert stammenden Klosterscheune (früher fälschlich als "alte Kirche" bezeichnet) am Steilufer des Tollensesees erhalten.[7] Baubefunde belegen eindeutig, dass der mittelalterliche Backsteinbau als Wirtschaftsgebäude errichtet wurde. Die Scheune befand sich nördlich des Konventhauses und bildete mit dem Gebäudeverband am Rande des Tollensesees den Kern des Wirtschaftssektors der Kommende. Anfang der 1960er Jahre brannte die Scheune komplett aus.

Die ebenfalls in Stein errichtete Klosterkirche stand an anderer Stelle. Aus der Klosterkirche, deren bauliche Reste im frühen 18. Jahrhundert abgebrochen wurden, blieb nur der Leichenstein des von 1593 bis 1620 amtierenden Komturs Ludwig von der Groeben erhalten. Eingebaut in eine Backsteinumrahmung steht er heute auf dem einstigen Wirtschaftshof vor dem ehemaligen Pächterhaus (heute Gasthof) von Klein Nemerow.

Die Sandsteinplatte zeigt in einer rundbogigen Architektur einen Ritter in prachtvoller Rüstung. An der Kette der Schärpe hängt das Johanniterkreuz und zur linken Seite des Kopfes steht: LVDEWIEG. V. DER GROBEN COMPTOR. Neben dem linken Kragenrand ist auf dem Wappenschild ebenfalls ein Johanniterkreuz zu sehen. Auf den schmalen Säulen und dem Rundbogen ist folgende Inschrift zu lesen: ANNO 1620 DEN 20. AUGUSTI IST DER WOLWURDIGEN EDLER GESTRENGER UND ERNVESTER HER LUDEWIG V. DER GROBEN DES MALTHESER ORDENS S. JOANNIS UND HOSPITALS ZU HIERUSALEM RITTER COMMENDATOR ZU NEMEROW ALHIE SEHLIGLICH ENTSCHLAFEN ZWISCHEN 6 UND 7 UHRN VORMITAGE UND ZUR ERDEN BESTETIGET IM GEWELBE SEINES ALTERS IM 42. IHARE DERO SEHLEN GODT GNEDIGH IST.

Stadthaus

Die Komturei besaß ein Stadthaus in Neubrandenburg. Dieses vergab der Herzog 1563 an den Neubrandenburger Superintendenten Joachim Nossiophagus als Wohnhaus und Sitz der Superintendentur.[8]

Komture

Namen und Jahreszahlen bezeichnen die nachweisbare Erwähnung.[9][10]

AmtszeitName
1298–1318Ulrich Schwabe (Swave)
1322Georg von Kerkow
1337–1345Hermann von Warberg
1349–1355Adolf, Graf von Schwalenberg
1356Albert von Warberg
1358Ulrich von Regenstein
1358–1365Albert von Warberg (erneut)
1366–1369Nikolaus von Lankow (Lankau)
1376Heinrich von dem Kruge
1392Godeke (Goettke) von Bülow
1404–1407Degenhard von Parsow
1433–1435Peter von Mundt
1438Nickel (Nickel) von Sack (Sagk)
1466–1468Engelke von Warburg
1474Joachim von Wagenschütz (Wagenschütte)
1480Heinrich (Hinrik) von Beust (Bust)
1491–1495Kurt von Jagow
1503–1506Bernhard von Rohr
1506–1523Otto von Sack
1523–1551Aschwin von Cramm
1552–1572Joachim von Holstein
1572–1574Sedisvakanz
1574–1593Georg von Ribbeck
1593–1620Ludwig von der Groeben (1579–1620)
1621–1641Graf Heinrich Volrath von Stolberg
1641–1644Sedisvakanz
1644–1645Henning von Gristow
1645–1648Sedisvakanz[11]

Prioren

  • 1339–0000 Gebhard von Goslar[12]
  • 1392–0000 Martin von dem Berge[13][14]

Priesterbrüder

  • 00000000 Johannes von Holdenstedt (Holdenstede)
  • 00000000 Johannes von Rutenberg (Ruthenberch)[15]
  • 1407–0000 Johannes Goltsmid[16]

Ritterbrüder

  • 1369–0000 Henning von Helpte[17]
  • 00000000 Gerhard Lubbin
  • 00000000 Klaus Luno
  • 00000000 Henning Picht
  • 0000–1392 Gert Went[18]
  • 1392–1402 Jacob vom Sunde[19]

Literatur

  • Georg Christian Friedrich Lisch: Geschichte der Johanniter-Comthureien Nemerow und Gardow. In: Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Bd. 9 (1844), S. 28–96. (Volltext, Digitalisat)
  • Georg Christian Friedrich Lisch: Urkunden-Sammlung. In: Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Bd. 9 (1844), S. 247–313 [Mirow: S. 249–288]. (Volltext, Digitalisat)
  • Erich Brückner: Die Scheune der Komturei. In: Georg Krüger [Hrsg.]: Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Freistaates Mecklenburg-Strelitz. Bd. I.3. Neubrandenburg 1929. S. 207–208.
  • Gottfried Wentz: Der Johanniterorden in der Diözese Havelberg. Komtureien Mirow, Gardow und Nemerow. In ders.: Germania sacra. Historisch-statistische Darstellung der deutschen Bistümer, Domkapitel, Kollegiat- und Pfarrkirchen, Klöster und der sonstigen kirchlichen Institute. Abt. 1, Bd. 2 (1933), S. 368–398.
  • Wolfgang Huschner, Ernst Münch, Cornelia Neustadt, Wolfgang Eric Wagner: Mecklenburgische Klosterbuch. Handbuch der Klöster, Stifte, Kommenden und Prioreien (10./11. – 16. Jahrhundert). Rostock 2016, ISBN 978-3-356-01514-0, S. 542–578.

Gedruckte Quellen

Quellen

Ungedruckte Quellen

Einzelnachweise

  1. Lisch (1844), S. 28–96, 249–288.
  2. Lisch (1844), S. 249–288
  3. MUB, Band XIII. 1351–1355, Hrsg. Verein für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde, 1355. 19. August, Stargard, Nr. 8122. In Commission der Stiller`schen Hofbuchhandlung, Schwerin 1884, S. 663 f. Digitalisat
  4. Annette Kugler-Simmerl: Bischof, Domkapitel und Klöster im Bistum Havelberg 1522-1598. Strukturwandel und Funktionsverlust. In: Studien zur brandenburgischen und vergleichenden Landesgeschichte 1. Online-Ressource Auflage. Der Johanniterorden im Bistum Havelberg:, Die mecklenburgischen Komtureien Mirow und Nemerow. Lukas Verlag, Berlin 2003, ISBN 978-3-86732-850-0, S. 90–92 (google.de [abgerufen am 9. Oktober 2022]).
  5. Johann Gottfried Dienemann: Nachrichten vom Johanniterorden, insbesondere vom Herrenmeisterthum in der Mark, Sachsen, Pommern und Wendland, etc. Hrsg.: Johann Erdmann Hasse. Band I., Cap. IV. Abschnitt II. Georg Ludwig Winter, Berlin 1767, S. 90–91 (google.de [abgerufen am 9. Oktober 2022]).
  6. L. Freiherr von Ledebur: Wochen-Blatt der Johanniter-Ordens Balley Brandenburg. Hrsg.: Balley Brandenburg des Ritterlichen Ordens St. Johannis vom Spital zu Jerusalem. Relegionswechsel innerhalb der evangelischen Balley Brandenburg, General-Capitel 8. Februar 1775. G. Hickethier, Berlin 17. April 1861, S. 70–71 (google.de [abgerufen am 9. Oktober 2022]).
  7. Brückner (1929), S. 207–208.
  8. Jan ten Doornkaat Koolman: Joachim Kükenbieter (Nossiophagus): ein lutherischer Eiferer des Reformationszeitalters. in: Ned . Archief voor Kerkgesch. NS 44 (1960/61), S. 157–176 JSTOR, hier S. 174
  9. Angaben nach Wentz (1933), S. 385f. - Bei Lisch (1844) teilweise andere Jahre und abweichende Namensformen.
  10. Wolfgang Huschner: Nemerow. Kommende S. Jahannes der Täufer. In: Mecklenburgisches Klosterbuch. Band 1, 2016, S. 553.
  11. Lisch (1844) S. 70–75.
  12. Wentz 1933, S. 387.
  13. Hacke 1783, S. 53.
  14. Lisch (1844) S. 33.
  15. MUB XXV A, Nr. 14305.
  16. Wentz 1933, S. 387.
  17. MUB, Band XVI. 1366–1370, Hrsg. Verein für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde, 1369. April 23. Marienpforte bei Boizenburg, Nr. 9901. Druck und Vertrieb Bärensprung, Commissionär E. F. Koehler Leipzig, Schwerin 1893, S. 1368 f. Digitalisat
  18. Hacke 1783, S. 53.
  19. Hacke 1783, S. 53.
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Koordinaten: 53° 29′ 23,7″ N, 13° 12′ 52,6″ O

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Klein Nemerow - Gedenkstein mit Relief des letzten Komturs Ludwig van der Groeben (d. 1620)