Abzählende Kombinatorik
Die abzählende Kombinatorik ist ein Teilbereich der Kombinatorik. Sie beschäftigt sich mit der Bestimmung der Anzahl möglicher Anordnungen oder Auswahlen
- unterscheidbarer oder nicht unterscheidbarer Objekte (d. h. „ohne“ bzw. „mit“ Wiederholung derselben Objekte) sowie
- mit oder ohne Beachtung ihrer Reihenfolge (d. h. „geordnet“ bzw. „ungeordnet“).
In der modernen Kombinatorik werden diese Auswahlen oder Anordnungen auch als Abbildungen betrachtet, so dass sich die Aufgabe der Kombinatorik in diesem Zusammenhang im Wesentlichen darauf beschränken kann, diese Abbildungen zu zählen.
Anwendungen
Für das Rechnen mit Wahrscheinlichkeiten auf der Basis des Wahrscheinlichkeitsbegriffs von Laplace bildet die Kombinatorik eine wichtige Grundlage.
Ein verblüffendes Phänomen der Kombinatorik ist, dass sich oftmals wenige Objekte auf vielfältige Weise kombinieren lassen. Beim Zauberwürfel können beispielsweise die 26 Elemente auf rund 43 Trillionen Arten kombiniert werden. Dieses Phänomen wird oft als kombinatorische Explosion bezeichnet und ist auch die Ursache für das Geburtstagsparadoxon.
Permutationen, Variationen und Kombinationen
Begriffsabgrenzungen
Aufgrund der Vielfalt der Herangehensweisen sind die Schreibweisen und Begrifflichkeiten im Bereich der Kombinatorik leider oft recht uneinheitlich. Zwar bezeichnen übereinstimmend alle Autoren die Vertauschung der Reihenfolge einer Menge von unterscheidbaren Elementen als Permutation. Wählt man dagegen von diesen Elementen nur Elemente aus, deren Reihenfolge man anschließend vertauscht, bezeichnen viele Autoren das nun als Variation, geordnete Stichprobe bzw. Kombination mit Berücksichtigung der Reihenfolge, andere dagegen (namentlich im englischsprachigen Raum) weiter als Permutation. Lässt man schließlich in einer solchen Auswahl von Elementen deren Reihenfolge außer Acht, wird solch eine Auswahl nun für gewöhnlich ungeordnete Stichprobe, Kombination ohne Berücksichtigung der Reihenfolge oder einfach nur Kombination genannt. Kombinationen sind also, sofern nichts weiter zu ihnen gesagt wird, in der Regel ungeordnet, Permutationen und/oder Variationen dagegen geordnet, wobei die Frage, ob man Permutationen als Sonderfälle von Variationen (oder umgekehrt) betrachtet, gegebenenfalls von Autor zu Autor unterschiedlich beantwortet wird.
Alles in allem gibt es also zunächst einmal drei (oder auch nur zwei) verschiedene Fragestellungen, die ihrerseits noch einmal danach unterteilt werden, ob es unter den ausgewählten Elementen auch Wiederholungen gleicher Elemente geben darf oder nicht. Ist ersteres der Fall, spricht man von Kombinationen, Variationen oder Permutationen mit Wiederholung, andernfalls solchen ohne Wiederholung. Stellt man sich schließlich vor, dass die ausgewählten Elemente dabei einer Urne oder Ähnlichem entnommen werden, wird dementsprechend auch von Stichproben mit oder ohne Zurücklegen gesprochen.
Elemente paarweise verschieden | Elemente können mehrfach vorkommen | |||
---|---|---|---|---|
ohne Zurücklegen, ohne Wiederholung | mit Zurücklegen, mit Wiederholung | |||
geordnete Stichprobe, mit Berücksichtigung der Reihenfolge, d. h. Reihenfolge relevant | Permutation | Permutation ohne Wiederholung (engl. n-permutation) | Permutation mit Wiederholung (engl. n-tuple) | |
Variation | Variation ohne Wiederholung (engl. k-permutation) | Variation mit Wiederholung (engl. k-tuple) | ||
ungeordnete Stichprobe, ohne Berücksichtigung der Reihenfolge, d. h. Reihenfolge irrelevant | Kombination | Kombination ohne Wiederholung (engl. k-combination) | Kombination mit Wiederholung (engl. k-multiset) |
Anzahlen
Im Folgenden bezeichnet die Zahl der vorhandenen Elemente und die Zahl ausgewählten Elemente bzw. die jeweiligen Anzahlen der Elemente, die nicht unterscheidbar sind.
ohne Wiederholung | mit Wiederholung | |
---|---|---|
Permutationen | ||
→ Fakultät | → Multinomial | |
Variationen | ||
→ Fallende Fakultät | → k-Tupel | |
Kombinationen | ||
→ Mengen (k-Teilmengen) | → Multimengen |
Bälle und Fächer
Eine Verallgemeinerung des Urnenmodells ist ein von Gian-Carlo Rota popularisiertes Modell mit Bällen und Fächern, im Englischen nach einem Vorschlag von Joel Spencer auch Twelvefold Way („Zwölffacher Weg“) genannt.[1][2] Gesucht ist dabei die Anzahl der Möglichkeiten, Bälle auf Fächer zu verteilen, wobei die Bälle und Fächer jeweils entweder unterscheidbar oder nicht unterscheidbar sind und entweder keine weitere Bedingung gilt oder in jedes Fach höchstens ein Ball kommen darf oder mindestens ein Ball kommen muss. Man erhält folgende Übersicht:
Bälle | Fächer | Beschränkung auf Anzahl der Bälle pro Fach | ||
---|---|---|---|---|
unterscheidbar? | — | max. 1 | mind. 1 | |
Dabei ist die Anzahl der Möglichkeiten, eine -elementige Menge in nichtleere disjunkte Teilmengen aufzuteilen (Stirling-Zahl zweiter Art), und die Anzahl der Möglichkeiten, die Zahl als Summe von positiven ganzen Zahlen ohne Beachtung der Reihenfolge darzustellen (siehe Partitionsfunktion).
Äquivalente Darstellungen
Wird in einem diskreten Wahrscheinlichkeitsraum die Anzahl der möglichen Ereignisse durch eine der obigen kombinatorischen Formeln gegeben, dann können über die vollständige Zerlegung des Ereignisraums äquivalente Darstellungen für sie abgeleitet werden. Die folgenden beiden Modelle verdeutlichen dies. Es werden Bälle zufällig auf Fächer verteilt. Man betrachte die Ereignisse , dass Fächer, , mindestens einen Ball enthalten unter der Prämisse:
- Kein Ball wird von vornherein einem Fach zugeordnet.
- Jeder Ball wird von vornherein einem Fach zugeordnet, kann aber in einem anderen Fach landen.
Der erste Fall entspricht der Variante „nicht unterscheidbare Bälle, unterscheidbare Fächer“. Die vollständige Zerlegung des Ereignisraums in die disjunkten Ereignisse ergibt dann
- .
Der zweite Fall entspricht der Variante „unterscheidbare Bälle, unterscheidbare Fächer“. Die vollständige Zerlegung des Ereignisraums analog zum ersten Fall ergibt die äquivalente Darstellung
- ,
wobei sich die zweite Summe durch Umkehrung der Summierungsreihenfolge (bzw. ) aus der ersten ergibt.
Für ist das Ereignis, dass alle Fächer mindestens einen Ball besitzen, gleich dem Ereignis, dass alle Fächer genau einen Ball besitzen, und enthält Elemente. Daraus folgt
- .
Literatur
- Konrad Jacobs, Dieter Jungnickel: Einführung in die Kombinatorik. de Gruyter, 2003, ISBN 3-11-016727-1.
- Joachim Hartung, Bärbel Elpelt, Karl-Heinz Klösener: Statistik: Lehr- und Handbuch der angewandten Statistik. Oldenbourg, 2005, ISBN 3-486-57890-1.
- Karl Bosch: Elementare Einführung in die Wahrscheinlichkeitsrechnung. Vieweg, 2003, ISBN 3-528-77225-5.
- Norbert Henze: Stochastik für Einsteiger. Springer Spektrum, 2013, ISBN 978-3-658-03076-6, doi:10.1007/978-3-658-03077-3.
- Martin Aigner: Diskrete Mathematik. Vieweg, 2006, ISBN 3-8348-9039-1.
Weblinks
- Modul Kombinatorik beim MathePrisma
- Michael Stoll: Abzählende Kombinatorik (PDF; 554 kB) Vorlesungsskript
- V.N. Sachkov: Combinatorial analysis. In: Michiel Hazewinkel (Hrsg.): Encyclopedia of Mathematics. Springer-Verlag und EMS Press, Berlin 2002, ISBN 1-55608-010-7 (englisch, encyclopediaofmath.org).
- Empfehlungen zur Kombinatorik in der Schule (PDF; 612 kB) aus: Stochastik in der Schule, 33, 2013, 1, S. 21–25
Einzelnachweise
- ↑ Richard P. Stanley: Enumerative combinatorics (Band 1), Cambridge University Press, 2. Auflage 2012, ISBN 978-1-107-01542-5, S. 79 ff. und 107 f. (englisch; Stanleys Webseite zum Buch mit der letzten Vorabversion und Errata als PDF: Enumerative Combinatorics, volume 1, second edition)
- ↑ Aigner: Diskrete Mathematik, 2006, S. 10
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Zahl der Kombinationen ohne und mit Wiederholung, Variationen ohne und mit Wiederholung sowie partiellen Derangements von 10 Elementen, im letzterer Fall mit k als der Zahl der Elemente, die ihre Plätze wechseln